Montag, 28. Dezember 2015

Neuer Adel

„So legt z.B. der sog. Smart Shopper keinen Wert auf bevorzugte Behandlung.“[1]
Darauf habe ich noch nie Wert gelegt; sie war mir, wenn sie mal vorkam, sogar ein bißchen peinlich. Wie man doch so ganz nebenher zu einem wohlklingenden, ja glanzvollen Titel kommen kann: Ein Smart Shopper bin ich!





[1] http://www.vertriebslexikon.de/Kundenbewertung.html


Mittwoch, 16. Dezember 2015

Starkkultur

"Die Bildung und Vermittlung der Unternehmenskultur erfolgt durch Lernprozesse und wird in einem Sozialisationsprozess vermittelt. Je höher die Prägnanz, der Verbreitungsgrad und die Verankerungstiefe einer Unternehmenskultur ist, um so stärker ist sie zu bewerten.
Die Vorteile einer starken Unternehmenskultur, wie sie z.B. der Firma McDonalds zugeschrieben wird, liegen in der Erhöhung der Effizienz des Unternehmens und der hohen Loyalität der Mitarbeiter.“
(Stichwort „Marketing“, Hermann Diller (Hrsg.): „Vahlens Großes Marketing Lexikon“ München 1994, Stichwort „Strategisches Marketing“, S. 649 f., S. 1174)

Die Vermittlung wird also vermittelt. Und ob man die Reihenfolge der Prozesse nicht genausogut umdrehen könnte? „Die Bildung und Vermittlung der Unternehmenskultur erfolgt durch einen Sozialisationsprozess und wird durch Lernprozesse vermittelt“ hört sich doch auch irgendwie richtig bzw. genauso blödsinnig an. Und ob man nicht die beiden Prozesse weglassen könnte? Sich mit Lernen und Sozialisation begnügen? Das würde wohl nicht den Verbreitungsgrad eines betriebswirtschaftlichen Textes erhöhen, denn der hängt sicher von der Menge überflüssiger Zutaten ab, mit denen man in dieser Branche das Blähpotential der Sprache zu „optimieren“ pflegt. Aber der Prägnanz und Verankerungstiefe (was das heißen  soll, weiß ich nicht, aber es wird schon etwas heißen) könnte es dienlich sein.
Ein Rätsel ist mir, wie man eine Unternehmenskultur stark bewertet. Vielleicht ist gemeint, daß man den Bewertungsakt mit einer solch dröhnenden Wucht vollzieht, daß alle Welt hochfährt. Vielleicht ist aber auch gemeint, daß sich der Bewerter beim Bewerten so stark anstrengt, daß ihm der Schweiß von der Stirne heiß rinnt wie einst dem Glockengießer. Vielleicht hat der Autor aber auch einfach ein Wörtchen vergessen und wollte sagen, daß die Unternehmenskultur vom Bewerter als stark bewertet wird, wenn sie z. B. eine Verankerungstiefe hat. Doch schien mir zunächst „stark“ zu „Kultur“ nicht so recht zu passen. Hohe Kultur, auch Hochkultur kennt man ja, aber starke Kultur, gar Starkkultur? Wäre in diese vielleicht die ein wenig starkleibige Hochkulturgröße L. Pavarotti einzusortieren?

Ich merkte allerdings bald, daß ich auf dem falschen Weg war. Kultur ist wohl eher in dem Sinne gemeint, wie wir von der Kultur der Azteken sprechen. Der fehlte es an Stärke, und darum wurde sie von der starken Kultur der spanischen Marodeure ausgelöscht. Dazu paßt der Hinweis, der Boulettenhändler McDonalds könne sich einer starken Kultur rühmen. Daß dies an der hohen Loyalität der Mitarbeiter liegt, stimmt allerdings nicht so recht mit dem Volksglauben überein und auch nicht damit, was der investigative Journalismus in Gestalt des G. Wallraff über diese Firma herausgefunden hat.

Freitag, 11. Dezember 2015

Soft Skills

„Ziel der neuen Schulart muss die Sicherung der Ausbildungsfähigkeit ihrer Schülerinnen und Schüler auch für anspruchsvollere Berufsfelder und einen guten Berufseinstieg sein: ‚Deutsch und Mathematik als grundlegende Kulturtechniken, Englisch und die Einübung sogenannter Soft Skills sollten in dem neuen Schultyp einen besonders hohen Stellenwert besitzen.‘“ So die Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Lehrerverbände.[1]
Deutschlehrer waren beim Verfassen dieser Erklärung sicher nicht beteiligt, wie man an dem verkorksten ersten Satz sieht. Mir geht es aber um etwas anderes: Wenn die bayerischen Lehrerinnen und Lehrer den Schülerinnen und Schülern gutes Benehmen beibrächten, könnten sie auf die Einübung sogenannter Soft Skills vielleicht verzichten. Sie mögen sie ja doch nicht, wie das „sogenannter“ beweist. Auch daß sie ihren Verein noch nicht in Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Lehrerinnen- und Lehrerverbände umbenannt haben, zeigt eine gewisse Resistenz gegen modische Neuerungen und läßt hoffen. Überhaupt glaube ich, daß „Soft Skills“ in 99 % der Fälle sowieso nichts anderes bedeutet als Manieren. Auch wenn jetzt gleich einer kommen wird und den Zeigefinger hebt: Es bedeutet Sozialkompetenz und wie man eine Powerpoint-Folie macht gehört auch dazu und also ist das Wort unverzichtbar: Wir brauchen es nicht, außer, wie es fast immer bei Wörtern dieser Sorte ist, um die Qualen zu lindern, die uns unsere Minderwertigkeitsgefühle bereiten.


Donnerstag, 3. Dezember 2015

Kirchen ratlos

„Sich vernetzen, engagieren und Erlebtes miteinander teilen: Das Forum Unsere Zeiten bietet Austausch und Rat über alle Themen zwischen ‚lieben’ und ‚trauern’, von ‚glauben’ bis ‚genießen’: das 59plus Netzwerk der evangelischen Kirchen.“[1]
„... und hielten einen Rat über ihn, wie sie ihn umbrächten“ kennt auch der Nichtchrist unter den Musikfreunden. Aber Rat über Themen? Bach hätte sich geweigert, das zu vertonen.



[1] http://www.evangelisch.de/kompass/wegweiser-kirche/kirche-im-netz-links-und-surftipps19524