Mittwoch, 29. Mai 2013

Eliteuniversitätsrektor demonstriert Kompetenz


„Wer Latein oder Griechisch hatte, ist oft auch an der ETH gut. Deshalb muss die nächste Maturareform die Kompetenz einer exakten Sprache stärker gewichten.“ (Ralph Eichler, Rektor der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, der wohl renommiertesten Technischen Hochschule Europas).[1]
Ein grelles Licht auf die politische Kompetenz heutiger Universitätsrektoren wirft das „Deshalb“. Man sollte auch die Kindergärten der Schweiz einer Reform unterziehen unter dem Leitgedanken, wie die Kleinen für die ETH brauchbar gemacht werden könnten. Bemerkenswert ist aber vor allem das Schicksal, das dem Wort Kompetenz offensichtlich bevorsteht. Wie alle anderen besonders penetranten Modewörter, z. B. Nachhaltigkeit, beginnt es nach einiger Zeit, Purzelbäume zu schlagen. Kompetenz war bisher eine Eigenschaft derer, von denen man früher sagte, sie seien für etwas zuständig oder sie können etwas, z. B. sprechen; jetzt haben sie Sprachkompetenz. Nun scheint die Sprache selber kompetent zu werden, in Zürich hat’s schon angefangen. Hoffentlich schließt das ihre Fähigkeit ein, derartige Attacken abzuwehren.

Dienstag, 21. Mai 2013

Fakten Fakten Fakten


„Fakt ist“ ist unter den Wendungen aus dem Deppendeutsch-Sprachschatz wohl die erfolgreichste. Über fünf Millionen Treffer ergab sie bei Google. Eingesetzt wird „Fakt ist“ vorzugsweise von Politikern, ihren Journalisten und im Internet politisierenden Laien, und zwar dann, wenn sie etwas behaupten, zu dessen Nachweis sie sich nicht in der Lage sehen. 


Dienstag, 14. Mai 2013

Elterteam


In der Biologie war, als man in diesem Fach noch im wesentlichen deutsch sprach, „das Elter“ üblich. „Dieser Operator trennt das Elter mittels zweier durch Zufallszahlen“ usw.[1]. Nicht gleich böse werden, die dürfen das. In einer Fachsprache sind die seltsamsten Dinge erlaubt, allerdings nur unter der Bedingung, daß streng darauf geachtet wird, daß kein Nicht-Fachmensch (darf ich das? muß es nicht vielleicht FachmenschIn heißen?) zuhört.
Aber nun geht ein Gerücht um: Die Schweiz hat beschlossen, in der Amtssprache nicht nur „Mannschaft“ durch „Team“ zu ersetzen, sondern auch „das Elter“ anstelle von „Vater“ und „Mutter“ zu setzen, denn letztere seien, wie „Mannschaft“ auch, irgendwie nicht gendergerecht oder wie das heißt. Beim Europarat hat man eben dies, heißt es, auch vor. Sollte das stimmen, so möchte ich in diesen wie in ähnlichen Fällen auf Verhängung von mindestens drei, ach was, dreißig Jahren mit anschließender Sicherheitsverwahrung wegen groben Unfugs plädieren. Anders sind die SprachverwaltungsbeamtInnen scheint’s nicht mehr zu bremsen. Keine Angst, es wird eine Ausnahme bleiben. Die erforderliche Gesetzesänderung soll ausschließlich für derartige Fälle von Schwerstkriminalität gelten.
Aber es gibt noch Hoffnung. Die Meldung stand in einem Boulevardblatt, dem „Blick“, wird also wohl erfunden sein. Daß man sich einmal darüber freuen muß, daß die wo’s nur geht lügen, hätte ich früher nicht gedacht.


[1] http://www.google.de/#q=%22das+elter%22+genetik&hl=de&prmd=b&ei=Ibu9TOb3OYGEswbp9fjYDQ&start=10&sa=N&fp=1d280f31b083caa6

Montag, 6. Mai 2013

Arbeitsplatzjob


Job-Akzeptanz, Jobabsage, Job-Aussichten, JOB-Runde, sind Dialekte im Job nicht angebracht? Job-Interview, JOB-AMPEL - Chancen für Akademiker auf dem Arbeitsmarkt, Job-Partner, Job-Test, Jobbesitzer, Job- und Karrierechancen, mit diesem Mini-Job-Rechner können Sie errechnen, wie viel Arbeitnehmer in einem Mini-Job netto ausgezahlt bekommen, das Job-Ticket ist ein Angebot für Berufstätige, welchen (Job)Weg kann ich gehen? Die BRAVO Job-Attacke: Gegen die Job-Angst! BRAVO will dir helfen: Mit der Job-Attacke, unterstützt von McDonald's und der Bundesagentur für Arbeit! Job-Lexikon, Job & Stellenangebote, Job-Thema, in der JOB BUDE ist ein Zimmer für dich frei, Job-Boom, Job-Anzeigen! 1 Euro Job, Job Portal, Job-Chancen, Job-Voraussetzungen.
Und natürlich Jobcenter. Auch gibt es Job-Angst, Job-Ängste, Angstjob, Job-Schwemme, Aktiv-Job, AKTIV JOB-CENTER, Action-Job; Kulturjobber brachte vor 3 Jahren 4 Treffer bei Google, jetzt etwa 3000, Kulturarbeiter damals 24.000, jetzt ist es auf 19.000 zurückgefallen; Alternativjob, Arbeitsjob, intelligenter Arbeitsjob, Arbeitsplatzjob, Jobstelle : Lukrativ und Sicher, STELLENJOB GESUCHT; um den Job trauer ich echt nicht, jedoch gibt’s seltsamerweise noch keine Jobtrauer und auch keinen Trauerjob (vor drei Jahren, heute fünf Treffer), aber 110.000 Treffer für Trauerarbeit (vor drei Jahren, heute über 300.000); Beziehungsjob gibt es allerdings schon ein paar mal, noch ein wenig häufiger Partnerjob, aber immer noch 22.000 mal Partnerarbeit, und es gibt den Mehr Mut bei Migranten – Job, Babyjob (das scheint manchmal die Arbeit zu sein, die darin besteht, ein Baby zu versorgen, manchmal eine Arbeit, die babyleicht ist, aber nie die Arbeit des Babys selbst, z. B. seine Trauerarbeit, wenn der Schnuller weg ist), Bildungs-Job; Erinnerungsjob war seltsamerweise nicht zu finden, jobgerecht brachte nur 218 Treffer (dagegen – wer versteht das? – gendergerecht 11.000 Treffer); Jobforschung.
Und so weiter und so fort.

Kaum eines dieser Wörter gab es vor 20 Jahren schon, wenn, dann führte es ein so verstecktes Dasein, daß es keiner bemerkte. Welch eine Karriere! Teils gab es sie nicht, weil man vor 20 Jahren noch weit weniger Schwierigkeiten mit der Rechtschreibung hatte und man „Job & Stellenangebote“ richtig geschrieben hätte, nämlich „Job- & Stellenangebote“. Das hätte damals aber etwas anderes bedeutet als heute: Die Formulierung „Job- und Stellenangebote“ wäre noch möglich gewesen, während man sich heute wundert: Ist ein Job denn etwas anderes als eine Stelle? Damals aber war das ein großer Unterschied.

Mehr als ein halbes Jahrhundert ist das Wort Job im Deutschen bereits heimisch. Ein Schüler konnte sich für die Ferien einen Job suchen. Sein Lehrer aber hatte keinen, auch wenn er nicht arbeitslos (für die Jüngeren: joblos) war. Er hatte einen Beruf und eine Stelle. Auch ein normaler Arbeiter hatte, im Unterschied zum Ferienarbeiter, keinen Job; er hatte Arbeit.
Nun sind solche Veränderungen von Wortbedeutungen nichts besonders Aufregendes. Ärgerlich ist allenfalls, daß Dschobb blöd, ja unappetitlich klingt, nach Verstopfung, und daß es sich um ein amerikanisches Wort handelt, der Grund seines Gebrauchs also allein in Minderwertigkeitsgefühlen liegt. Das hat der Job aber mit tausend anderen Wörtern gemein und rechtfertigt nicht, ihm besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Die verdient er deshalb, weil er eine ganz besondere Geschichte hat.
Wann es genau war, weiß ich nicht mehr, vielleicht vor zehn oder vor zwölf oder vor fünfzehn Jahren. Davon abgesehen ist mir die Situation noch deutlich vor Ohren: Der Nachrichtensprecher im Bayerischen Rundfunk sagte, daß soundsoviele Menschen ohne Job seien. Und er meinte eindeutig nicht nur Ferien-Jobber, sondern auch z. B. arbeitslose Lehrer. Ich stutzte, denn niemand außerhalb sehr isolierter Kreise redete zu jener Zeit so. Während etwa das Ticket über 20 oder 30 Jahre hin allmählich die Vielfalt der Bahn-, Flug-, Eintrittskarten usw. verdrängt hat und irgendwann es auch die Nachrichtensprecher, erkennbar widerstrebend, übernahmen, kam der Job mit einem Schlag aus dem Äther, also von oben. Er traf aber offenbar auf ein brennendes Bedürfnis: Nur ganz kurze Zeit später war die ganze Fülle der Job-Wörter da und wenn einer eine Stelle suchte oder seinen Arbeitsplatz verteidigte, wurde er angesehen, als wäre er vom Mond gefallen.
Was ist da passiert? Man ist ja ein vernünftiger Mensch, meidet normalerweise jeden Kontakt mit den Spinnern, die mehr oder weniger wahnhaften Welterklärungssystemen anhängen. Aber hier, das muß man zugeben, helfen nur noch Verschwörungstheorien weiter. Irgendwo in einem entlegenen Winkel trafen sich die Rundfunkgewaltigen und heckten einen Plan aus. Nur, fragt man sich, was wollten sie damit erreichen? Was haben ausgerechnet sie davon? Vielleicht ist es ja eine Rationalisierungsmaßnahme. Job ersetzt, wie vorher Ticket, eine ganze Reihe alteingeführter Wörter mit ganz bestimmten, genauen Bedeutungen. Und wenn das so weitergeht, muß man eines Tages weit weniger in die Ausbildung von Nachrichten- und anderen Sprechern investieren, denn sie kommen mit viel weniger Wörtern aus. Man muß sie vielleicht bald überhaupt nicht mehr eigens ausbilden, sondern nimmt einfach irgendeinen Joblosen von der Straße. Die paar Wörter, die es dann noch gibt, wird er schon richtig aussprechen können.

Eines, dachte ich, gibt es nicht: Weil die Arbeitsplatzeffekte, wenn auch nur die positiven, gar zu schön sind und kein Politiker es sich nehmen läßt, auf sie hinzuweisen, egal was er vorschlägt, wird man wohl für ihre Erhaltung (für die Jüngeren unter Ihnen: ihren Erhalt) sorgen. Aber nein: über 30.000 Treffer ergab „Jobeffekt“ bereits bei Google.