Mittwoch, 31. August 2011

Aufstellen

www.landtag-bw.de berichtet aus den Darlegungen eines Vertreters des baden-württembergischen Wirtschaftsministeriums: „Baden-Württemberg sei hinsichtlich der vollzeitschulischen beruflichen Ausbildung im Bundesvergleich mit Abstand exzellent aufgestellt und habe in diesem Bereich hohe Schülerzahlen.“[1]
„Vollzeitschulisch“ hat eine Auszeichnung verdient. „Mit Abstand exzellent“ kann man allerdings nicht „aufgestellt“ sein. „Mit Abstand am besten“ ginge. So sollte es ursprünglich gewiß heißen. Aber ohne das Wort exzellent ist eine Darlegung vor einem Landtag heutzutage, so vermute ich, nicht mehr möglich. Dann aber ist dem Vertreter wahrscheinlich eingefallen, daß man „exzellent“ nicht steigern kann, daß es insbesondere „am exzellentesten“ nicht gibt. Doch ist er, gehetzt, wie so einer sicher ist, mit seinen Überlegungen nicht zu Ende gekommen, und so ist „mit Abstand exzellent“ herausgekommen.
Aber das nur am Rande. Wir wollen das Thema nicht weiter vertiefen und uns statt dessen dem „aufgestellt“ widmen. Man sollte es zum Deppenwort des Jahrzehnts ernennen, es wenigstens in die engere Wahl nehmen (Hauptkonkurrent ist Migranten). Wozu man es, bei der nötigen Unbedarftheit, doch alles gebrauchen kann! „Deutsch-Chinesischer Rechtsstaatsdialog ist breit aufgestellt“, behauptet die Bundesregierung.[2] Deutschland ist, nach Auffassung der CSU, „beim Bevölkerungsschutz gut aufgestellt“.[3] Der Abgeordnete Jens Koeppen ist gar selbst „gut aufgestellt im 17. Deutschen Bundestag“.[4] Und eben meldet, als Krönung, die Berliner Abendschau, daß nach Ansicht der zuständigen Lobbyisten die Aluminiumdose „ökologisch gut aufgestellt“ ist.
Interessant und rätselhaft ist folgendes: "Überragend aufgestellt" ergab bei Google 324 Treffer, meist waren das Seiten von Fußballvereinen. „Herausragend aufgestellt“ ergab 442 Treffer, vorwiegend in der Sphäre von Wirtschaft und Politik. „Exzellent aufgestellt“ aber erzielte 18.400 Treffer, auch meist Politik und Wirtschaft, Sport kam kaum vor. Von „breit aufgestellt“ wurde es allerdings übertrumpft: 22.600 Treffer, ebenfalls vor allem Politik und Wirtschaft. Woher diese Unterschiede wohl rühren?
Wo es aber herkommt, daß „aufgestellt“ überhaupt eine solche Karriere gemacht hat, ist nicht schwer zu erraten: Man will halt volksnah sein, und das Volk interessiert sich für Fußball. Ganz nahe am Volk schien mir die bayerische SPD-Innenpolitikexpertin, und ich dachte zunächst, sie hat „aufgestellt“ sogar richtig verwendet: "Quasi ihr Mannschaftsführer, Innenminister Beckstein, hat allerdings die bayerische Polizei nicht optimal aufgestellt". Wahrscheinlich, so dachte ich, hat er die Haupteinsatzkräfte beim Spiel 1860 gegen Bayern nicht da in der Stadt aufgestellt, wo es nötig gewesen wäre, um die Unruhen „optimal“ unter Kontrolle zu bekommen. Aber nein, denn so geht es weiter: „So [ist] eine 42-Stunden-Woche, eine Urlaubssperre und der zwischenzeitliche Abbau von mehr als 1000 Planstellen nicht akzeptabel.“[5]
Geheimnisvoller geht es auf www.spirituelle.info zu. Zum Beispiel wird ein Seminar „Aufstellungsarbeit nach Bert Hellinger“ angeboten. In diesem wird nicht etwa nur die Polizei aufgestellt, sondern da gibt es „Familienaufstellungen zur Lösung Ihrer privaten, beruflichen, finanziellen Themen“, auch „Familien- und Systemaufstellung (Geistiges Familienstellen)“, und man kann sogar bei einem Seminar „Familienstellen mit schamanischer Integrationsarbeit“ mitmachen. Das Aufstellen scheint ein Wundermittel zu sein. Nicht nur Rätsel lassen sich, wenn man so ein Seminar absolviert hat, lösen, sondern, wie wir sehen konnten, sogar Themen (siehe Themen), was seit Menschengedenken keinem gelungen ist.
In welchem Verhältnis das Stellen und das Aufstellen stehen, ist mir nicht klar geworden. Mal werden Familien aufgestellt, mal, wenn’s mehr ums Geistige geht, gestellt. Das sind alles „weitere Seminar Veranstaltungen in der Familienaufstellungen Kategorie“. Sprechen und schreiben lernt man also beim Aufstellen und Stellen offenbar nicht. Vielleicht ist das Seminar sprech- und schreibmäßig nicht richtig aufgestellt, möglicherweise nicht breit genug.

Dienstag, 30. August 2011

Totalitarismus


„Nein, die Nachfolge Christi ist eine totale Herausforderung“, erfuhr die Kirchengemeinde von Fraureuth in der Predigt.[1] Dem kann man zustimmen. Seit zweitausend Jahren ist man des sicher richtigen Glaubens, daß für den Nachfolgenden schlechterdings gar nichts bleibt wie es war. Wenn aber der Kraut-und-Rüben-Freund schreibt:Dieser nasse, tonhaltige Boden ist auch eine totale Herausforderung an mich“,[2] dann übertreibt er; dieser Boden ist, wenn's hoch kommt, eine ziemlich große Herausforderung. Ein Zusammenhang mit irgendeiner Totalität ist nicht zu erkennen. Wenn gar der Karriereberater uns weismachen will: „Menschen mit diesem Karriereanker lieben die totale Herausforderung ihres Könnens“,[3] dann darf man ihm das keinesfalls glauben. Der Karriereanker, was immer das sein mag, mag noch so gewichtig sein: Die totale lieben gerade Menschen mit einem solchen Anker bestimmt nicht.
Aber darauf kommt's ja nicht an. Wichtig ist die Wucht, die man seiner Äußerung auf diese Weise verleiht. Die Kraft, die im „total“ steckt, läßt sich sogar noch steigern:  „Den typischen ‚Total’-Sager erkennt man übrigens daran, daß er die erste und nicht, wie üblich, die zweite Silbe betont“ (Henscheid).

Montag, 29. August 2011

Was tragen Leistungsträger?

Die Soziologen belehren uns dahingehend, daß die Arbeitsgesellschaft der Vergangenheit angehört und wir jetzt in einer Gesellschaft leben, in der sich der Mensch nicht mehr „über Arbeit definiert“. Wir leben in einer Risikogesellschaft, einer Konsumgesellschaft, einer Erlebnisgesellschaft und vor allem in einer Freizeit- und Spaßgesellschaft. Nicht mehr ob einer Bäcker ist, Wasserwirtschaftsamtsleiter oder Bildungsminister macht den Unterschied, sondern ob einer ein lustiges Leben zu führen versteht oder nicht. Versteht er’s, dann wird er von den Soziologen der Lebensstilgruppe der Hedonisten eingereiht, aber seltsamerweise nur dann, wenn er der Unterschicht und der unteren Mittelschicht angehört.[1]
Ich frag’ ich mich aber: wenn es das ist, worauf es heutzutage ankommt, woher dann die von kaum etwas zu überbietende Konjunktur des Wortes Leistung kommt. Leistung hat doch, das weiß man aus dem Physikunterricht, etwas mit Arbeit zu tun.
Konjunktur des Wortes Leistung: Kein Fußballer sagt mehr im Interview: Wenn wir besser spielen, haben wir noch eine Chance, sondern „wenn wir unsere Leistung bringen“. Zu den wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben gehört die „Optimierung“ der „Leistungsentwicklungsmilieus“. Es gibt „Hochleistungsrinder“ und überall muß es „leistungsgerecht“ zugehen, und sogar das schöne Wort Underachiever[2] kann man nicht hinschreiben, ohne es mit Leistungsverweigerer zu übersetzen.
Vor allem aber gibt es Leistungsträger. Das sieht mir zwar ein wenig nach einem weißen Schimmel aus. Denn da leistet einer etwas: Er trägt. Und was trägt, also leistet er? Leistung. Aber wie auch immer, dieses Wort beherrscht die politischen Schlachten und die Leistungsträger sind die, die in der Freizeit- und Spaßgesellschaft ganz oben sitzen, wodurch sich diese Gesellschaft von allen früheren sehr zu ihrem Vorteil abhebt, denn solange die Welt besteht, saßen immer ganz andere oben: "Das ist das Schrecknis in der Welt, schlimmer als der Tod, daß die Kanaille Herr ist und Herr bleibt."[3]
Vielleicht erklärt sich der zunächst geradezu paradox anmutende Befund der friedlichen Koexistenz von Spaßgesellschaft und Leistungsträgern so: Leistungsträger sind ja nicht jene, die in dem Sinne viel leisten, daß sie sich unmäßig anstrengen müssen, z. B. Stahlkocher und Holzfäller, und auch nicht in dem Sinne, daß das Ergebnis der Tätigkeit ein außerordentliches ist; also z. B. solche, die sich ausdenken, wie man eine die Menschheit plagende Krankheit besiegen kann oder eine Waffe herstellen, deren Overkill-Kapazität alles bisher Dagewesene um ein Mehrfaches übertrifft. Nein, nein, das sind keine Leistungsträger, denn dann würden sie ja – Leistung lohnt sich bekanntlich wieder – mehr und nicht nur einen Bruchteil dessen verdienen, was jene, die mittels der Leistungen dieser Denker und Ausdenker Geschäfte machen, zwar nicht verdienen, aber doch einsacken. Leistungsträger sind vielmehr solche, die es verstehen, möglichst viel von dem, was andere durch ihre Leistung erwirtschaftet haben, auf das eigene Konto zu lenken. Das kann man auch dann hinbekommen, wenn man immer nur ein lustiges Leben führt und, wie es so schön heißt, sein Geld für sich arbeiten läßt. Und so gesehen erscheint es keineswegs mehr verwunderlich, daß ausgerechnet die Freizeit- und Spaßgesellschaft die Gesellschaft der Leistungsträger ist.
Schwer erklärlich ist hingegen, daß das Wörtlein Leistung in der Welt der Musik eine derart steile Karriere gemacht hat. In BR Klassik sagte eben (14.6.10, 7.45 Uhr) ein Experte, bei Geigen komme es darauf an, daß sie „leistungsfähige Töne“ hervorbringen.




[1] Raithel, Jürgen 2005: Erziehungserfahrungen und Lebensstile Jugendlicher. Zeitschrift für Pädagogik, 51, 568-581.
[3] Wilhem Raabe, in Der Schüderump.

Schwere Tätlichkeiten


Die taz ist nicht nur die Vorreiterin der Anglifizierung des Deutschen, sondern die Haupttriebkraft des Sprachwandels überhaupt. Heute kann man lesen: „Nun ermittelt das LKA – gegen einen tätlichen Beamten“.[1]



[1] taz, 29.8.2011

Sonntag, 28. August 2011

Stuzubi


Herr G. H. aus München teilt mir mit, daß er eben im Radio das Wort Stuzubi gehört hat. Es sei eine Mischung aus "Student" und "Auszubildendem". Und Stuzubis gebe es tatsächlich, in sogenannten dualen Studiengängen.
Das löst das Problem mit den "Studierenden", das uns seit einiger Zeit heftig plagt[1]. Man kann ja heutige Studenten nicht mehr Studenten nennen, ohne den Sinn dieses Wortes grob zu verfälschen. Bei den sogenannten BWL-Studenten war’s von Anfang an klar: Das ist nichts als ein neues Wort für Kaufmannslehrlinge. Aber inzwischen hat man in wohl allen Fächern den Charakter dessen, worum es in dem geht, was man immer noch Studium  nennt, so verändert, daß man um eine angemessene neue Benennung nicht mehr herumkommt. Es ist Lehrlingsausbildung, was da geschieht. Aus sentimentalen Gründen sollte man das Wort Student aber nicht einfach verschwinden lassen, darum: Stuzubi, nicht nur in dualen Studiengängen, sondern flächendeckend.


Samstag, 27. August 2011

Jordan entspringt im Himalaya


www.business-anti-corruption.de zählt die Länder des „mittleren Ostens“ auf, über die man auf diesen Internet-Seiten etwas erfahren kann: Kuwait, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate und ein bisher unbekanntes Land namens Jordan. Falls letzteres nicht in der Gegend von Indien und Pakistan liegt, ist das alles falsch. Die businessmen, die auf diesen Seiten ihren Kollegen Tipps geben, wie viel Bestechungsgeld sie einpacken sollen, unterhalten sich vermutlich nur noch selten auf Deutsch und haben darum vergessen, daß „middle east“ naher Osten bedeutet. 

Freitag, 26. August 2011

Noch ein Stück weit


„Ein Stück“ ergab bei Google 32.800.000 Treffer[1]. „Ein Stück weit“ ergab 8.570.000.
Stehen wird so nahe am Abgrund? Im Rechnen war ich schon immer schwach, und von Suchmaschinentechnik verstehe ich gar nichts. Ich muß Sie darum fragen: Gehe ich recht in der Annahme, daß rund ein Viertel aller Aneinanderreihungen von Wörtern, die mit „ein Stück“ beginnen, mit „weit“ fortgesetzt werden und nicht beispielsweise mit „Wurst“ oder „von Mozart“? Hätten Sie das erwartet? Kann das überhaupt sein? Nicht im Traum hätte ich es für möglich gehalten. Wäre bei der Suche nicht ein Viertel herausgekommen, sondern ein Zehntel, ach was, ein Hundertstel - der Schrecken wäre bereits groß gewesen.




[1] 24.8.2011

Donnerstag, 25. August 2011

Ein Stück weit

„’Börsen neigen dazu, Entwicklungen zu übertreiben, in die eine wie in die andere Richtung. Da muss man dann ein Stück weit auch die Nerven behalten’, sagte der Bundeswirtschaftsminister.“[1]
Mir scheint, der ist nicht die Bestbesetzung. Er meint, die Nerven verlieren zu dürfen, wenn das Stück zu Ende ist – oder wie sollen wir das verstehen?




[1] http://www.pr-inside.com/de/finanzminister-schaeuble-haelt-euro-weiterhin-r2773790.htm

Mittwoch, 24. August 2011

Jobrotation


Bei Wikipedia findet man unter dem Stichwort „Jobrotation“ folgendes: 
„Durch die Übernahme einer anderen Arbeit kann die jetzt eigentlich erforderliche Erholungszeit vermieden werden. Schon eine Rotation über nur zwei (verschiedenartige) Arbeitsplätze steigert im genannten Beispiel nicht nur die Qualität des Arbeitsergebnisses erheblich, es fördert auch die Effizienz. Für Jobrotation wird jeweils höher qualifiziertes Personal benötigt, als bei der ursprünglichen Einzelarbeit. Es macht in kurzzyklischen Rotationssystemen die Arbeit für den Mitarbeiter erträglicher, oft auch interessanter (beachte: Arbeitsorientierung) und kann die Identifikation mit Arbeitsinhalten und -zielen steigern, zieht jedoch oft aber auch eine Erhöhung des Entgeltes nach sich.“[1]
In den Jahren nach 68 hat man gern die „Lohnschreiber des Kapitals“ entlarvt. Aber Wikipedia-Autoren bekommen ihre Tätigkeit nicht bezahlt. Man fragt sich: Warum tun die so etwas?

Sonntag, 21. August 2011

Was war Sigmund von Beruf?

Jetzt haben wir den Salat. Nachdem ein schwer unter der Vorstellung seiner Provinzialität ächzender Journalist „Börsenbeobachter“ durch „Analyst“ ersetzt hat und das wie ein Lauffeuer übers Land gerast ist, gibt es nun auch den Psychoanalysten, und zwar schon auf Tausenden von (mehr oder weniger) deutschsprachigen Internetseiten.

Mittwoch, 17. August 2011

Noch mal ganz langsam


„Das ExWoSt-Forschungsfeld ‚Fläche im Kreis – Kreislaufwirtschaft in der städtischen/stadtregionalen Flächenutzung’ verfolgt das Ziel, einen geeigneten Policy-Mix zu entwickeln und in Planspielen zu erproben, mit dem unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen in einer Kombination aus rechtlichen, planerischen und ökonomischen Instrumenten die in der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie verankerten Ziele zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme auf 30 Hektar je Tag und der vorrangigen Innenentwicklung erreicht werden können.“[1]
Das möchte ich hiermit für den renommierten „Klaus-Tschira-Preis für verständliche Wissenschaft“ vorschlagen.



[1] Gender Mainstreaming in der Flächenpolitik (Expertise). Herausgeber: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), Berlin 2006

Dienstag, 16. August 2011

Microsoft übernimmt Verantwortung


„Microsoft hat sich zum Ziel gesetzt, nicht nur wirtschaftliche, sondern auch gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, um einen Beitrag zu Wachstum und Entwicklung des Standorts Deutschlands zu leisten.“[1]
Gleich am Anfang ein schwerer Unfall: Microsoft hat sich zu dem Ziel gesetzt; hoffentlich nicht zu dicht, sonst fühlt es sich vielleicht bedrängt. Dann hat der Pressedienst der Firma gerade mal noch die Kurve gekriegt. Nicht nur wirtschaftliche Verantwortung will man übernehmen – da könnte doch einer glatt denken, daß Microsoft die Entwicklung Deutschlands auch z. B. in kultureller, moralischer oder ästhetischer Hinsicht fördern möchte. Aber diesem Mißverständnis wird dann mit „des Standorts“ ein Riegel vorgeschoben.


Samstag, 13. August 2011

Kundenpenetration


„Kundenpenetration messen und verfolgen
Die Kundenpenetration vergleicht den mit einem Kunden erzielten Umsatz mit dem Gesamtbedarf des Kunden. Ziel muss sein, den Anteil zu erhöhen. In die Tiefe gehen (Kundenpenetration) ist i.d.R. einfacher als in die Breite gehen (Marktdurchdringung).
Mit der Penetration wächst sowohl die Kundenzufriedenheit als auch die Qualität der Kommunikation mit dem Kunden. Dadurch verbessert sich die Kundenloyalität, was wiederum zu weniger Abgängen führt.“[1]

Von den Studenten der Betriebswirtschaftslehre haben die anderen, die richtigen Studenten im allgemeinen keine besonders hohe Meinung. Aber wenn man das liest, kann man nur sagen: Hut ab! So etwas müssen die verstehen und sicher auch in der Prüfung aufsagen können! Eine Gedankenführung, da kommen ja nicht einmal Studenten der Existentialphilosophie mit, geschweige denn die der Astrophysik, der Altphilologie oder des Staatsrechts!
Die Kundenpenetration vergleicht – da scheitern die bereits. Denn sie sind immer noch des veralteten Glaubens, daß es zum Vergleichen ein Gehirn braucht. Nicht unbedingt ein menschliches, auch ein Hund stellt zwischen einer Wurst und dem Inhalt einer Schappi-Dose einen Vergleich an, bevor er sich entscheidet. Aber einer Penetration fehlen doch selbst dafür alle Voraussetzungen, sie ist ja nicht einmal ein Tier. Und dann gilt es herauszufinden, wessen Ziel es sein muß, den Anteil zu erhöhen, und überhaupt: welchen Anteil von was an was. Für die Normalstudenten ist das ein unlösbares Problem, denn sie finden in den zitierten Sätzen keinerlei Hinweis, aber von unserem BWL-Studenten erwartet man, daß er es löst, und wir können sicher sein: Er löst es.
Daß die Kundenpenetration keineswegs, wie man erst dachte, ihr Wesen darin hat, zu vergleichen – das scheint sie nur nebenher zu tun –, sondern darin, in die Tiefe zu gehen, leuchtet auch unseren Normalstudenten ein, denn ungefähr das ist es ja, was ihnen als ein Bedeutungsaspekt des Wortes Penetration schon bekannt war. Auch daß mit der Penetration die Kundenzufriedenheit wächst, wird ihnen von der alltagssprachlichen oder vielleicht besser bildungssprachlichen Bedeutung her einleuchten, wenn sie an die gewerbliche Nutzung dieser Tätigkeit denken. Unverständlich dürfte ihnen jedoch sein, wieso sich dadurch die Kommunikation mit den Kunden verbessern soll.
Begreiflich wiederum wird es ihnen erscheinen, daß die Qualität der Kommunikation sich förderlich auf die Kundenloyalität auswirkt, denn die Quantität, das wissen sie, bringt’s nicht, im Gegenteil, einen Verkäufer, der auf Quantität setzt und darum permanent auf einen einkommuniziert, meidet man eher. Was allerdings mit den Abgängen gemeint sein könnte, dahinter werden sie nicht kommen, während unsere zu Studenten avancierten Kaufmannslehrlinge sich dabei sicher sofort das Richtige denken.

Freitag, 12. August 2011

Realisierungspolitiker


„Stefan Grüttner, CDU-Vorsitzender und Chef der hessischen Staatskanzlei,“ erhob „Vorwürfe gegen Schneider. Der Offenbacher Oberbürgermeister habe nicht realisiert, dass es die Osthafenbetriebe mit ihrer Klage ernst meinten.“[1]
Da traut der CDU-Vorsitzende seinem Gegner zu viel zu. Der Oberbürgermeister hat keineswegs realisiert, daß es die Osthafenbetriebe mit ihrer Klage ernst meinten, obwohl das nicht unmöglich wäre; vielleicht wär’s ja gegangen, wenn er lange genug auf sie eingeredet hätte. Der Staatskanzleichef weiß nur nicht, daß „to realize“ zwar manchmal, aber nicht immer realisieren, also verwirklichen heißt, sondern oft auch bemerken, wahrnehmen, mitbekommen.

Mittwoch, 10. August 2011

Bloß nicht anecken!


„Diese Seiten möchten helfen, sich auf dem immer vielschichtiger werdenden Markt religiöser Angebote zurechtzufinden. Dafür gibt es Informationen zu den unterschiedlichen christlichen Kirchen und ihren Verbindungen in der Ökumene, zu religiösen Sondergemeinschaften und konfliktträchtigen Gruppierungen, zu Angeboten auf dem Esoterik- und Psychomarkt oder zu anderen Religionen.“[1]
Au weia. Was sie uns wohl mitteilen wollten? Vermutlich, daß man da etwas über Scientology oder über die Taliban erfahren kann, über Verbrecherbanden übelster Sorte also. Aber was kommt raus, mit Zittern und mit Zagen? Konfliktträchtige Gruppierungen.

Montag, 8. August 2011

Tapfere Maschinen

„Bisher haben sich nur Roboter bis hierher vorgewagt“, nämlich bis in einen sehr stark verstrahlten Teil des Atomkraftwerks von Fukushima; jetzt trauen sich auch Menschen dorthin. So, und zwar in seriösem Ton, der Nachrichtensprecher in der Tagesschau am 5. Mai 2011.
Hat man es endlich geschafft, eine Generation von Robotern mit einer für Maschinen gänzlich neuen Eigenschaft, der des Mutes, herzustellen, oder hat nur der Journalistenjargon eine neue Sprosse auf der Debilitätsleiter erklommen?



Samstag, 6. August 2011

DSK, Zimmermädchen und Fußballjungs


Seit der Verhaftung von Strauss-Kahn werden die Zeitungsredaktionen mit Leserbriefen bombardiert, in denen gefordert wird, eine erwachsene Frau nicht länger ein Mädchen, nämlich ein Zimmermädchen zu nennen. Das sei sexistisch und überhaupt ganz ungeheuerlich. Ich möchte dies im Geiste des Gender-Mainstreaming ergänzen und fordere, die Fußballnationalmannschaft nicht länger „unsere Jungs“ zu nennen; das ginge allenfalls, wenn alle im Alter von Mario Götze wären, aber manchmal sind ja auch Dreißigjährige und noch ältere dabei. – Oder habe ich nicht ganz verstanden, was Gender-Mainstreaming heißt?

Donnerstag, 4. August 2011

Skorer


Detlef Guertler schlägt vor, „skoren“ in die deutsche Sprache aufzunehmen (http://blogs.taz.de/wortistik). „Ich sage also Ja zum Skoren. Und die Sprachnörgler mögen sich damit trösten, dass das englische Originalverb sich hier an die deutschen Gepflogenheiten anpasst. Genau so wie vor etwa hundert Jahren, als sich als deutsche Form der englischen 'cakes' der 'Keks' durchsetzte. Und den mögen ja auch Anglizismenhasser.“
Im Fußball ist der Skorer der Vorlagengeber. Da nun der Fußballreporter keineswegs deshalb Skorer sagt, weil er das Wort Vorlagengeber nicht kennt oder weil es ihm zu lang ist, sondern weil er sich aufblasen will, bin ich als notorischer Anglizismenfreundehasser (die Anglizismen selbst hasse ich nicht, die können ja nichts dafür) weiterhin für Vorlagengeber – solange, bis Skorer so gewöhnlich geworden ist wie Reporter, so daß kein Reporter sich damit mehr aufblasen kann. 

Ergebnisoffen


„Plädiert für eine ergebnisoffene Untersuchung der Geschichte der letzten 20 Jahre - Prof. Dr.Johanna Wanka, CDU-Landeschefin und Fraktionsvorsitzende im Landtag.“[1]
Was man sich in diesen Kreisen wohl unter einer Untersuchung vorstellt, wenn man meint, eigens betonen zu müssen, daß das Ergebnis einer solchen nicht vor Untersuchungsbeginn bereits feststeht? Also meint, ergebnisoffene Untersuchungen von normalen, d. h. ergebnisgeschlossenen Untersuchungen unterscheiden zu müssen?

Mittwoch, 3. August 2011

Ein Hoch dem König!


Herr F. W. aus München schreibt mir:[1]

„Im Zug nach Freising. Durchsage bei der Abfahrt aus München: "Sehr verehrte Damen und Herren...".

Endlich haben Sie’s begriffen. Sie sind nicht mehr Beamte und Schaffner, sondern Angestellte einer Firma und Kundenbetreuer und der Fahrgast ist kein Fahrgast mehr, sondern Kunde, und der ist bekanntlich König. Da ist Verehrung schon angemessen, noch besser wäre aber Huldigung.



[1] 1.6.2011

Dienstag, 2. August 2011

Definitionsprobleme


„Höchste Zeit also, das Thema Fortbewegung in der Stadt neu zu definieren. Die Lösung ist ganz einfach. Vorrang haben Öffentliche und das Fahrrad.“ (taz vom 7.7.11)
Was man bei der taz wohl für eine Definition von „definieren“ hat?

Montag, 1. August 2011

Sarrazinisierung


„Antonius“ schreibt in einem Kommentar zu Yodelling für Sarrazin[1]:
„’Sarrazinierung’ ist kein Problem für die deutsche Sprache; wohl aber Verlust der Grammatik.“
„Sarrazinierung“ bezieht sich darauf, daß ich geschrieben habe: „Sarrazin hat mehr als recht; nicht nur Deutschland, auch Österreich schafft sich ab. Die Sprache ist schon so gut wie abgeschafft, nur – da irrt er ein kleines bißchen – nicht zugunsten von Türkisch und Arabisch.“ Abgeschafft ist sie in dem Satz aus einer österreichischen Werbung, den ich zitiere und kommentiere. Der Satz enthält außer vielen gerade jetzt im Einwandern begriffenen englischen Wörtern nur ganz wenige deutsche.
Was „Antonius“ schreibt, ist eine unter Sprachwissenschaftlern sehr verbreitete Auffassung. Selbstverständlich ist sie aber keineswegs. Sie können meinetwegen, wenn sie unter sich sind, den Begriff der Sprache im Hinblick darauf, unter welchen Bedingungen man davon zu sprechen hat, daß sie eine andere geworden ist, so verwenden. Das mag für die Forschung Vorteile haben, aber es ist nicht der Begriff, den die Sprache selbst von sich hat. Es ist eine Nominaldefinition, die sie da vornehmen, eine Festsetzung des Sprachgebrauchs; bemühten sie sich um eine Realdefinition, eine Feststellung des Sprachgebrauchs, und zwar in dem Sinne, daß die Definition die wirkliche Verwendung in der deutschen Sprache erfaßt, käme etwas anderes heraus: Behielte man die Struktur bei und ersetzte alle Wörter der deutschen Sprache durch chinesische, könnte man in der deutschen Sprache – anders als in der Fachsprache der Linguisten – nicht mehr sagen, das sei noch deutsch. Denn dafür ist auch wesentlich, daß wir uns ist dieser Sprache untereinander verstehen können.
Richtig ist allerdings, daß sich aus lauter Wörtern fremder Herkunft – und zwar auch frisch eingebürgerten, nicht nur solchen wie Fenster oder Joghurt, Sport oder Training – deutsche Sätze bilden lassen, wenn man Deutsch kann; was aber unter denen, die beim Einbürgerungsgeschäft besonders eifrig sind, jedoch auch unter den Sprachreinigern nicht allzu häufig vorkommt. Deutsch können heißt nicht nur, sich in der Struktur der deutschen Sprache auskennen, die Regeln insbesondere der Grammatik kennen oder fühlen – und zwar so gut, daß man sich nicht immer an sie halten muß –, sondern auch und sogar vor allem ein Gespür für den richtigen Gebrauch der Wörter zu haben, für die Nuancen ihrer Bedeutungen in unterschiedlichen Kontexten.

Doch mich interessiert die Anglisierung des Deutschen als ein  Problem der Sprachwissenschaft zumindest hier in diesem Blog nur ganz am Rande. Mich interessiert wenig, ob die deutsche Sprache durch das Eindringen englischer Wörter gefährdet ist, ob eine Sprache überhaupt auf diese Weise geschädigt werden kann oder ob „Schädigung“ überhaupt ein auf eine Sprache anwendbarer Begriff ist. Mich interessieren die Sprecher der Sprache, mich interessiert, was in einem Kopf vorgeht, der es für nötig hält, „Waldlauf“ aus seinem Wortschatz zu streichen und durch „Jogging“ zu ersetzen, und auf welche Art von Nationalcharakter es hinweist, wenn fast alle Angehörigen der Nation zumindest innerlich schamrot werden, sowie ihnen bewußt wird, daß sie ein amerikanisches oder französisches Wort falsch ausgesprochen haben, nämlich so, wie sie es aussprächen, wenn es ein deutsches wäre – während sie sich nicht die geringste Mühe geben, ein polnisches so auszusprechen, wie es im Polnischen ausgesprochen wird.