Freitag, 28. Dezember 2012

Männer-Funktionalstrukturalismus


„Sie benennt das Funktionieren von Männern in ihrer Struktur“.
Das stand kürzlich[1] in einem Leserbrief an die taz. Hat sich das innerste Wesen der Leserschaft dieser Zeitung jemals schöner zum Ausdruck gebracht?


[1] 20.12.12



Freitag, 21. Dezember 2012

Die gute Nachricht kurz vor Weihnachten


Am 17. Januar konnten wir hier melden: Endlich: Keine Armut mehr in Berlin! „Jeder Siebente in Berlin ist von Armut bedroht“ hatte der Tagesspiegel gemeldet, aber halt nur bedroht, arm war keiner. Jetzt hat sich das, der heutigen taz zufolge, leicht verändert: Jeder Fünfte lebt in Berlin unterhalb der „Armutsgefährdungsschwelle“. Doch arm ist immer noch keiner, wäre es anders, hätte man uns das doch in dem Artikel mitgeteilt, wo man schon mal beim Thema war.
So ganz eindeutig ist das aber nicht, was die da schreiben. „Von Armut bedroht“ ist eindeutig. Wer von ihr bedroht ist, ist nicht arm. Wenn ich von einer tödlichen Krankheit bedroht bin, dann lebe ich noch. Aber die „Armutsgefährdungsschwelle“ könnte ja auch – dieses Problem habe ich bereits in dem oben zitierten Blogartikel erörtert – die Schwelle sein, unterhalb derer die Armut selbst nicht gefährdet ist, was immer das heißen mag; oder unterhalb derer man durch die Armut gefährdet ist. Die könnte einen ja  z. B. in Versuchung führen, kriminell zu werden. Es mag noch mehr Möglichkeiten geben. 
Es ist ähnlich rästselhaft im Falle der „Armutsmisere“. „Daß die Ökonomie verantwortlich ist für die Armutsmisere [...] daran darf man nicht rütteln“ (ebd.). Man hätte ja auch „verantwortlich ist für die Armut“ schreiben können, dann wäre einigermaßen klar gewesen, was gemeint ist, wenn ich mir auch nicht so recht vorstellen kann, wie eine Ökonomie es schafft, verantwortlich zu sein; bei Ökonomen wär's was anderes. Aber Armutsmisere? Ist vielleicht die Misere gemeint, in der die Armut steckt, weil es partout keine Armen mehr geben mag, nur noch von ihr bedrohte Nichtarme? Einleuchtend kommt mir das aber auch nicht vor.


Montag, 17. Dezember 2012

Endapokalypse. Mein Beitrag zum bevorstehenden Weltuntergang


„Wir sind schon ein Völkchen von Apokalyptikern“, schrieb David Hugendieck vor einiger Zeit in einer Glosse in der Zeit[1]. Man sehe das an der Konjunktur der Vorsilbe End: Da wimmelt es von Endverbrauchern und Endprodukten und mobilen Endgeräten, und Endkonsequenzen gibt es auch schon.
Da könnte was dran sein. Aber in dem einzigen wahrhaft apokalyptischen Blog, dem vorliegenden, kommt die Vorsilbe End weit unterdurchschnittlich, ja man kann sagen, fast gar nicht vor. Das ist erstaunlich. Vielleicht hat es ja damit zu tun, daß die wahre Apokalypse gar nicht das ist, was uns am Ende aller Tage erwartet, sondern ein Dauerzustand.

Sonntag, 9. Dezember 2012

Das Wesen des Journalismus


In den letzten zehn Jahren vermehrt sich eine seltsame Formulierung mit rasender Geschwindigkeit: Etwas oder einer „macht den Unterschied“. Das habe ich mittels Google herausgefunden. Ich will mich nicht mit der durchaus interessanten Frage beschäftigen, ob etwas oder einer überhaupt einen Unterschied machen kann, sondern nur damit, wem diese Fähigkeit zugeschrieben wird. Manchmal sind es die Grünen, manchmal die FDP, manchmal auch „unsere Kompetenz“. In den meisten Fällen aber sind es Fußballspieler: Ribéry machte den Unterschied oder Ronny, und gestern bei Paderborn gegen Hertha war es Ramos. Immer, ich habe keine Ausnahme gefunden, sind es Torschützen. „Müller verhindert Niederlage gegen die Ukraine“, titelte Zeit-de vor einigen Monaten. Er schoß den Ausgleich zum 3 : 3. Zig-tausendfach haben wir das schon erleiden müssen. Ich kann mich nicht erinnern, jemals in einer Überschrift gelesen zu haben, daß ein Verteidiger durch Wegdreschen des Balls knapp vor dem gegnerischen Stürmer eine Niederlage verhindert hat und damit „den Unterschied machte“. Das Wesen des Journalismus[1] kommt im Fußballkommentar erst so richtig zum Vorschein.





[1] „Keinen Gedanken haben und ihn ausdrücken können – das macht den Journalisten“ (Karl Kraus).


Montag, 3. Dezember 2012

Löwen zu verzeichnen


„Das Fortbewegungsmittel Nr. 1 der Braunschweigerinnen und Braunschweiger ist der Pkw. Ein sehr positiv zu verzeichnender Trend ist dabei die Erhöhung des Bestandes schadstoffreduzierter Pkws in der Stadt.“ Das meldet die „Löwenstadt Braunschweig“.[1]
Die Löwenstadt hätte natürlich auch schreiben können: ein sehr positiver Trend. Das hätte aber den Eindruck einer gewissen Schwächlichkeit, eines Mangels an Löwenhaftigkeit erwecken können, dachte man wohl. „Positiv zu verzeichnender Trend“ klingt gleich ganz anders. Da hört man sofort: Wer so redet, der packt die Probleme der Kommunalpolitik so entschlossen an wie der König der Wüste das Gnu beim Genick.