Montag, 30. April 2012

Interkulturelle Sensibilität


„Seit 2003 laufen in NRW Fortbildungen zur Förderung der interkulturellen Kompetenz für Mitarbeitende kommunaler Verwaltung zusammen mit Vertreter/inn/en von Migrantenorganisationen“, heißt es in einer Rede auf dem „Integrationsfachgespräch“ der Fraktion der Grünen im Bayerischen Landtag [1]
Zu „Mitarbeitende“ siehe Studierende, zu „Migranten“ siehe Migranten.
Erfreulich ist die Einfühlungsfähigkeit der RednerInnen bzw. Redner/inn/en auf Kongressen der Grünen, was für hohe interkulturelle Kompetenz spricht. Sie schreiben nicht, den intrakulturellen Vorschriften politischer Korrektheit dumpf und blind folgend, Migrant/inn/enorganisationen, sondern Migrantenorganisationen. Sie nehmen also Rücksicht auf die Besonderheit mancher Kulturen, das Organisieren von Organisationen und die Zugehörigkeit zu solchen als eine Sache allein der Männer zu betrachten. Gelungen ist der Versuch jedoch nicht ganz. Wenn es nur Migrantenorganisationen gibt, wo sollen die dann Vertreterinnen hernehmen?



[1] 24.6.2009

Freitag, 27. April 2012

Frauen und Ladies


Der „Verein deutsche Sprache“ deutscht „ladies first“ auf seiner „Anglizismenliste“ mit „Frauen zuerst“ ein.[1] Da wollten sie nicht nur die Anglizismen, sondern den Sexismus bzw. Genderismus oder wie das heute heißt gleich mitbekämpfen. Eine Frau Dame zu nennen, das wußten sie, ist beleidigend, fast so schlimm wie Fräulein. Aber sie haben sich übernommen. „Frauen zuerst“ – immer zusammen mit „und Kinder“ – bedeutet etwas anderes als „ladies first“.

Mittwoch, 25. April 2012


Junge Ideen
„STADTfragen - eine interdisziplinäre Diskussionsplattform für junge Ideen“ heißt eine Ausschreibung von Münchner Forum e.V., und STADTfragen, falls sich das einer fragen sollte, ist „das Veranstaltungsformat des Münchner Forums für junge Menschen und Ideen.“
Was ein Veranstaltungsformat ist, weiß ich leider nicht. Vor zwei oder drei Jahren, als ich noch mitten im aktiven Leben stand, gab es dieses Wort noch nicht oder doch nur ganz im Verborgenen, so daß es mir nicht auffiel. Allenfalls gab es Veranstaltungen von Format. Und jetzt komme ich nicht mehr so recht mit. Aber die jungen Menschen werden es schon wissen. Doch das nur nebenbei. Ich möchte wetten, daß die Ideen, die da zusammengetragen werden, entweder nicht jung sind oder nur Schnapsideen. Das ist meistens so, wenn sich etwas „interdisziplinär“ und „Plattform“ nennt.

Montag, 23. April 2012

Schnellst wachsende


„Schnellst wachsende“ erbrachte bei Google Bücher für die Zeit von 1950 bis 1960 einen Treffer, für 1960 bis 1979 auch nur einen, für 1970 bis 1980 sechs, für 1980 bis 1990 zwei. Für 1990 bis 2000 erhält man 23 Treffer, für 2000 bis 2010 24.
Bis 1990 waren es offenbar ganz vereinzelte Irrläufer, die es bis in Bücher geschafft haben, von da ab eine kleine, aber doch merkliche Anzahl.
44.000 Treffer aber erhält man bei Google (ohne „Bücher“), also auf normalen Internetseiten; „am schnellsten wachsende“ erbringt nur etwa doppelt so viele: 95.600. Bei den Büchern lag das Verhältnis von „schnellst wachsende“ zu „am schnellsten wachsende“ von den 50er bis in die 70er Jahre etwa zwischen 1: 20 und 1: 100, und 2000 bis 2010 beträgt es etwa 1: 5.
Unsere Linguisten sehen hier sicher keinen Fehler, sondern eine Beschleunigung des ohnehin unvermeidlichen Sprachwandels, und das freut sie gewöhnlich ungemein. Ich aber erkenne den Indikator einer bisher kaum vorstellbaren kollektiven Hirnerweichung. Noch ist er, wie die Google-Recherche nahelegt, auf – so muß man das heute wohl ausdrücken – sprachkompetenzferne Schichten beschränkt. Das zeigen auch die folgenden Formulierungen und die in den Fußnoten genannten Adressen:
„Dr Kai Luehr Bei 3 Sat Islam Die Am Schnellst Wachsende Religion Der Welt!“[1]
„Schnellst wachsende Unternehmen der Welt“.[2]
„ThomasLloyd-Haftungsdach ist das schnellst wachsende in 2009.“[3]
„OMD Germany ist die schnellst wachsende Mediaagentur Deutschlands und beschäftigt mehr als 500 Mitarbeiter in fünf Niederlassungen an vier Standorten“.[4]
„Es heißt ja das Bambusse bis zu 4x schneller wachsen als der schnellst wachsende Baum.“[5]
Also, viel ist es noch nicht und im allgemeinen auch nur da anzutreffen, wo man ohnehin nichts erwartet. Aber das Tempo der Entwicklung ist beeindruckend und lange wird es nicht mehr dauern, bis man die Neuerung auch in der Zeit findet und natürlich im Duden. Die Sprachkompetenz der Deutschen ist offenbar eine der schnellst zerfallenden der Welt.

Freitag, 20. April 2012

Lebensfreude

Lebensfreude ist das subjektive Empfinden der Freude am eigenen Leben“, definiert Wikipedia.[1]


Ist das zu fassen? Bisher dachte jeder, Lebensfreude sei die Freude am Leben anderer.
Man denkt immer, Blähpotential hätten heute nur noch amerikanische Wörter. Was aus dem Griechischen oder Lateinischen kommt, wird gemieden, denn man möchte ja auf keinen Fall als einer der Gebildeten gelten, das ist altmodisch und in den USA nennt man sie Eierköpfe. Aber wie man sieht, es gibt Ecken in der Gesellschaft, da glaubt man noch, Eindruck schinden zu können, wenn man „subjektiv“ in seinen Satz einbaut.

Mittwoch, 18. April 2012

Lesermißbrauch

Der spätere Rechtsextremist und frühere Konkret-Herausgeber sowie Ehemann von Ulrike Meinhof, Klaus Röhl, ist in den Verdacht des Kindesmißbrauchs geraten. Das ist nicht weiter erstaunlich, denkt die Republik, denn bei so einem wundert einen gar nichts. Aber wie Jutta Ditfurth die Beschuldigungen in Worte zu fassen versteht, läßt einen doch um Fassung ringen: „Er gab ihnen“ – Mädchen von 13 und 14 Jahren – „Anschauungsunterricht und zeigte ihnen, welche Brüste und Körperlichkeiten er bei erwachsenen Frauen schätzte.“[1]



[1] taz, 7. Mai 2010

Montag, 16. April 2012

Grundfragen des Katholizismus

„Fortschritte im ökumenischen Dialog zwischen katholischer und orthodoxer Kirche sind für den Präsidenten der österreichischen Stiftung Pro Oriente, Johannes Marte, dann zu erwarten, wenn die Frage des päpstlichen Primats mit konkreten Diskussionsvorlagen und Vorschlägen vorangetrieben wird.“[1]
Sie mögen sonstwas vorantreiben, den Einigungsprozeß, die Herde der Schäflein und meinetwegen auch den Dialog, aber Fragen lassen sich nur sehr, sehr schwer treiben. Da wäre man schon zufrieden, wenn sie mit dem Beantworten endlich weiterkämen.

Freitag, 13. April 2012

Mordskritiker

„Weltkirchenrat kritisiert Mord an philippinischen Pastoren“, behauptet Die Kirche – Evangelische Wochenzeitung in einer Überschrift.[1] Was wird der Rat wohl, fragte ich mich, an dem Mord zu kritisieren haben? Mangelnde Professionalität vielleicht? Es waren „paramilitärische Täter“, da scheint das nicht abwegig, bei richtigen Militärs schon eher. Auch bei der Mafia haben sie professionelle Killer, die arbeiten fehlerfrei. Doch dann lese ich im Text, daß der Weltkirchenrat den Mord gar nicht kritisiert, sondern „die Ermordung von zwei Laienpastoren auf den Philippinen scharf verurteilt“ hat.



[1] 11. Juli 2010

Mittwoch, 11. April 2012

Benchmarking

Ein Wort, das mir seit Jahren immer wieder den Weg versperrt, weil ich's nicht verstehe, sondern nur verstehe, warum man es benutzt – nämlich um sich aufzublasen –, ist „Benchmarking“. Vermutet hatte ich etwas ganz Kompliziertes aus dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaften. Nun habe ich nachgelesen und war überrascht:
„Benchmarking (= Maßstäbe vergleichen) bezeichnet die vergleichende Analyse von Ergebnissen oder Prozessen mit einem festgelegten Bezugswert oder Vergleichsprozess (von engl. Benchmark )“[1]
Wenn ich also einen Prozeß analysiere, und zwar mit einem festgelegten Vergleichsprozeß, dann betreibe oder mache oder tue ich Benchmarking. Das ist zwar nicht zu verstehen, denn was soll das heißen: einen Prozeß  mit einem Prozeß analysieren? Oder ist gemeint, daß der zu analysierende Prozeß einen Prozeß hat, d. h. ein Prozeß „mit“ einem Vergleichsprozeß ist einer, der die Eigenschaft „Vergleichsprozeß“ hat? „Maßstäbe vergleichen“, also z. B. einen Zollstock mit einem anderen, wird „Benchmarking“, anders als Wikipedia behauptet, wohl nicht heißen. Vermutlich bedeutet es nur, daß man einen Prozeß mit einem anderen Prozeß vergleicht. Wenn die Mutter also schaut, ob Fritzchen schneller wächst als Fränzchen, dann ist das Benchmarking. Man sieht: Falls überhaupt ein neuer Fachausdruck unverzichtbar ist, dann dieser.

Dienstag, 10. April 2012

Wo er recht hat, hat er recht

Henryk Broder mögen viele nicht, und auch ich finde, daß man etliches von dem, was er von sich gibt, kritisieren kann, ja muß. Das hat er allerdings mit allen anderen gemeinsam, die ich kenne. Aber daß er auf seiner Homepage[1] ankündigt, den Gebrauch der Formeln und Sprüche „die Menschen da abholen, wo sie sind“, „Menschen einbinden“, „mehr Praxisnähe“, „Inhalte transportieren“, „Kreativität“ und was sonst von dieser Art ist mit dem sofortigen Abbruch der Kommunikation zu ahnden, muß doch auch seine ärgsten Feinde für ihn einnehmen.

Samstag, 7. April 2012

Herausforderungsunterstützer


„Ein Umbau unseres Sozialsystems unterstützt auch die ökologischen Herausforderungen, vor denen wir stehen.“[1]
Wenn man Herausforderungen unterstützt, dann werden sie, falls sonst alles gleich bleibt, größer. Das werden die Grünen nicht meinen. Die Hauptsache ist, sie haben die Wörter ökologisch, Umbau und Herausforderungen wieder mal irgendwie untergebracht.

Mittwoch, 4. April 2012

Gutachten


„Der FDP Abgeordnete Meierhofer, der Mitglied des Ausschusses für Umweltschutz ist, empfahl, von einem unabhängigen Gutachter klären zu lassen, ob und welcher Zusammenhang zwischen den Baumaßnahmen zum Hochwasserschutz und der Überflutung der Anliegerkeller bestehe. Der Kreisvorsitzende der FDP, Dr. Volker Stoltz, und der FDP Gemeinderat, Karl Deisler, sagten zu, in Zusammenarbeit mit den Anliegern auf die bayerische Staatsregierung einzuwirken, ein solches Gutachten zu beauftragen.“ Das schreibt der Kreisverband Miesbach der FDP.[1]
Die Führungen von CDU und FDP haben ja beschlossen, der deutschen Sprache Verfassungsschutz zu gewähren. Zumindest wollen sie versuchen, auf die Gesetzgebung entsprechend einzuwirken. Das ist lobenswert, aber man fragt sich, ob sie damit bei ihren Kreisverbänden nicht auf Widerstand stoßen werden. Mir sind in den paar Zeilen vier Fehler aufgefallen; vielleicht gelingt es Ihnen, verehrte Leserinnen und Leser, noch mehr zu finden. Hinweisen möchte ich nur auf einen. Man kann zwar, wie der Abgeordnete Meierhofer zu Recht feststellt, etwas von einem Gutachter klären lassen, diesen also mit einem Gutachten beauftragen. Aber ein Gutachten beauftragen kann weder die bayerische Staatsregierung noch sonst jemand, selbst dann nicht, wenn Herr Deisler und Herr Dr. Stolz noch so viel Druck machen. Wie soll ein Gutachten, das weder Augen noch Ohren noch irgendwelche anderen Sinne hat, überhaupt merken, daß es einen Auftrag bekommen hat? 

Montag, 2. April 2012

Nicht ausschließen


„Die Bundesregierung kann daher nicht ausschließen, dass islamistische Gruppierungen weiterhin versuchen werden, Anschläge in Deutschland zu verüben.“ Das antwortete sie auf eine parlamentarische Anfrage.[1]
Man fragt sich, warum sie sich diese Mühe macht. Selbstverständlich kann sie das nicht ausschließen. Sie kann auch nicht ausschließen, daß katholische Gruppierungen weiterhin versuchen werden, Ketzer zu verbrennen; nicht einmal der Papst kann das ausschließen. Niemand kann ausschließen, daß nächste Woche Außerirdische landen und versuchen, Anschläge in Deutschland zu verüben. Vermutlich wollte die Bundesregierung sagen, daß sie es für gar nicht so unwahrscheinlich hält, daß islamistische Gruppierungen Anschläge verüben werden.