Mittwoch, 30. November 2011

Koalitionsschmiede

„Es war sowohl für uns als auch für die SPD ein sehr ernsthaftes Gespräch mit einer klaren Option auf eine gemeinsame Koalition, die einen echten Politikwechsel in NRW möglich gemacht hätte.“[1]
Es wäre ja auch schade, wenn man mit großer Mühe einen Politikwechsel hinbekommt, und dann ist der gar nicht echt, also gar kein Politikwechsel. Aber richtig traurig wär’s, wenn die Grünen eine Koalition schlössen und die SPD auch, und plötzlich merkt man, daß es keine gemeinsame ist. Doch die Hauptsache bleibt, das Gespräch war ernsthaft und die Option klar und man hat die Wörter echt und gemeinsam irgendwie untergebracht.

Dienstag, 29. November 2011

Ewiggestrig

„Ewiggestrig“ ist der Mega-Hammer (Bild), Super-Hammer (auch Bild), Mammut-Hammer (bald in Bild), Giga-Hammer (auch bald bei Bild)[1] der Journalisten aller Couleur und ihrer Politiker und vor allem der Internetforumsaktivisten. Ewiggestrig ist der Papst, und weil es das, wogegen er donnert, z. B. die sexuelle Revolution, schon seit ein paar Jahren gibt, folglich auch schon gestern, sind seine Gegner ebenfalls ewiggestrig. Die Konservativen sind es sowieso und natürlich auch alle, die der DDR nachweinen und genauso die SPDler, weil sie jetzt wieder für die sozialen Errungenschaften sind, die sie gerade abgeschafft haben, und weil sie schon gestern, also vor der vorübergehenden Abwendung, für diese Errungenschaften waren. Abgeschafft haben sie diese, weil man ihnen damit drohte, sie andernfalls Ewiggestrige zu nennen. Ewiggestrig sind die Befürworter der Sklaverei und weil deren Verbot schon an die 150 Jahre her ist, sind auch diejenigen ewiggestrig, die sie heutzutage verbieten wollen, was jedem ordentlichen Liberalen, der ja für die Freiheit der Wirtschaft eintritt und damit auch für die Freiheit der Behandlung von Arbeitskräften, ein Graus ist.


Auf den ersten Blick ist gegen all das nichts einzuwenden. Wörter wie gut und schlecht werden ja auch in ähnlich unbestimmter Weise gebraucht und doch können wir auf sie nicht verzichten. Mit dem Ewiggestrig ist's aber doch anders: Es klingt so dümmlich.




[1] Hyper-Hammer gibt es, so scheint’s, bei Bild nicht, weil „Hyper Hammer“ ein Tennisschläger ist und man wohl fürchtet, daß auch Hyper-Hammer gesetzlich geschützt ist.

Montag, 28. November 2011

Liberalismus für Fortgeschrittene

„Die Klasse derjenigen, die die Gabe haben, ihre eigenen Gedanken zu denken, ist durch eine unüberbrückbare Kluft getrennt von derjenigen Klasse, die dies nicht können.“ So Ludwig von Mises, „neoliberaler Ideologe“.[1]
Das meine ich aber auch! Jemand, der zu einem Satz in der Lage ist wie „Gerade das Leben in Berlin-Mitte steht für unsere Inhalte[2], der schon deshalb nie ein eigener Gedanke gewesen sein kann, weil er dazu erst einmal ein Gedanke gewesen sein müßte, gehört in die Klasse derjenigen gesteckt, die Thilo Sarrazin zufolge sich einen Pullover anziehen sollen, wenn’s für die Heizung nicht reicht. Denn, so nun wieder Herr von Mises: „Der schlimmste aller Irrtümer ist, dass die Natur jedem Menschen gewisse Rechte verliehen habe“.
Wir wollen mit ihm beim altbewährten Grundsatz bleiben: suum cuique, oder von mir aus auch quod licet iovi, non licet bovi. Was das genau heißt, weiß ich heute, so viele Jahrzehnte nach meiner letzten Lateinstunde, nicht mehr, aber irgendwas mit Elite und Exzellenz und Leistungsträger und daß die geistige Unterschicht, für deren Inhalte das Leben in Berlin-Mitte steht, zufrieden sein kann, wenn ihre Partei noch 1,8 % der Wählerstimmen bekommt, muß es wohl gewesen sein.

Sonntag, 27. November 2011

Amerikanische Vornamen

Ich sehe Banken Krieg“ schreibt ein Börsianer auf wallstreet-online.de.[1] Dieser/diese Krieg wird wohl ein(e) Amerikaner(in) deutscher Abstammung sein. Amerikaner haben ja häufig seltsame Vornamen, z. B. Safran, Rahm oder Drinker, da wundert man sich über „Banken“ auch nicht besonders. Vor der Finanzkrise war es sicher naheliegend, seinen Nachwuchs so zu nennen. Man würde aber schon gern wissen, ob das ein männlicher oder ein weiblicher Vorname ist.

Freitag, 25. November 2011

Brüder, zur Sun

„Sonnen-Diesel im Schatten“ lautet eine Überschrift in der taz vom 13.9.2011, und in der Unterüberschrift steht: „Die Idee: Sun-Diesel“.
In besseren Zeiten hätte man das so gedeutet: Mit Sonnen-Diesel geht’s nicht so gut, und da hat man sich ein neues Produkt ausgedacht, nämlich Sun-Diesel, das soll’s bringen. Heute ist der erste Gedanke: Die Überschriftenschreiber sind höhere Journalisten, also in der Regel ältere, die können noch einigermaßen Deutsch, die PraktikantInnen[1], die sich an den Unterüberschriften probieren dürfen, sprechen diese Sprache altersbedingt kaum mehr. Aber es ist doch anders. Im Text erfährt man, daß die deutsche Firma, die Sonnen-Diesel herstellt, eben diesen Sun-Diesel nennt und eben mit diesem Diesel im Schatten steht. Dabei hatte sie doch darauf gerechnet, daß das Erzeugnis mit dieser Benennung in die Sonne bzw. die Sun rückt. Denn die Firma weiß: Die meisten Deutschen schämen sich, Deutsche zu sein – nicht wegen der nationalsozialistischen Vergangenheit, mit der hat man seit mindestens zwei Jahrzehnten nichts mehr zu tun, sondern weil Deutschland gar zu weit hinterm Wald liegt. Darum senden sie ständig Signale aus, die sagen sollen: Ich bin gar keiner, im Grunde bin ich Amerikaner, oder, was etwa das gleiche ist, Weltmensch.
Da kommt natürlich gleich einer, ein Gläubiger aus der Kirche der empirischen Sozialforschung, und fragt: Woher wollen Sie das denn wissen? Nennen Sie mir Umfragen, in denen es, statistisch abgesichert, herausgekommen ist!
Bei einer Meinungsumfrage wird das aber nicht herauskommen. Da würde sich die Mehrheit vielmehr entschieden gegen die Anglisierung ihrer Sprache aussprechen. Nicht, weil sie lügt, sondern weil geheime Wünsche oft und so auch hier derart geheim sind, daß die Wünschenden selbst sie nicht kennen. Die Werbebranche aber ist schlau und kennt sie, und darum ersetzt sie ein deutsches Wort nach dem anderen durch ein amerikanisches. In unserem Fall aber scheint man sich verrechnet zu haben. Ob Sonnen-Diesel oder Sun-Diesel – das Zeug taugt einfach nichts.

Donnerstag, 24. November 2011

Bildungsforscher im Leistungsentwicklungsmilieu

Zu meiner Zeit hat man in der Schule gelernt und wenn’s gar nicht anders ging auch zuhause. Heute lernt man in der Lernumgebung (bei Google: 126.000 Treffer), im Lernumfeld (73.900), seltener in der Lernumwelt (28.200). Was das alles ist, habe ich nicht herausgefunden. Manche meinen offenbar, wenn man in einer Lernumwelt ist, dann ist man auch in einer Lernumgebung und in einem Lernumfeld, weil das ohnehin alles das gleiche ist. Andere scheinen der Auffassung zuzuneigen, man komme mit einem Lernumfeld aus, wiederum andere, man brauche außerdem noch eine Lernumgebung, sonst hapert’s mit der „Kompetenzentwicklung“ und man wird nicht „optimale“ oder gar optimalste[1], sondern nur suboptimale Lernergebnisse erzielen bzw. „Leistungen bringen“ und ganz bestimmt kein Leistungsträger[2] werden. Mit den „schulischen Sozialisationskontexten“ haut’s dann irgendwie auch nicht hin, was mit unpassenden „schulischen Leistungsentwicklungsmilieus“ zu tun hat, so daß man es nicht einmal zu einer „schulinstitutionellen Karriere“ bringt, und die wiederum schafft man nicht, weil man die „institutionellen gatekeeping-Prozesse“ nicht hinbekommt.[3]
Es mag ja seinen Sinn haben, wenn die Bildungsforscher sich in ihren Kreisen in dieser Sprache unterhalten, aber ich habe den Verdacht, daß sie auch mit den Lehramtsstudenten so reden und sich auf diese Weise in die Bildung selbst einmischen. Das sollten sie bleiben lassen. Sonst geht es den Kindern am Ende so wie den Bauern, die in die Fänge der Agrarwissenschaft geraten sind. Ich habe einmal am Zaun einer havelländischen Viehweide ein Schild gesehen, auf dem stand, daß auf dieser soundsoviele rauhfutterverzehrende Großvieheinheiten stehen. Gemeint war das, was ich in meiner Naivität für Kühe gehalten hatte.

Mittwoch, 23. November 2011

Katholischer Orden für „Studierende“

Der Hamburger Linguist A. Stefanowitsch hat mittels Google-Books herausgefunden, daß man im 19. Jahrhundert „Studierender“ häufig in der Bedeutung von „Student“ benutzt hat und daß dieser Brauch im 20. Jahrhundert wieder verschwunden ist.[1] Weil das so ist, meint er, sich nicht mehr rechtfertigen zu müssen für die Verwendung von „Studierende“ in diesem Sinn[2], zu der er sich aus politischen Gründen verpflichtet glaubt.
Ein Leser seines Blogs hat – unter dem Pseudonym „Studierendenfutter“ – auf einen zustimmenden Kommentar, nämlich
„Daß das Wort ‚Studierenende(r)’ relativ alt ist, ist sicherlich ein treffendes Argument gegen die verfehlte Annahme, ‚Studierender’ könne nur denjenigen bezeichnen, der gerade in diesem Augenblick ‚am studieren’ ist.“
so geantwortet:
„nö, es nur ein beleg dafür, dass auch anno tobak bereits unsinn geredet wurde“ – eine einfache Wahrheit, die Herrn Stefanowitsch und seinen Anhängern offenbar verschlossen ist. Einen gerade nicht trinkenden Trinker einen Trinkenden zu nennen bleibt Unsinn, auch wenn sich herausstellen sollte, daß das im 18. Jahrhundert bereits getan wurde; nur durch lange Gewohnheit kann ein Fehler es dazu bringen, keiner mehr zu sein, wie im Falle der „Lehrenden und Lernenden“.
Der Blog-Leser Helmut Wicht hat von einemantiquarischen Fehlschluss“ gesprochen. Ich möchte statt dessen die Bezeichnung „katholischer Fehlschluß“ vorschlagen. Die römisch-katholische Kirche lag im Mittelalter jahrhundertelang im Streit mit den Ostkirchen; meist ging es darum, wie es sich theologisch begründen läßt, daß der Papst wichtiger ist der Patriarch von Konstantinopel oder andere Patriarchen. Das entscheidende Argument war immer, daß irgendeine Meinung bereits früher schon dagewesen ist; gewonnen hatte, wer nachweisen konnte, daß die seine sich in einem älteren Schriftstück finden läßt als die des Gegners. So ließ sich mehr oder weniger jeder beliebige Stuß rechtfertigen.
Die katholische Kirche sollte Herrn Stefanowitsch für die Wiederbelebung dieser Methode eine Auszeichnung verleihen. Die haben da recht hübsche. Der bekannte Germanist und Wissenschaftsfunktionär Prof. Frühwald bekam, so hörte ich, für seine Verdienste als Beiratsvorsitzender des Cusanuswerks einen Orden, der ihm das Privileg verleiht, hoch zu Roß in den Vatikan einzuziehen. Herr Stefanowitsch sollte, falls er es nicht schon kann, reiten lernen.

Dienstag, 22. November 2011

Anglizismus der Sonderklasse

Zum Peinlichsten, was wir über uns ergehen lassen müssen, gehört das "Wort des Jahres"[1]. Der "Sprachpanscher des Jahres" (dieser Titel, nicht unbedingt der damit Ausgezeichnete) muß sich dahinter aber nicht verstecken.  Nun haben beide Konkurrenz bekommen: Es gibt den "Anglizismus des Jahres"[2]. Er hat durchaus Chancen, beim Deppendeutsch-Ranking gleichzuziehen: "Hacktivism" gehört zu den für das Jahr 2011 nominierten Wörtern.

Grüner Transport ins Jenseits

„’Die Ökologie transportiert eine Heilserwartung’, sagen Sozialwissenschaftler, ‚da schwingt etwas Transzendentales mit’’’. Das schreibt die FAZ in einem Artikel über die Grünen.[1]
Irren die Sozialwissenschaftler oder irrt die FAZ? „Ich nenne alle Erkenntnis transzendental, die sich nicht sowohl mit Gegenständen, sondern mit unserer Erkenntnisart von Gegenständen, sofern diese a priori möglich sein soll, überhaupt beschäftigt“, steht in der Kritik der reinen Vernunft. Da läßt sich nicht so leicht eine Verbindung zum Transportgeschehen bei den Grünen entdecken. Wahrscheinlich soll es „Transzendentes“ heißen, das paßt einigermaßen zu „Heilserwartung“. Ich glaube nicht, daß das ein Tippfehler ist.

Montag, 21. November 2011

Ein Aus und Vorbei



„Der Sozialverband Deutschland ist für ein Aus der Rente mit 67“, teilte uns die taz [1] mit.

Man muß wohl Linguistik oder Germanistik oder was weiß ich, was dafür einschlägig ist, studiert haben, um heutzutage einen Satz in einer Tageszeitung entschlüsseln zu können. Bedeuten tut die Aneinanderreihung von Wörtern nichts, aber man kann ja versuchen zu erraten, was sie bedeuten sollte. Vielleicht, daß der Sozialverband meint, es solle aus sein mit der Rente mit 67? Statt dessen sollte es eine Rente mit 65 oder 69 geben? Dagegen spricht, daß es die Rente mit 67 bisher gar nicht gibt, es mit ihr also auch nicht aus sein kann. Oder meint er, daß jemand aus der Rente mit 67 „heraus“ sollte, vielleicht ein bestimmter Rentner, oder der Rentner als solcher, was sich möglicherweise durch Ausfüllen von Formularen hinbekommen ließe? Auch gegen diese Interpretation spricht, daß es die Rente mit 67 ja gar nicht gibt. Oder sollten wir oder der Staat aus der Rente mit 67 „heraus“? Eine seltsame Formulierung, gewiß, aber sie bedeutete wohl, daß Pläne, die Rente erst ab einem Alter von 67 zu zahlen, nicht weiter verfolgt werden sollten. Das könnte es sein, was uns der Autor mitteilen wollte.



[1] 12. August 2010

Samstag, 19. November 2011

Demokratie, Bürokratie und Aristokratie

Im Blog des Linguistikprofessors A. Stefanowitsch[1] tobte vor kurzem ein Kampf darum, ob es der oder das Blog zu heißen hat:
„Nur liegen mein Sprachgefühl und der Duden da falsch: der Blog ist die dominante Form, nur eine Minderheit der deutschen Sprachgemeinschaft bevorzugt das Blog ... Mir, und allen anderen, für die es das Blog heißen muss, sage ich deshalb: Der Kampf ist vorbei. ... Sprachgefühl hin oder her, man muss wissen, wann es Zeit ist, aufzugeben.“
Mir sagt mein Sprachgefühl, daß es der Blog heißen muß, auch wenn die Herkunft von „Weblog“ das Blog logisch erscheinen läßt. Vermutlich liegt es bei mir daran, daß ich aufgrund des Dialekts, mit dem ich aufgewachsen bin und der mein Sprachgefühl regiert, zwischen „Blog“ und „Block“ keinen Unterschied bemerke. Aber wie auch immer: Es wird noch einige Zeit dauern, bis sich in diesem Fall – es handelt sich um ein Kunstwort, da ist's oft schwierig – entschieden hat, was richtig ist.
Das aber entscheidet das Sprachgefühl, und zwar derer, die Deutsch können, nicht das einer Mehrheit, wie Herr A. S. und die anderen demokratischen[2] Sprachbürokraten meinen, und auch nicht das einer regelkonform eingesetzten Kommission, wie die undemokratischen Sprachbürokraten meinen. Die einen wie die anderen glauben, Sprache sei rundum eine Sache der Konvention. Ob man nun meint, eine Konvention habe sich zwanglos herauszubilden oder ob man meint, da seien vor allem bestimmte Verfahren einzuhalten wie nach Ansicht der Rechtspositivisten bei der Gesetzgebung, ist sekundär. Nein, liebe Sprachbürokraten, ich muß mich hier politisch outen[3]: In der Welt der Sprache geht es aristokratisch zu, und ich bin dafür. Es ist, wenn auch aus anderen Gründen, wie in der Wissenschaft: Nicht die Stimmen der Heerscharen zählten, die die Erde für eine Scheibe hielten, sondern die der wenigen, die es besser wußten.
NB: Damit nicht einer meint, ich zählte mich zu denen, die Deutsch können und dann, wie es die Art dieser Leute ist, loszetert, ich sei Anhänger einer aristokratischen Weltanschauung und möchte unsern Kaiser Wilhelm wieder haben usw.: Ich zähle mich nur zu denen, die auf die hören, die Deutsch können, so weit ich es halt begreife.




[2] Detlef Gürtler hat Stefanowitsch den Titel „Sprachdemokrat“ verliehen, siehe http://blogs.taz.de/wortistik/2011/08/19/sprachdemokrat/.
[3] Mein Rechtschreibprogramm kennt dieses Wort nicht. Was ist da los? Konterrevolution?

Donnerstag, 17. November 2011

Besuchervolumen

„Die Tagesausgaben pro Übernachtung betragen 110,50 Euro, das jährliche Besuchervolumen in Übernachtungen beträgt 1,4 Mio“, meldet das German Convention Bureau.[1]
Was mag wohl ein Volumen in Übernachtungen sein? Paßt ein Volumen in Übernachtungen hinein? Und läßt die Logik das überhaupt zu? Steckt da nicht ein Kategorienfehler drin? Was ein Besuchervolumen ist, wußte ich einst, als ich noch zur Schule ging. Man kann es ausrechnen, wenn man die Masse und das spezifische Gewicht des Besuchers kennt, oder so ähnlich. Aber das ist lange her. Heute hat man, wie uns der Ostdeutsche Sparkassenverband mitteilt, andere, exakte Methoden, die ich ganz und gar nicht mehr kapiere: „Unberücksichtigt bleiben auch Einrichtungen, die ihr Besuchervolumen nicht durch eine exakte Erfassung (z.B. durch verkaufte Eintrittskarten oder mit Hilfe eines Drehkreuzes) bestimmen können.“[2]
Nebenbei, für die, die nicht wissen, was ein Drehkreuz ist: So nennt das gewöhnliche Volk die Personenvereinzelungsanlage.

Mittwoch, 16. November 2011

Dönermorde

Siehe
http://kompetenzteam.antville.org/stories/2093043/





Superlativ der Superlative

Der Kommentator von Sat 1 am 2.11.11 beim Spiel Kopenhagen gegen  Hannover: Pogatetz ist „der fehlerfreiste Spieler“ von Hannover 96.
Das setzt dem Hyper-Mega-Supergau noch eins drauf. Besonders interessant ist, daß die Word-Rechtschreibhilfe „fehlerfreiste“ und auch „fehlerfreieste“ nicht rot anstreicht. Es kommt wohl zu oft vor. Und die Schreiber möchten ja vielleicht wirklich ihre Auffassung zum Ausdruck bringen, daß es möglich sei, weniger Fehler als gar keinen zu machen. Da wollen wir nicht vorschnell urteilen; die Mathematiker sollen ja auch herausgefunden haben, daß zwei mal zwei nicht unbedingt vier ergeben muß.

Dienstag, 15. November 2011

Aktive Kundenunzufriedenheit


„Zufriedene Kunden können als aktive Referenz wirken, d.h. sie erzählen anderen von ihren positiven Erfahrungen. ... Es hat sich gezeigt, dass unzufriedene Kunden ihre negativen Erlebnisse sehr oft weitererzählen.“[1]
Daß zufriedene Kunden anderen von ihren positiven Erfahrungen erzählen, war der Betriebswirtschaftswissenschaft offenbar von vornherein klar. Da hinkte sie den normalen Menschen, die das auch alle wissen, nicht hinterher und mußte nicht erst forschen. Rätselhaft ist aber, wie sie darauf kommt, daß man statt „sie erzählen anderen von ihren positiven Erfahrungen“ auch als aktive Referenz wirken“ sagen kann und wieso das an dieser Stelle hinzugefügt werden muß. Daß aber unzufriedene Kunden ihre negativen Erlebnisse sehr oft weitererzählen, das mußte man erst in langwierigen wissenschaftlichen Untersuchungen herausfinden; eben dies pflegt gemeint zu sein, wenn in einem Text mit wissenschaftlichem Anspruch „es hat sich gezeigt“ steht. Man möchte gar nicht wissen, was diese Untersuchungen den Steuerzahler gekostet haben.

Montag, 14. November 2011

Weltgesundheit


„Die Gesundheit der Welt hängt von gesunden Ökosystemen ab.“[1]
Wie mag sich ein Ökosystem fühlen, wenn es krank ist? Schwindlig? Flau im Magen? Und vor allem: Wenn im gesunden Ökosystem der Fuchs den Hasen frißt – wird letzterem da nicht ein bißchen unwohl sein? Und wäre Unwohlsein nicht ein Zeichen mangelnder Gesundheit?
Ach so, schlecht fühlt sich nur der Hase, nicht das Ökosystem. Nun gibt es aber viel mehr Tiere, die von Tieren gefressen werden, als Tiere, die Tiere fressen. Ein fressendes Tier wird ja, wenn es nur ein einziges frißt, zwar manchmal satt, aber das hält in der Regel nicht lange an, und darum muß noch eins und noch eins ran usw. Es spricht also einiges dafür, daß das Wohlgefühl in einem Ökosystem nur das Befinden einer Minorität ist. Kann man dann trotzdem, denn Wohlfühlen müßte schon sein, vom Ökosystem sagen, es sei gesund? Und gar von der Welt? Das klärt sich, wenn man bedenkt, aus welcher Weltanschauung Sätze wie der zitierte fließen. Die Wirtschaft ist ja auch gerade dann gesund, wenn es vielen schlecht, wenigen aber eben darum ganz besonders gut geht.

Samstag, 12. November 2011

Metaphern-Volltreffer


Man müsse, sagte einer in der Tagesschau am 6. Nov. 2011, die Goldreserven angreifen, um die Feuerkraft des Euro-Rettungsschirms zu erhöhen. Ich suchte im Internet – vieltausendmal gibt es das. Bei Financial Times Deutschland hat der Schirm sogar eine Vierfach-Feuerkraft. Mir kam das komisch vor, ich durchforschte abermals mittels Google das Netz,  und tatsächlich, ich wurde fündig: In einem in Berlin geplanten Spionagemuseum will man schießende Schirme ausstellen. Was aber hat der Euro-Rettungsschirm mit Spionage zu tun? Gibt’s da finstere Machenschaften, die man uns verheimlicht? Und überhaupt: was hat das, was die da vorhaben, mit einem Schirm zu tun? Und ist es ein Regen-, ein Sonnen- oder ein Fallschirm? Kann man mit einer dieser Schirm-Sorten Banken retten, und sei es nur in einem übertragenen Sinn? Na ja, es wird schon seinen Sinn haben; all die Journalisten und Politiker und die Abermillionen von Lesern und Fern-Sehern, die das Wort frag- und klaglos hinnehmen, können sich doch nicht irren.

Freitag, 11. November 2011

Journalistenhumor


Es heißt ja immer: Die Gesellschaft ist heutzutage so komplex und die Zeiten sind so unsicher, daß Prognosen ganz unmöglich sind. Allen Voraussagen zum Trotz steht der Wald immer noch und die DDR gibt es nicht mehr. Aber daß am Tag der Wahl des neuen griechischen Ministerpräsidenten Scharen von Journalisten (Welt, taz, Süddeutsche, Morgenpost, Bayerischer Rundfunk, Kurier, Spiegel, usw. usf.) die unglaublich witzige Überschrift  „Habemus Papademos“ einfallen wird, darauf hätte man seinen Kopf wetten können.

Kraxeln bei Eig

„Sie haben nie die Eiger Nordwand bezwungen“, steht in einem Artikel auf Zeit.de.[1]
Erst dachte ich, die Kenntnis der einfachsten Regeln des Getrennt- und Zusammenschreibens und der Verwendung von Bindestrichen wäre nun endlich auch den Spitzen des Bildungsbürger-Journalismus abhanden gekommen. Aber dann erweist es sich doch als harmloser. Dem Autor fehlen nur Geographiekenntnisse. Das verzeiht man leichter. Er erzählt von einem, der Wanderungen durchs ewige Eis nicht nur Grönlands, sondern auch Lapplands macht. Da wundert man sich nicht, wenn er glaubt, es gebe einen Ort namens Eig und bei diesem eine Nordwand.

Donnerstag, 10. November 2011

Kein Grund zur Panik

„Das Jury-Mitglied und der Leiter der Dudenredaktion, Matthias Wermke, äußerte, dass trotz dieser Importwörter ‚sich das Deutsche in 50 Jahren [nicht] von der heute gesprochenen Sprache deutlich unterscheiden wird.’ Das Klagen über den Verfall der deutschen Sprache sei so alt wie die deutsche Sprache selbst.“ (Wikipedia, Stichwort „Wort des Jahres“)
War es nun das Jurymitglied oder Matthias Wermke? Wären es beide gewesen, müßte es ja „äußerten“ heißen. Nehmen wir an, der Herr Redaktionsleiter war's. Wie er wohl darauf kommt? Ich glaube nicht, daß ich vor 50 Jahren einen Satz wie „Eye Catcher für Hamburg: Wir verteilen Flyer, Folder und Plakate in relevanten Kultur- und Szeneoutlets[1] hätte verstehen können, wo ich ihn doch jetzt kaum verstehe. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich oder irgendein anderer zu jener Zeit einen der Synchrofilm-Sprache entnommenen Satz wie „Ich hasse schlechten Sex“ verstanden hätte, den viele Heutige ja für importfreies Deutsch halten würden, während in Wirklichkeit außer dem „Ich“ nichts dafür gelten kann. Und die Einführungsgeschwindigkeit der Importwörter hat nicht ab-, sondern erheblich zugenommen; wenn das noch 50 Jahre im jetzigen Tempo, ohne Beschleunigung, weiterginge, dürfte die deutsche Sprache mehr Importwörter - damit sind selbstverständlich nur die frisch importierten gemeint, nicht Keks, Krokodil oder Fenster - enthalten als solche, die man heute für einheimische Produkte nimmt.
Vielleicht meint Herr Wermke ja, daß man Sätzen wie den genannten nicht in allen Kreisen und Lebenslagen begegnet; einiges spreche dafür, daß man auch in 50 Jahren für ein Gespräch über Wald und Bäume und Vöge- und Blümelein mit dem Wortschatz zurechtkommt, der schon den Dichtern der Romantik zur Verfügung stand. Das mag schon sein, jedenfalls sofern nicht einer auf den Gedanken kommt, daß Vöge- und Blümelein einen Beitrag zur Global Biodiversity leisten und der Wald in Wirklichkeit überhaupt kein Wald, sondern ein Ecosystem sei oder auch eine Opportunity für Outdoor-Events.
Aber selbst wenn man dies ausschließen könnte: Die Tatsache, daß man sich über manche Dinge noch mit Angehörigen beliebiger germanischer oder indogermanischer Sprachen einigermaßen verständigen kann, weil sich die Wörter für Begriffe wie essen und Nacht im Deutschen, Englischen und Lettischen nach wie vor sehr ähnlich anhören, berechtigt nicht zu der Behauptung, daß sich unsere Sprache von der unserer bronzezeitlichen Vorfahren nicht deutlich unterscheidet. Ob man das als Verfall bezeichnen soll – eine These, von der Dudenredakteur oder das Jurymitglied oder der Wikipedia-Autor, wie es scheint, meinen, sie sei für die, denen die Wortimporteure wie alle Modegecken auf die Nerven gehen,  mit der These der Veränderung notwendig verbunden – steht auf einem ganz anderen Blatt. Ich  jedenfalls bin nicht dieser Meinung.

Mittwoch, 9. November 2011

Anglizismen sind das neue Imponierdeutsch

ist die Überschrift eines Artikels von Helga Kotthoff auf Zeit.de:
http://www.zeit.de/wissen/2011-11/anglizismen-wissenschaftssprache.

For You. Vor Ort

Zur Schlecker-Werbung "For You. Vor Ort" steht hier:
http://www.jungewelt.de/2011/11-03/008.php?sstr=
ein Kommentar von Wiglaf Droste.

Übersetzungsprobleme

„Er folgte in den letzten Jahren bereits mehrmals einer Einladung an die Medizinische Schule der weltberühmten Harvard Universität.“ „Er“ ist der Professor Bankhofer, „Autor und TV-Gesundheits-Experte, der so lebt wie er schreibt.“[1]
Es kommt sicher nicht von ihm selbst, denn das wäre einem Professor nicht unterlaufen, selbst wenn er TV-Gesundheitsexperte ist und vielleicht so schreibt wie er lebt. „School“ bedeutet nicht nur Schule. Die Journalisten können zwar alle hervorragend Englisch, das ist ja heutzutage Einstellungsbedingung, aber sie können es nicht ins Deutsche übersetzen. In unserem Fall bedeutet „school“ Fakultät oder auch Fachbereich. Eine Schule ist etwas ganz anderes. Eine medizinische, philosophische, ökonomische usw. Schule ist eine Gruppe von Wissenschaftlern ähnlicher Auffassung; die können über viele Universitäten und Fakultäten und manchmal auch Schulen – wenn einer z. B. Gymnasiallehrer geworden ist, was bekanntlich nicht wenige Schüler der Frankfurter Schule auf sich nehmen mußten – verteilt sein.

Dienstag, 8. November 2011

Machbarkeitswahn

„Die Material-Entwicklung im alpinen Ausrüstungsbereich hat entscheidend zur Machbarkeit der Eiger-Nordwand beigetragen.“[1]
Einen Wunsch hätte ich: Wenn die Wand machbar geworden ist, dann sollte man sie so machen, daß das Hinaufkraxeln weniger anstrengend ist – so, daß auch Leute wie ich eine Chance haben, oben anzukommen. Halb so hoch fände ich sinnvoll, und nicht so steil.

Montag, 7. November 2011

History wird gemacht

„Knopp: Das sehe ich anders. Als ich damit begann, gab es einen Aufschrei in den Feuilletons. Aber mittlerweile ist Reenactment akzeptiert und als notwendig erkannt. Es gibt dazu keine Alternative.“[1]
Guido Knopp ist der, von dem es heißt, seine Fernsehfilme ließen sich ertragen, solange er nicht selbst auf dem Bildschirm erscheint. Ich ertrage sie allerdings schon deshalb nur schwer, weil sie „History“ heißen. Herr Knopp, Sie können mit mir ruhig deutsch reden; was „Geschichte“ bedeutet, weiß ich auch ohne englische Übersetzung. – Ganz großen Verdruß bereitet mir die Politikerphrase „Es gibt dazu keine Alternative“. Nicht nur eine gibt es, sondern viele, wie immer, wenn sie so reden. Sie mögen sie nur nicht.

Sonntag, 6. November 2011

Wikipedia-Definitionen


Manchmal vertiefen Wikipedia-Definitionen das Verständnis der definierten Sache, das man vorher schon hatte, nicht sonderlich: „Ein Manager ist eine Person, die Managementaufgaben in einer Organisation (Unternehmen) wahrnimmt. .... Führung ist ein Teilbereich des Managements, folglich benötigen Manager vor allem Managementkompetenzen, während Führungskräfte insbesondere über Führungskompetenzen verfügen müssen.“ [1]
Unerwartet ist in diesen Sätzen nur „folglich“. Vertieft hat gerade das mein Verständnis aber nicht, es ist einfach falsch.

Freitag, 4. November 2011

Ausschluß eingeschlossen

„Weniger der Ausschluss aus der Institution als die Ausgestaltung der institutionellen Inklusion ist heute für den Verlust von realer Teilhabe entscheidend.“[1]
Nach gründlicher Überlegung und sorgfältiger Erforschung des Kontexts resp. Umfelds (oder heißt’s Umgriffs?) kam ich zu dem Ergebnis, daß uns damit etwa folgendes gesagt werden soll: 
Wenn aus einem nichts wird, pflegt das heute weniger daran zu liegen, daß er in die besseren Schulen nicht hineingelassen wird, sondern eher daran, daß man ihm in diesen nichts Rechtes beibringt.


[1] Kronauer , DIE Forum Weiterbildung 2007 in http://www.die-bonn.de/doks/kronauer0701.pdf

Mittwoch, 2. November 2011

Konsequente Kleinschreibung

Die Kleinschreiber – im Internet wimmelt es von ihnen, im wirklichen Leben sind sie noch relativ selten – bereiten mir Mühe. Man muß gar nicht an den Klassiker erinnern (den armen vögeln helfen). Auch an ganz einfachen Dingen des täglichen Lebens sieht man, was alles durcheinandergerät, wenn man den Unterschied zwischen Groß und Klein einschleift. Daß frische Leberwurst etwas ganz anderes ist als Frische Leberwurst, weiß man spätestens, wenn man eine verdorbene Frische Leberwurst gegessen hat.

Dienstag, 1. November 2011

Kommunistisches Manifest – verbesserte Auflage

„Im 2003 vom Hessischen Sozialministerium entwickelten Rahmenkonzept zur Verbesserung der Betreuung jüngerer Menschen mit Behinderung sowie chronisch Kranker in Altenpflegeheimen heißt es dazu, dass zum einen für Menschen mit Behinderungen, die bereits in Pflegeheimen leben, personenzentrierte Angebote und separate Wohngruppen zu bilden sind, und zum anderen je nach Wunsch und Bedarf ein selbstbestimmter und freiwilliger Umzug nach ihren Vorstellungen und Bedarfen in eine selbstgewählte Wohnform der Behindertenhilfe umgehend ermöglicht werden soll.“[1]
Man sollte die bekannte Marx’sche Definition des Kommunismus zeitgemäß umformulieren: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedarfen.





[1] Modellprojekt „Selbstbestimmt wohnen im Alter – Gestaltung sozialer Infrastruktur für Menschen mit Behinderung angesichts demografischer Herausforderungen“. Evangelische Akademie Hofgeismar, Zweiter Meilensteinbericht. http://www.ekkw.de/akademie.hofgeismar/Projekt/Zweiter%20Meilensteinbericht.pdf (8.9.2010).