Forscher waren einst hochangesehene Leute.[1] Sie durchsegelten die Südsee auf der Suche nach paradiesischen Inseln, besiegten Pest und Cholera, gruben Troja aus oder fanden die Formel E = mc2. Staatsmänner, Künstler und Feldherren mußten sich anstrengen, um mithalten zu können im edlen Wettstreit um ewigen Ruhm. "Böt' mir der König seine Krone / Ich dürfte sie mit Recht verschmäh'n". Da hat der Dichter vermutlich – Gralsrittern begegnete man zu seiner Zeit ja kaum mehr – einen Forscher vor Augen gehabt. In den letzten Jahren hat der Ruf der Forscher allerdings ziemlich gelitten.
Das kommt daher, daß sie nicht aufgepaßt haben, als in ihren Reihen Branchen aufkamen wie die Akzeptanzforschung und die Trendforschung (von der Usabilityforschung reden wir lieber gar nicht). Die Akzeptanzforschung ist eine Abteilung des Reklameunwesens. Im wesentlichen beschäftigt sie sich damit, Tricks auszutüfteln, mit denen Dinge, die nicht nur keiner haben will, sondern die man sogar in der Regel mit aller Gewalt von sich wegschiebt, doch noch an den Mann zu bringen sind, z. B. Atomkraftwerke oder Sondermüllkippen oder Nationalparks. Die Verachtung, die der Reklame im allgemeinen entgegenschlägt, jedenfalls wenn man sie so nennt und nicht z. B. Marketing, trifft auch diese ihre Abteilung, und schade ist's darum nicht.
Nicht ganz so verhält es sich mit der Trendforschung. Auf sie überträgt sich eine andere Art der Geringschätzung, nämlich die, unter der ihre Vorgängerdisziplin zu leiden hatte, bevor das Gewerbe akademisiert wurde. Die Vorgängerinnen der Trendforscher gehörten meist zum fahrenden Volk, und unter diesem war nichts mehr. Politisch korrekt ist diese Verachtung heutzutage natürlich ganz und gar nicht. Im Gegenteil, die allgemeine Demokratisierung hat sonst allenthalben dazu geführt, daß man sich seiner niederen Herkunft nicht schämt und sich im Gegenteil dafür entschuldigt, daß der Urgroßvater Rittergutsbesitzer war. Unangenehm ist, daß man selbst Studiendirektor ist und nicht mehr wie die Vorfahren Kutscher oder Köhler.
Eine solch tiefe Kluft trennt allerdings die früheren Wahrsagerinnen und die heutigen Wahrsager nicht. Zwar sind letztere größtenteils männlich und gehören nur selten, wenn überhaupt je, dem Volk der Sinti und Roma an. Hinsichtlich der Art der Prognosen und ihrer Präzision aber ist kaum ein Unterschied auszumachen.
Zum Beispiel:
Trendforscherinnen der alten Art:
„Es sieht ganz so aus, als ob Sie im Jahr 2010 Ihrer Karriere recht spürbar auf die Sprünge helfen können. Uranus gibt jedenfalls grünes Licht für neue Vorhaben und Projekte, und Pluto verleiht Ihnen Durchsetzungsvermögen und den nötigen Biss. Speziell im Frühsommer können Sie mit Saturns Unterstützung Nägel mit Köpfen machen und dafür sorgen, dass Erfolge keine Eintagsfliegen, sondern von Dauer sind. Lediglich eines müssen Sie ein wenig im Zaum halten. Und zwar Ihren ausgeprägten Ehrgeiz, der bis Jahresmitte leicht in blinden Eifer ausarten kann.[2]
Trendforscher der neuen Art:
„ManComm sieht für Christian Wulff im Jahr 2010 diese Entwicklungs- und Ereignistrends:
Neue Ideen, neue Interessen, neue Beschäftigungen und/oder Tätiqkeiten können Bedeutung erlangen.
Ein Jahr der Dynamik und markanter Ereignisse, die Erfolg aber auch Misserfolg sein können. Logisches Denken, genaues Überlegen und Zähigkeit helfen weiter. Nutzen guter Beratung und Wirklichkeitsnähe führen zum Erfolg. Zu starke Emotionalität und Sentimentalität vermeiden.“[3]
[1] Das Problem, dem wir uns heute widmen, hat, wenigstens auf den ersten Blick, wenig mit Schwierigkeiten beim Sprechen der deutschen Sprache zu tun, mit der allgemeinen zerebralen Zerbröselung aber schon.
1 Kommentar:
In hoc loco?
"... allgemein[en] zerebrale[n] Zerbröselung (...)"
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