Im Fernsehen hörte ich vor geraumer Zeit einen Berliner Bildungssenator sagen, daß man irgend etwas im Bildungswesen nicht mehr tun sollte, dafür etwas anderes, denn „das macht Sinn“. Nun wußte der Senator natürlich – er war ja ein Bildungssenator –, daß „das macht Sinn“ falsch ist. Es ist nicht deutsch, sondern wörtlich übersetztes Englisch. Wörtlich übersetzen darf man nur, wenn das, was herauskommt, deutsch ist. „It doesn’t make sense“ heißt auf deutsch nicht „es tut nicht machen Sinn“ und auch nicht „es macht keinen Sinn“, sondern „es hat keinen Sinn“ oder „es ergibt keinen Sinn“ oder auch „es ist unvernünftig“ oder „sinnlos“. Unsinn kann man machen, Sinn aber nicht; es sei denn, man hätte sogenannte Sinnproduzenten im Sinn, die „machen“ – wenn das auch etwas ungeschickt ausgedrückt ist – definitionsgemäß Sinn.
Was also hatte der Bildungssenator im Sinn? Ich vermute, folgendes: Ihm machte das schlechte Abschneiden Deutschlands beim PISA-Test Kummer, gerade was die sprachlichen Fähigkeiten angeht, und das liegt ja bekanntlich auch daran, daß viele Einwandererkinder große Mühe mit dem Deutschen haben. Nun dürfte „isch fahr nach Türkei“ daher kommen, daß im Türkischen an der entsprechenden Stelle kein Artikel steht und man halt wörtlich übersetzt. Auch das beliebte „Isch schlag disch Urban“ (Urban heißt ein Krankenhaus im Berliner Bezirk Kreuzberg) kommt wohl auf ähnliche Weise zustande. Und nun hat sich der Herr Bildungssenator gedacht: Wenn wir einfach beschließen, „isch fahr nach Türkei“ usw. sei korrektes Deutsch, dann müßte doch der nächste PISA-Test weniger blamabel ausfallen.
Und da hat er halt mit „das macht Sinn“ schon mal angefangen, die deutschstämmigen Berliner, deren Mehrheit das seit etwa 20 Jahren nicht mehr falsch vorkommt, behutsam auf die Maßnahme vorzubereiten. Dieser Senator ist inzwischen durch einen anderen ersetzt worden. Eigentlich schade, das hätte etwas werden können.
5 Kommentare:
Nun ja. Das Argument, daß man Sinn nicht machen könne, gehört nicht zu den allerbesten. In einigen Fällen ist es auch möglich, daß etwas "Schule macht". Ich stimme zu: In den meisten Fällen ist die Floskel fehl am Platz. Wenn aber tatsächlich ausgedrückt werden soll, daß etwas Sinn stiftet (z. B. eine Religion, eine philosophische Ausrichtung), dann würde ich nicht vor der Verwendung zurückschrecken.
Dierk Haasis hat auf http://sprachlog.posterous.com/taboobruche
in einer Antwort auf mich folgenden Kommentar geschrieben: „.. ohnehin hat keine Sache einen Sinn in sich, er muss immer gemacht werden.“
Da irrt er, zumindest ist es weit komplizierter. Unsinn kann man machen, Sinn aber nicht. Dem Unsinn, den man machen kann, steht nicht Sinn gegenüber, sondern „etwas Sinnvolles“. „Sinn machen“ ist nicht etwa nur deshalb falsch, weil es im Deutschen zufälligerweise nicht vorkommt – was sich eben zu ändern beginnt, denn der Sinn dafür beginnt zu schwinden, daß das wörtlich und falsch übersetztes Englisch ist –, sondern weil es dem Sinn des Begriffs Sinn zuwider ist, daß Sinn gemacht werden könnte. Sinn hat etwas nur in Bezug auf ein vorausgesetztes Ganzes, d. h. auf etwas, das für denjenigen, der etwas Sinnvolles macht, immer schon vorhanden sein muß. Den Sinn, den etwas hat oder ergibt, macht er nicht. Er ist vielmehr etwas, von dem er annehmen muß, daß es unabhängig von ihm besteht und in Relation auf welches das Sinnvolle oder Unsinnige steht, das er macht.
Nun wird wohl xxx etwas anderes meinen: Die Sinnsysteme werden von Menschen gemacht. Religiöse Lehren z. B., in deren Rahmen man dann bestimmen kann, ob etwas sinnvoll ist, haben Menschen ausgeklügelt, also gemacht, oder sie sind ihnen ohne großes Nachdenken in den Sinn gekommen, und da könnte man zur Not auch noch von machen sprechen. Aber Sinnsysteme, in diesem Sinn verstanden, sind etwas anderes als Sinn. Auch wenn der jeweilige Sinn nur Produkt des Machens der Sinnsystemmacher sein mag: In den Sinnsystemen geht man notwendig davon aus – sonst wäre es sinnlos, welche zu machen –, daß man mit dem System, das man da gemacht hat, den Sinn, von dem man annimmt, daß er unabhängig von allem besteht, was wir machen können, getroffen hat.
Darum ist das „Sinn machen“ nicht allein ein sprachliches Problem der Art, wie es beim Sprachwandel üblicherweise auftritt: Ein Fehler breitet sich aus und ist nach einiger Zeit so gewöhnlich geworden, daß er nicht mehr als Fehler empfunden wird, und wenn auch die mit empfindlicheren Nerven Ausgestatteten nicht mehr zusammenzucken, dann ist er kein Fehler mehr. Sondern „Sinn machen“ wird auch dann, wenn man nicht mehr von einem sprachlichen Fehler sprechen kann, ein Ärgernis bleiben – wie es ja häufiger der Fall ist, z. B. wenn in einer Sprache ein fundamentaler Unterschied (wie schlecht – böse, heaven – sky) nicht mehr einfach durch zwei verschiedene Wörter ausgedrückt werden kann, diese vielmehr in einem verschmolzen sind.
"Sinn machen" ist mittlerweile deutsch. Es wirkt jedoch umgangssprachlich, im Gegensatz zu "Sinn ergeben" und auch zu "Sinn haben". Wer sich also gerne "gewählt" ausdrückt, hat hier wieder eine schöne Möglichkeit mehr, sich von dem gemeinen Volk abzugrenzen.
Sprache ist lebendig und verändert sich. Auch das Grundgerüst einer Sprache, das man als "einzig richtig" emfindet, ist nicht Vollkommen oder vor Veränderungen sicher.
Daß sie sich verändert, ist richtig. Daß man wegen dieses Faktums gut finden soll, was im Zuge der Veränderung entsteht, nennt man Sein-Sollens-Fehlschluß. Daß die Sprache sich verändert, ist weder ein Argument dafür, für das Neue zu sein, noch dafür, beim Alten zu bleiben.
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