Donnerstag, 30. Juli 2015

Läßliche Sünden

In dem Blog Kompetenzteam für schöne und schlimme Wörter wird „läßlich“ unter den schlimmen Wörtern geführt.[1] 

Da muß man Einspruch erheben (für die Jüngeren unter Ihnen: Da ist Einspruch angesagt). Das Wort läßlich ist durch eine lange Tradition geheiligt und, auch wenn es das ursprünglich nicht gewesen sein sollte, dadurch schön geworden. Seit wer weiß wann gibt es in der katholischen Kirche läßliche Sünden. Eine solche ist z. B., wenn ein Hirte sich an einem minderjährigen Schäfchen vergeht. Eine nicht-läßliche ist dagegen, wenn zwei erwachsene Schafe es miteinander treiben (für die Jüngeren unter Ihnen: Sex haben), ohne vorher den Segen des Hirten einzuholen.






Sonntag, 26. Juli 2015

Ästhetischer Herzensbrecher

„Der triviale Filmtitel ist irreführend: ‚Herzensbrecher’ von und mit dem Regiewunderkind Xavier Dolan erzählt in moderner Ästhetik von einer Affäre zu dritt.“[1]

Wenn also in moderner Ästhetik etwas erzählt wird und es noch dazu um eine Affäre zu dritt geht, dann kann das nicht trivial sein und schon gar nicht „Herzensbrecher“ heißen, weil so einer per se etwas ganz Triviales ist. Das scheint mir ein gewagter Schluß. Was mich von dieser Behauptung überzeugen könnte, wäre der Glaube an das Regiewunderkind. Aber der fehlt mir leider.






[1] http://www.zeit.de/kultur/2011-07/film-herzensbrecher-dolan

Freitag, 24. Juli 2015

Bitte mehr Gelassenheit

Vor einigen Jahren hatten wir schon einen ähnlichen Fall. Damals ging es um die Kampftauglichkeit deutscher Soldaten in Afghanistan[1], jetzt geht es darum, was die Abschiebebehörden anrichten:
„Ehsan Jafary hatte nach seiner Abschiebung Anspruch auf Unterkunft und Betreuung. In der Praxis werden Jugendliche wie er allein gelassen.“[2]
Es kommt schon vor, daß Jugendliche, wenn sie alleingelassen werden, gelassen werden, aber es kann auch anders kommen, manchmal drehen sie dann erst richtig auf.



[1] Siehe ...
[2] taz 2.1.12

Donnerstag, 23. Juli 2015

Und über

„Streit um ivorische Massaker“, lautete eine Überschrift in der taz[1]. Wie er wohl ausging? Wer wird die Massaker am Ende bekommen haben?





[1] 5. April 2011

Das Wesen des Journalismus

„Die wohl überraschendste These des Medienwissenschaftlers Hans-Jürgen Arlt und des Publizisten Wolfgang Storz ist, dass es sich bei der Bild gar nicht um ein journalistisches Produkt handelt. Um journalistischen Mindeststandards zu genügen, müsste die Bild nicht nur journalistisch arbeiten, sondern zunächst einmal überhaupt den Vorsatz haben, den Leser zu informieren. Das ist bei der Bild aber gerade nicht der Fall.“[1]
In der Tat, das überrascht. Ist doch, seit vor hundert Jahren Karl Kraus das Wesen des Journalismus aufgedeckt hat, kein einigermaßen ernstzunehmender Mensch mehr auf den Gedanken gekommen, es könnte darin liegen, den Leser informieren zu wollen.

Mittwoch, 22. Juli 2015

Schwieriger und schwerer Fall

Herr Professor U. E. aus Mainz schreibt mir:[1]

„Eurosport, Leichtathletikübertragung[2], hinsichtlich eines etwas groß geratenen Speerwerfers: ‚Die Koordination fällt dann immer schwieriger’.“

Aber wenn sie nicht klappt, die Koordination, vielleicht weil sie allzu schwierig fällt, dann fällt der Werfer schwer.



[1] 1.6.2011
[2] 31. 5. 2011

Dienstag, 21. Juli 2015

Bilder, „Bilder“ und sogenannte „Bilder“

„...die Frömmigkeit, mit der wir RezipientInnen alle geschlossen vor den sogenannten „Bildern“ in die Knie gehen ...“, schrieb die taz in einer Filmkritik.[1]
Es geht um richtige, und zwar um sich bewegende Bilder, um einen Film halt. Im folgenden Text schreibt der Autor (für die taz-Macher und -Leser: die AutorIn) denn auch immer von Bildern, ohne Anführungszeichen und ohne „sogenannte“ davorzusetzen. Ja, er tut auch im Zitat im Grunde nichts anderes, denn sogenannte „Bilder“ sind einfach Bilder, „sogenannte“ und Anführungszeichen heben einander auf. Er hat also wohl erst Bilder in Anführungszeichen gesetzt, dann aber gemerkt, daß das falsch ist, weil es ja Bilder sind und nicht sogenannte Bilder, und darum den Fehler durch „sogenannte“ wieder gelöscht. Das hätte er auch einfacher haben können.




[1] am 15.6.2011

Montag, 20. Juli 2015

Wowereit der Prophet

Die deutsche Sprache ist gewiß, wie die in diesem Blog kommentierten Beispiele Woche für Woche zeigen, schwer, aber einige meistern sie. Dazu gehören zumindest manchmal die Überschriftenschreiber des Tagesspiegel.
„Wowereit: Berlin wird Europas Metropole“, lautet eine Hauptüberschrift.[1] Gutgläubige Leser wie ich und die meisten anderen verstehen das als Vorhersage und staunen. DIE Metropole Europas wird Berlin, meint Wowereit? Also vor Paris und London? Da stand Berlin ja nicht einmal in den zwanziger Jahren. Man hält den Bürgermeister für einen Aufschneider. Will uns der Tagespiegel mitteilen, daß er einer ist und ihm damit schaden oder will er ihn beim Aufschneiden unterstützen?
Oder hat Wowereit gute Gründe für seine Prophezeiung? Lesen wir im Artikel nach: „Berlin soll sich zur ‚zukunftsfähigsten Metropole Europas’ mit einer starken Wirtschaft, Toleranz, fairen Löhnen und sozialem Zusammenhalt entwickeln, hat der Regierende Bürgermeister in seiner Regierungserklärung betont.“ Also Berlin wird nicht die Metropole Europas, sondern nur eine, vielleicht eine unter vielen, also das, was die Stadt schon ist. Und sie wird das gar nicht – bzw. das wissen wir nicht –, sondern sie soll es nur werden. Allerdings soll Berlin die zukunftsfähigste unter den Metropolen werden. Das kann man nur so lesen: Alle anderen haben, verglichen mit Berlin jedenfalls, keine Zukunft, sind also bald keine Metropolen mehr, verglichen mit Berlin jedenfalls; auch Paris und London. Also bleibt nur Berlin übrig. Wir sind wieder da, wo wir schon waren. Auch wenn es nicht ganz ausgeschlossen ist, daß Berlin es zu einer starken Wirtschaft, zu Toleranz, fairen Löhnen und sozialem Zusammenhalt bringt (was das, die starke Wirtschaft vielleicht ausgenommen, mit „Zukunftsfähigkeit“ zu tun haben soll, bleibt dunkel): daß die Stadt es irgendwie dazu bringen könnte, hinsichtlich der Eigenschaften, die eine Metropole ausmachen, Paris und London zu überholen, glaubt man dem Herrn Wowereit auch dann nicht, wenn er uns seinen Plan erzählt, es auf dem Weg über die Zukunftsfähigkeit zu erreichen, und hält ihn einen falschen Propheten.
Aber das ist er gar nicht. Denn er hat, wie gesagt, nur gesagt, daß sie sich zur „zukunftsfähigsten Metropole Europas“ entwickeln soll, daß er das gerne möchte oder daß er andere anweist, in diese Richtung zu wirken. Haben wir also den Tagesspiegel der Lüge überführt, weil er ihn als Propheten darstellt, wo der Satz doch gar nicht als Prophezeiung gemeint sein muß? Dies auch nicht, die Überschrift sagt nichts anderes als das, was im Artikel als die eigene Aussage des Bürgermeisters zitiert wird. Denn „Berlin wird Europas Metropole“ muß ja nicht als Vorhersage gelesen werden, das tun ja nur wir Leser in unserer Beschränktheit. „Ihr geht jetzt sofort schlafen!“ ist ja auch keine, sondern ein – meist frommer – Wunsch, als Befehl formuliert. Auch in der Überschrift wird nur behauptet, daß der Bürgermeister sich wünscht, daß Berlin die Metropole Europas wird, und das ist sicher richtig. Vermutlich wünschen sich das der Bürgermeister von München und der von Düsseldorf auch, ohne es doch prophezeien zu wollen. Jedenfalls bleibt es dabei: Daß der Tagesspiegel ein seriöses Blatt ist, ist nicht zu widerlegen.




[1] 13.1.2012


Sonntag, 19. Juli 2015

Katholiken mal wieder dagegen

„Katholische Kirche gegen Wahlergebnis“, schreibt die taz.[1]
Das ging mir auch schon oft so, genau genommen sogar meist; mir wäre in der Regel ein anderes lieber gewesen. Aber etwas komisch ist die Formulierung „ich bin gegen das Ergebnis“ schon. Kann man wirklich sagen, ich bin gegen das Ergebnis, wenn es mir nicht recht ist? Ich hab’ was dagegen, daß Bayern gewinnt, aber bin ich dagegen, daß Bayern gewonnen hat? Im Kongo, wo die katholische Kirche gegen das Wahlergebnis ist, ist's allerdings ein wenig anders. Ob ihr das Ergebnis recht ist oder nicht, erfährt man in dem Artikel gar nicht. Sie hält die Art, wie es zustandegekommen ist, für unrechtmäßig. Wenn man das weiß, kommt einem die Formulierung noch seltsamer vor.





[1] 14.1.12

Samstag, 18. Juli 2015

Zurückfahren durch zurückführen

Wir sind uns einig, daß wir den Antibiotikaeinsatz in der Massentierhaltung weiter zurückführen müssen", sagte ein Sprecher des Bundesverbraucherschutzministeriums im Heute-Journal.[1]

Erst wollte er, wie es in seinen Kreisen seit einiger Zeit üblich geworden ist, „zurückfahren“ sagen. Aber dann hat er wohl hier bei Deutsche Sprak nachgelesen und erfahren, daß sich das etwas idiotisch anhört. So richtig gelungen ist ihm die Alternative allerdings nicht. Zurückführen auf was oder wohin, möchte man doch gern wissen.






[1] 8.1.2012


Mittwoch, 1. Juli 2015

Schöpfer Himmels und der Erden

„Als Künstler werden heute meist die in der Bildenden Kunst, der Angewandten Kunst, der Darstellenden Kunst sowie der Literatur und der Musik kreativ tätigen Menschen bezeichnet, die Kunstwerke schaffen.“ (Wikipedia, 14.1.12)
Ein Zirkel muß das nicht sein. Es wäre ja möglich, daß „Kunstwerk“ nicht definiert wird als das, was Künstler schaffen, sondern unabhängig vom Begriff des Künstlers. Bewundernswert ist aber, daß es unser Autor geschafft hat, das Wort „kreativ“ unterzubringen, um dem Zeitgeist oder der Pflicht zu modischem Geschwätz Genüge zu tun. Immer häufiger findet man in letzter Zeit „die Kreativen“ als Synonym für „die Künstler“. Nun gibt es aber zugleich, und in rasender Zunahme begriffen, auch andere Kreative, z. B. die kreativen Wilden (die kommen in NRW vor, haben irgendwas mit Politik zu tun), die kreativen Strolche, die kreativen Botschafter, die kreativen Spezialisten mit guter Laune, die kreativen Mitdenker, die kreativen Zerstörer, und zwar im Manager-Magazin, und sogar kreative Industrien gibt es, was vielleicht ein neues Wort für Kulturindustrie ist und in diesem Fall mit Künstlern nichts zu tun haben kann, wie man seit Adorno weiß. Vor 50 Jahren gab es in Bayreuth (ich lebte damals dort) gar keine Kreativen, wenn ich mich richtig erinnere, zumindest ist mir keiner aufgefallen. Jetzt wimmelt es nur so von ihnen.
Ursprünglich wurde der Begriff Kreativität als Bezeichnung für alle Arten von schöpferischer Tätigkeit verwendet.“ (Wikipedia, Stichwort Kreativität) Heute nicht mehr, denn Kreativität besteht in der Neukombination von Informationen“ (ebd.), so daß also beispielsweise auch ein Journalist kreativ genannt werden könnte, und das wird ja doch keiner wollen.

Übrigens: „schöpferisch“ habe ich mit „Google“ ca. 390.000 mal gefunden, kreativ ca. 37 Millionen mal. Wahrscheinlich mag man „schöpferisch“ nicht mehr sagen, damit man nicht in den Verdacht gerät, ein religiöser Mensch, der an den Schöpfer glaubt, zu sein, denn das gilt ja irgendwie als old-school oder old-fashioned oder so ähnlich. Daß creator auch in der Bibel steht und Schöpfer heißt, scheint man vergessen zu haben.