Dienstag, 7. Juni 2011

Taliban in Bayern

Am 3. Mai 2010 ereignete sich Erstaunliches. In den Nachrichten des Bayerischen Rundfunks ging es um die Ölpest im Golf von Mexiko vor der US-Küste, und der Sprecher sagte „Lusianna“, einfach „Lusianna“, nicht „Luusiännä“. Kurz vorher noch dachte ich, es sei so weit, ein Naturgesetz zu formulieren: Immer dann, wenn in einer englischsprachigen Gegend, deren Namen die Deutschen bisher deutsch – d. h. so wie sie ihn lesen – ausgesprochen hatten, etwas passiert, über das in den Nachrichten berichtet wird, ist es damit vorbei. Arizona hieß ganz selbstverständlich Arizona, bis dort etwas von einigem Informationswert passiert ist, was, weiß ich nicht mehr, und von da an hieß es „Ärrisouna“. Arkansas hieß Arkansas, so wie es dasteht, aber von dem Moment an, als erstmals darüber etwas in Funk und Fernsehen kam, weil Bill Clinton aus diesem Staat stammt, verrenkte sich ganz Deutschland den Kiefer, um „Ookonsoo“, mit offenem „o“, herauszubringen, während kein Ereignis, nicht einmal die Wahl von Angela Merkel, die Amerikaner dazu bringen konnte, „Börlin“ durch „Berlin“ zu ersetzen. Und nun: Lusianna. Was ist im Bayerischen Rundfunk los? Ein Rebell? Ein getarnter Fundamentalist? Der Beginn einer bayerischen, vielleicht sogar deutschen Taliban-Bewegung? Der Verfassungsschutz sollte ein Auge darauf werfen.
Kürzlich saß ich – auffälligerweise in Bayern – neben einem in der Eisenbahn, der etwa eine halbe Stunde lang telefonierte. Es ging um Geschäftliches und um Computer oder um Computergeschäfte. Er sprach ein merkwürdiges Gemisch aus Englisch, Fränkisch und Hochdeutsch, etwa zu gleichen Teilen. Dann aber, kurz bevor wir in den Münchener Hauptbahnhof einfuhren, sagte er: Lokation, mehrmals, in verschiedenen Sätzen und deutlich vernehmbar: Lokation, nicht etwa Lokäischönn, wie man es von so einem erwartet. Der Sturm wird wohl bald losbrechen.

2 Kommentare:

Michael Allers hat gesagt…

Jeder Staat und jede Stadt hat genau einen Namen, dessen Aussprache normalerweise von den Gründern oder den aktuellen Eigentümer definiert wurde. Zweit ... letzteres gilt z.B. für Louisiana (mit genau einem 'n', also ca. 'Lusiääna' gesprochen).

Warum sollte man sich für einen Staat zwei verschiedene Lautungen, d.h. beim Sprechen de facto zwei verschiedene Namen merken? Die treudeutsche Aussprache 'Arkansas' führt dazu, dass man von einem Einwohner jenes Staates und generell außerhalb des dt. Sprachraums nicht verstanden wird!

Die Welt wäre doch etwas einfacher, wenn überall annähernd die Original-Aussprache verwendet würde. 'Börlin' ist ähnlich genug.

Ich wette, selbst Sie sagen nicht 'Nev Jork' (mit weichem v), 'Bierminghamm', 'Marsaile' oder 'Bolog-na'! Warum also 'Aritsona'?
Wollen Sie in puncto Inkonsequenz dem VDS nacheifern? Bleiben Sie lieber beim Nörgeln mit Niveau (wie sprechen Sie das eigentlich aus? ;-)

Ludwig Trepl hat gesagt…

Die Welt wäre in der Tat einfacher; aber da sollten Sie konsequent sein und auch eine Vereinfachung der Wörter verlangen. München oder Schrobenhausen kann kaum ein Ausländer aussprechen, und vor allem wäre zu verlangen, daß man die Ortsnamen in Wales rigoros durch englische ersetzt oder einfach durch Ziffern.

Die Welt wäre einfacher, aber schwerer auszusprechen. Darum erheben Sie ihre Forderung ja auch nur für englischsprachige Länder, nicht z. B. für China. Es gibt wohl kaum eine europäische Nation, die an dieser Aufgabe nicht scheitern würde.

Fremdsprachige Ortsnamen so wie die dort Heimischen auszusprechen ist ein merkwürdiger, möglicherweise nur in Deutschland gepflegter Brauch. Zumindest alle Völker um uns herum - die Italiener, die Franzosen, die Engländer, die Polen, die Russen, die Spanier ..., sprechen deutsche Ortsnamen ganz selbstverständlich so aus, wie es ihnen am bequemsten ist, also wie sie sie lesen, wenn es Wörter ihrer eigenen Sprache wären, wenn sie nicht ohnehin - wie wir nur im Falle einiger weniger, vor allem italienischer Orte - dafür eigene Namen haben. Nur die Deutschen werden schamrot, wen sie erfahren, daß sie bisher Arkansas nicht so ausgesprochen haben wie ein Amerikaner.

Daran sieht man, daß das kein Sprachproblem ist, sondern ein sozialpsychologisches, bzw. daß hier Psychotherapeuten gefragt sind und nicht Linguisten. Das wir noch deutlicher, wenn man berücksichtigt, daß die Deutschen keineswegs fremdsprachige Ortsnamen schlechthin bzw. überhaupt Namen in der fremden Sprache aussprechen möchten, sondern nur Namen in der Sprache solcher Nationen, die sie als höherrangig betrachten als die eigene, d.h. es geht nur um die englische Sprache und die französische. Kein Deutscher würde den Namen des deutschen Politikers Oskar Lafontaine nicht französisch aussprechen, aber so gut wie jeder Deutsche sprach den Namen des polnischen Gewerkschaftsführers Lech W. (ich kürze es ab, weil ich den entscheidenden Buchstaben hier nicht zur Verfügung habe) aus, als ob es ein deutscher wäre. Dies keineswegs deshalb, weil er schwer auszusprechen ist oder weil man nicht weiß, wie er auszusprechen ist, sondern weil man auf die Polen herabblickt. Man nennt das Radfahrermentalität: Nach oben buckeln, nach unten treten