Mittwoch, 31. August 2011

Aufstellen

www.landtag-bw.de berichtet aus den Darlegungen eines Vertreters des baden-württembergischen Wirtschaftsministeriums: „Baden-Württemberg sei hinsichtlich der vollzeitschulischen beruflichen Ausbildung im Bundesvergleich mit Abstand exzellent aufgestellt und habe in diesem Bereich hohe Schülerzahlen.“[1]
„Vollzeitschulisch“ hat eine Auszeichnung verdient. „Mit Abstand exzellent“ kann man allerdings nicht „aufgestellt“ sein. „Mit Abstand am besten“ ginge. So sollte es ursprünglich gewiß heißen. Aber ohne das Wort exzellent ist eine Darlegung vor einem Landtag heutzutage, so vermute ich, nicht mehr möglich. Dann aber ist dem Vertreter wahrscheinlich eingefallen, daß man „exzellent“ nicht steigern kann, daß es insbesondere „am exzellentesten“ nicht gibt. Doch ist er, gehetzt, wie so einer sicher ist, mit seinen Überlegungen nicht zu Ende gekommen, und so ist „mit Abstand exzellent“ herausgekommen.
Aber das nur am Rande. Wir wollen das Thema nicht weiter vertiefen und uns statt dessen dem „aufgestellt“ widmen. Man sollte es zum Deppenwort des Jahrzehnts ernennen, es wenigstens in die engere Wahl nehmen (Hauptkonkurrent ist Migranten). Wozu man es, bei der nötigen Unbedarftheit, doch alles gebrauchen kann! „Deutsch-Chinesischer Rechtsstaatsdialog ist breit aufgestellt“, behauptet die Bundesregierung.[2] Deutschland ist, nach Auffassung der CSU, „beim Bevölkerungsschutz gut aufgestellt“.[3] Der Abgeordnete Jens Koeppen ist gar selbst „gut aufgestellt im 17. Deutschen Bundestag“.[4] Und eben meldet, als Krönung, die Berliner Abendschau, daß nach Ansicht der zuständigen Lobbyisten die Aluminiumdose „ökologisch gut aufgestellt“ ist.
Interessant und rätselhaft ist folgendes: "Überragend aufgestellt" ergab bei Google 324 Treffer, meist waren das Seiten von Fußballvereinen. „Herausragend aufgestellt“ ergab 442 Treffer, vorwiegend in der Sphäre von Wirtschaft und Politik. „Exzellent aufgestellt“ aber erzielte 18.400 Treffer, auch meist Politik und Wirtschaft, Sport kam kaum vor. Von „breit aufgestellt“ wurde es allerdings übertrumpft: 22.600 Treffer, ebenfalls vor allem Politik und Wirtschaft. Woher diese Unterschiede wohl rühren?
Wo es aber herkommt, daß „aufgestellt“ überhaupt eine solche Karriere gemacht hat, ist nicht schwer zu erraten: Man will halt volksnah sein, und das Volk interessiert sich für Fußball. Ganz nahe am Volk schien mir die bayerische SPD-Innenpolitikexpertin, und ich dachte zunächst, sie hat „aufgestellt“ sogar richtig verwendet: "Quasi ihr Mannschaftsführer, Innenminister Beckstein, hat allerdings die bayerische Polizei nicht optimal aufgestellt". Wahrscheinlich, so dachte ich, hat er die Haupteinsatzkräfte beim Spiel 1860 gegen Bayern nicht da in der Stadt aufgestellt, wo es nötig gewesen wäre, um die Unruhen „optimal“ unter Kontrolle zu bekommen. Aber nein, denn so geht es weiter: „So [ist] eine 42-Stunden-Woche, eine Urlaubssperre und der zwischenzeitliche Abbau von mehr als 1000 Planstellen nicht akzeptabel.“[5]
Geheimnisvoller geht es auf www.spirituelle.info zu. Zum Beispiel wird ein Seminar „Aufstellungsarbeit nach Bert Hellinger“ angeboten. In diesem wird nicht etwa nur die Polizei aufgestellt, sondern da gibt es „Familienaufstellungen zur Lösung Ihrer privaten, beruflichen, finanziellen Themen“, auch „Familien- und Systemaufstellung (Geistiges Familienstellen)“, und man kann sogar bei einem Seminar „Familienstellen mit schamanischer Integrationsarbeit“ mitmachen. Das Aufstellen scheint ein Wundermittel zu sein. Nicht nur Rätsel lassen sich, wenn man so ein Seminar absolviert hat, lösen, sondern, wie wir sehen konnten, sogar Themen (siehe Themen), was seit Menschengedenken keinem gelungen ist.
In welchem Verhältnis das Stellen und das Aufstellen stehen, ist mir nicht klar geworden. Mal werden Familien aufgestellt, mal, wenn’s mehr ums Geistige geht, gestellt. Das sind alles „weitere Seminar Veranstaltungen in der Familienaufstellungen Kategorie“. Sprechen und schreiben lernt man also beim Aufstellen und Stellen offenbar nicht. Vielleicht ist das Seminar sprech- und schreibmäßig nicht richtig aufgestellt, möglicherweise nicht breit genug.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ich weiß gar nicht, was Sie haben. Wenn das alles so gut, breit und exzellent aufgestellt ist, dann ist doch alles in trockenen Tüchern. Kein Thema, oder?