Montag, 31. Januar 2011

Menschseinwürde

„Das Geld hat das Menschsein verändert. Frieda Nembaya (l. o.) wurde Bäckerin, es gibt mehrere Fernseher (l. u.) und die Menschen in Otijvero haben wieder Motivation und Würde (r. u.)“. So lautet eine Bildunterschrift in der taz vom 31.3.2010. Frau Nembaya sieht man also l. o., l. u. ein Ehepaar mit einem Fernseher, r. u. einen Platz in einer Wellblechhüttensiedlung mit einigen Menschen und einer Nähmaschine.
Die Leute wären vermutlich schon zufrieden gewesen, wenn das Geld gereicht hätte, ihr Leben zu verändern, es hätte nicht gleich ihr Menschsein sein müssen. Nicht ganz leicht zu erkennen ist, was die taz mit Würde meint. Klar ist: Man hat nicht automatisch eine Würde, wenn man Bäckerin wird, einen oder mehrere Fernseher hat und eine Motivation, denn sonst wäre die Würde nicht zusätzlich zu all dem erwähnt worden. In welchem Verhältnis stehen Geld und Würde? Jedenfalls haben die Menschen die Würde wieder, seit sie Geld haben. Sie hatten sie also schon einmal, das steht da ausdrücklich. Haben sie sie vielleicht zurück gekauft? Nun schreibt bekanntlich Kant, daß alles entweder einen Preis hat oder eine Würde, und daß das, was über allen Preis erhaben ist, eine Würde hat. Was Würde hat, ist also für Geld nicht zu haben. Damit ist aber noch nicht geklärt, ob die Würde selbst einen Preis hat und käuflich erworben werden kann.
Vielleicht löst sich das Rätsel ja so: Weil in der Bildunterschrift von Menschen und Menschsein die Rede ist, glaubt man, es müsse sich um die Menschenwürde handeln, und von der kann man sich nicht so recht vorstellen, daß sie gegen Bezahlung erhältlich ist. Aber vielleicht irrt man sich. Es gibt ja auch andere Sorten von Würde, z. B. die Amtswürde, und die kann man sicher in dem einen oder anderen Fall für Geld erwerben. Zwar machen die Menschen auf dem Bild nicht den Eindruck, als hätten sie sich eben den Titel eines Kommerzienrats oder einer Kammergerichtspräsidentin gekauft. Aber vielleicht bekam die Frau, als sie die Nähmaschine erstand, nicht etwa Rabattmarken oder Treueherzen dazu wie bei Tengelmann, sondern die Würde einer verdienten Näherin des Volkes, oder etwas Ähnliches. Das könnte man sich schon vorstellen.


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