Die schlimmsten Fehler sind derart blöd, daß sie kaum einer bemerkt, weshalb sie sich rasend schnell verbreiten.
Die Studenten sind innerhalb ganz kurzer Zeit so gut wie ausgestorben und mit ihnen die Studentinnen. Studenten traut sich keiner mehr zu sagen, wenn Studentinnen ebenfalls gemeint sind, und diejenigen, die sich Jahre, oft Jahrzehnte mit „Studentinnen und Studenten“ gequält haben, atmeten auf, als jemand – es muß ein Genie sondergleichen gewesen sein – den Einfall hatte, statt dessen Studierende zu benutzen.
Man wundert sich aber über den Mangel an Konsequenz. Warum spricht man immer noch vom Führer und nicht vom Führenden? Warum nicht statt Malerinnen und Maler Malende, statt Schwimmerinnen und Schwimmer Schwimmende, statt Sängerinnen und Sänger Singende, statt Fußballerinnen und Fußballer Fußballspielende oder Fußballende?
Allein, so sehr es den unter dem Zwang zu politisch korrektem Sprechen bitter leidenden zu gönnen wäre: Es wäre falsch, so wie Studierende falsch ist. Studierender bedeutet etwas ganz anderes als Student.
Das Partizip 1 ist eine Verlaufsform, man drückt mit ihm aus, daß etwas gerade jetzt geschieht. Man kann mit ihm nicht einen Dauerzustand bezeichnen und auch nicht z. B. einen durch eine typische Tätigkeit charakterisierten Beruf.
So wie ein Marathonläufer dann, wenn er sitzt, kein Laufender, sondern ein Sitzender ist, und zwar ein sitzender Läufer, so ist ein Student nur dann ein Studierender, wenn er studiert, nicht aber, wenn er schläft oder sich auf einer Party vergnügt, es sei denn, sein Vergnügen wäre mehr kontemplativer Art und bestünde beispielsweise darin, das Wesen der anwesenden Studentinnen zu studieren. Ein Professor war einst ein Student und ist jetzt keiner mehr, aber ein Studierender ist er immer noch, nämlich dann, wenn er sich einer seiner Dienstaufgaben, der Forschung, widmet. Im Englischen nennt man jemanden, der die Klimaerwärmung erforscht, einen „student of climatic warming“. Da wird unser Genie seinen Einfall herhaben: Der letzte Grund der Sprachrevolution ist ein Übersetzungsfehler. Allerdings gab es einen Vorlauf im deutschen Universitätswesen, der wohl eine gewisse Aufnahmebereitschaft erzeugt hat: die „Lehrenden“.
Doch zweifellos reagiert man mit den Studierenden auf ein schwerwiegendes genderpolitisches, sprachästhetisches und -logisches Problem. Man hat nun einen Vorschlag gemacht – den Urheber konnte ich leider nicht herausfinden –, der zu allseitiger Zufriedenheit führen könnte: das Studi. Damit scheint mir auch der sozialpsychologische Habitus der derzeitigen Studentinnen und Studenten recht gut getroffen.