Samstag, 22. Februar 2014

Kleine Prominentenkunde


„Promi“ sei „die in Medien und Alltag verbreitete, umgangssprachliche Kurzform für 'Prominenter“,[1] meint Wikipedia.
Ich glaube, das trifft’s nicht. Denn was sind Prominente? Von Berühmtheiten im allgemeinen unterscheiden sich Prominente bekanntlich dadurch, daß sie vor allem oder gar ausschließlich dafür berühmt sind, berühmt zu sein. Das zeichnet z. B. prominente Wissenschaftler aus. Sie sind fast nie für ihre Leistungen berühmt, denn die kennt keiner, von einigen wenigen Fachkollegen abgesehen, und die sind meist der Meinung, daß der berühmte Kollege keineswegs wegen seiner Leistungen berühmt sei, sondern z. B. deshalb, weil er einflußreiche Freunde in den Gremien hat, die Preise verleihen. Berühmte Wissenschaftler sind also typische Prominente, aber in den Medien, in denen man das Wort Promis findet, wird man sie vergeblich suchen. Statt ihrer tummeln sich dort Heerscharen von Sportlern, Schlagersängern und Filmschauspielern. Die sind, in der Regel jedenfalls, für ihre Leistungen berühmt, denn die kennt jeder und kann sie auch einigermaßen beurteilen. – „Promis“ könnte man so definieren: Konzentriert oder beschränkt sich die Berühmtheit von Berühmten auf die Unterschicht sensu Harald Schmidt, so heißen sie Promis. Vielleicht – die Soziologen werden das noch genauer prüfen müssen – könnte man sogar formulieren:  Promis sind die Oberschicht der Unterschicht.
Benutzt man „Promi“, um weitere Wörter zu bilden, wird es bisweilen schwierig. Ein Promi-Schauspieler ist ein in der Unterschicht, im genannten Sinn verstanden, berühmter Schauspieler. Ein Promi-Chirurg ist dagegen nicht ein Chirurg, der zugleich ein Promi ist, sondern ein Chirurg, der Promis operiert.


[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Promi

Samstag, 15. Februar 2014

Verhungern spielen


"Wir sehen uns dabei in der Rolle des ehrlichen Maklers zwischen den verschiedenen Interessen der Parteien und der gesellschaftlichen Akteure", formulieren die Grünen-Landeschefs.[1]
Das ist, bis auf die Kleinigkeit, daß auch Parteien gesellschaftliche Akteure sind und daß man, wenn man nicht gerade Soziologe ist und zu anderen Soziologen spricht, das Wort Akteure meiden sollte, in Ordnung. Wenn den Landeschefs die genannte Rolle nicht mehr behagt, können sie ja eine andere spielen, z. B. die des unehrlichen Maklers.
Aber die große Mehrheit der Soziologen spricht ohne rot zu werden auch von der sozialen Rolle der Bauern in Mali oder der Frauen in Afghanistan, als ob diese ein Spiel spielten, in dem sie sich halt für eine Rolle entschieden haben oder man sie meinetwegen auch dazu zwingt, d. h. zum Spielen zwingt. Das zeigt, wie sehr diese Zunft in den letzten Jahrzehnten heruntergekommen ist. „Der Protest des lebendigen Subjekts dagegen, daß es generell zu Rollen verurteilt ist – die amerikanische Rollentheorie ist so beliebt, weil sie das zur Struktur von Gesellschaft überhaupt auswalzt [...]“, beginnt ein Satz von Adorno in Jargon der Eigentlichkeit. Aber die Dummheit und Hinterlist des neoliberalen Zeitgeists und seiner Soziologen zeigt sich bereits darin, daß man überhaupt auf den Gedanken kommt, ein Begriff aus der Theaterwelt eigne sich zur Bezeichnung der Tatsache, daß jemand im wirklichen Leben unterdrückt und geschunden wird.





[1] http://www.rp-online.de/landtagswahl/nachrichten/Gruene-setzen-auf-Mitarbeit-der-CDU_aid_906146.html


Samstag, 8. Februar 2014

Endapokalypse


„Wir sind schon ein Völkchen von Apokalyptikern“, schrieb David Hugendieck in einer Glosse auf Zeit.de[1]. Man sehe das an der Konjunktur der Vorsilbe End: Da wimmelt es von Endverbrauchern und Endprodukten und mobilen Endgeräten, und Endkonsequenzen gibt es auch schon.
Da könnte was dran sein. Aber in dem einzigen wahrhaft apokalyptischen Blog, dem vorliegenden, kommt die Vorsilbe End weit unterdurchschnittlich, ja man kann sagen, fast gar nicht vor. Das ist erstaunlich. Vielleicht hat es ja damit zu tun, daß die wahre Apokalypse gar nicht das ist, was uns am Ende aller Tage erwartet, sondern ein Dauerzustand.