Sonntag, 3. April 2011

Spaßtragödie

„Viel Spaß bei der Aufführung“ wünscht einer, der Karten für Die Lustigen Weiber von Windsor loswerden will.[1] Da tut er völlig recht, so gehört es sich. „Viel Spass auf den Festspielen“ wünscht festivalvorverkauf.com/Salzburger-Festspiele.[2] Das geht auch noch, denn die Salzburger Festspiele sind ja nach verbreiteter Meinung eher ein Funevent als ein Kulturereignis.
Kritischer wird’s schon in Bayreuth. Dort geht es in unergründliche Tiefen und hoch her nur im regierenden Clan, und man muß zumindest vor sich und anderen den Eindruck erwecken, man sei vom Weltendrama ergriffen; wem es dort Spaß macht, der sollte besser gleich nach Hause fahren. Aber auch in Bayreuth – ich hab’s erlebt – kann es passieren, daß einem die Türsteherinnen „viel Spaß“ wünschen. Wundern muß man sich darüber nicht. Die sind sehr jung und stehen noch ganz unter dem Eindruck des nach den neuesten Erkenntnissen der Erziehungswissenschaft zugerichteten Schulwesens. In diesem wird einem mit Hilfe von Unterrichtsmaterialien zu „Der Ring des Nibelungen“ folgendes beigebracht: „Und am Wichtigsten ist, viel Spaß zu haben!“[3]
Doch selbst das kann man noch durchgehen lassen, denn nach Auffassung großer Wagner-Kenner – der auf diesen Seiten schon mehrfach lobend erwähnte Eckhard Henscheid ist hier zu nennen – sind die Bühnenweihspiele in Wirklichkeit lustig. Wolfgang Wagner, der sie über ein halbes Jahrhundert beherrschte, wollte, das ist so der Patriarchen Art, davon nichts wissen. Aber seine beiden Töchter – die neuen Leiterinnen – haben es begriffen. Sie fangen, was uns sehr für sie einnimmt, bescheiden auf dem alleruntersten Niveau des Spaßgewerbes an und nennen den Internetauftritt ihres neuen Unterstützervereins wir-sind-festspiele.de.
Schlimm wird es aber jetzt: „Viel Spass beim Lesen!“ gibt einem der Rezensent einer Neuausgabe des Faust, der Tragödie erster Teil auf den Weg.[4] Und nicht nur er. Abertausende von Treffern erhält man, wenn man bei Google nach Verbindungen von Viel-Spaß-Wünschen und diesem Werk sucht. Die allgemeine Verwirrung ist auf ihrem Siedepunkt angekommen (falls Verwirrungen sieden können). Den Sinn des Wortes Spaß hat man ebenso vergessen wie den Sinn einer Tragödie. Eine Computerfirma fordert uns auf: „Verändern Sie Ihren Video-Chat in Echtzeit mit lustigen Spaßeffekten und erstaunlichen Hintergrundeffekten, die den Spaßfaktor von Photo Both mit Videokonferenzen vereinen.“ (Willkommen bei iChat) Abgesehen von allerlei, unter anderem davon, daß man offensichtlich keine Ahnung mehr hat, was das Wort Effekt bedeutet (oben genannter R. Wagner hat es definiert als „Wirkung ohne Ursache“; unter einem Spaßeffekt könnte man sich also, wenn auch mit einiger Mühe, vielleicht ein unmotiviertes Gekicher vorstellen, wie es bei Mädchen im Backfischalter häufiger vorkommt) – abgesehen von allerlei also: Man ist offenbar der Meinung, daß es außer lustigen Spaßeffekten auch andere gibt, z. B. traurige.
Was den Sinn des Wortes Spaß angeht: Der Thesaurus im Word-Programm nennt nur zwei Synonyme: Possen und Narretei. Das ist zwar gewiß nicht ganz vollständig, kommt aber den Kern der Sache nahe, und vor allem legt es den Gedanken nahe, daß man die heutige Gesellschaft unter Verwendung eines Synonyms für das Wort, mit dem sie sich selbst so gerne bezeichnet, am besten eine Narretei-Gesellschaft nennt.

2 Kommentare:

Hartmut hat gesagt…

In so 1 Sprachblok dürfen aber keine solche Feeler vorkommen, gell.

(kommt den Kern nahe)

Ludwig Trepl hat gesagt…

Welcher Fehler denn? Für solche Aufklärung bin ich immer dankbar.