In der taz vom 31. August 2011 steht ein von einem „Mitbegründer und Gesellschafter der Teach First Deutschland GmbH“ und Angehörigen der „Educational-Entrepreneurship-Bewegung“ verfaßter Artikel, der das Buch eines Bertelsmann-Vorstandsmitglieds bespricht und lobt.
Der Buchautor wird als der „Immer-noch-Jungstar der Bildungsszene“ vorgestellt. Ich interessiere mich seit langem für Fragen der Bildung, habe dazu eigens Schriften Wilhelm von Humboldts und Schellings studiert und meinte, mich einigermaßen auszukennen. So glaubte ich, mit allen, die sich auch auskennen, daß es die Stiftung der Firma Bertelsmann war, die die Hauptarbeit dabei geleistet hat, an den Universitäten Bildung durch Ausbildung zu ersetzen, also abzuschaffen. Wie ich nun sehe, war ich im Irrtum. Nicht nur, daß Bertelsmann einen Experten, ach was, einen Star auf dem Gebiet der Bildung vorzeigen kann: Mit der Bildung sind wir keineswegs am Ende, im Gegenteil, da grünt’s und blüht’s derart, daß das bisherige Vokabular nicht mehr ausreicht, um zu beschreiben, was da abgeht. In dem halbseitigen taz-Artikel findet man:
Bildungsszene, Bildungsstandort, Bildungsarmut (3 mal), Bildungsrepublik (3 mal), sogenannte Bildungsrepublik (2 mal), Bildungssystem (3 mal), Bildungspaket, Bildungspolitik, Bildungsunternehmungen, Bildungskrise, Bildungsmanager, Bildungsetat, Bildungsrendite, Bildungsverlierer, Bildungsunternehmer (2 mal), Bildungsunternehmen, Bildungswesen, Bildungsbücher, Bildungspanik, Bildungslandschaft.
Etwa die Hälfte dieser Wörter las ich zum ersten Mal. Bei manchen kann ich mir denken, was sie bedeuten, bei anderen bleibt es auch nach längerem Nachdenken dunkel. Was ist ein Bildungspaket? Ein Paket, das Jugendliche von besorgten Großeltern zu Weihnachten bekommen und das Werke von Goethe, Lessing und Hölderlin enthält? Also Bildungsbücher? Oder sind Bildungsbücher solche, die Bertelsmann-Vorstandsmitglieder, Angehörige der Educational-Entrepreneurship-Bewegung und Angestellte der Teach First Deutschland GmbH zum Thema Bildung schreiben? Und was ist Bildungspanik? Die Panik, die einen Gebildeten erfaßt, wenn er die heutige Bildungslandschaft betrachtet? Oder die Panik, die jemanden befällt, dem der Verdacht kommt, ihm mangle es an Bildung und das könnte dazu führen, daß er mit einem geringen Einkommen vorlieb nehmen muß? Wäre das, was ihm dann an Geld fehlt, wenn er es hätte, die Bildungsrendite? Und was ist eine Bildungsunternehmung? Wenn ich es unternehme, dem Enkel ein Bildungspaket zu schicken – ist das eine solche Unternehmung? Oder sind Schulen gemeint? Oder diese nur dann, denn sie zugleich Bildungsunternehmen sind, also gewinnorientierte Privatschulen?
Auffällig ist, daß in allen diesen Wörtern „Bildung“ vorne steht. Wörter, in denen es umgekehrt ist – wie in „Herzensbildung“ – kommen in dem Artikel kein einziges Mal vor. Können Sie sich das erklären?
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