„In der EARSandEYES Usabilityforschung untersuchen wir die Benutzbarkeit von Anwendungen.“ [1]
Welch ein Fund! Nie gekannte, in ihrer Präzision und Differenziertheit nicht einmal geahnte Begriffskunst! Benutzbarkeit von Anwendungen! Man wendet bestimmte Mittel an, um bestimmte Zwecke zu erreichen, z. B. Regenschirme, um trocken zu bleiben. Aber nicht die Benutzbarkeit des Regenschirms untersucht die Usabilityforschung, sondern die Benutzbarkeit seiner Anwendung. Vermutlich ist das Wort Hirntod ursprünglich für solche Fälle gedacht gewesen.
Doch nein, das war vorschnell. Die interessieren sich ja in der Tat nicht für die Benutzbarkeit der Regenschirme, sondern für die Benutzbarkeit zwar nicht der Anwendung, aber doch der Anwender von Regenschirmen, und zwar für die Zwecke der Gewinnmaximierung ihrer Auftraggeber. Man könnte statt Benutzbarkeit der Anwender allerdings auch Anwendbarkeit der Benutzer sagen.
Besonders freut mich aber, und zwar aus politischen Gründen, „EARSandEYES“. Die DDR ist doch nicht ganz so spurlos verschwunden, wie ich immer befürchtet hatte. Horch und Guck hieß „Die Firma“, also die Stasi, im Volksmund. Was die mit bekanntlich nur mäßigem Erfolg versucht hat, das „ist möglich mit unserer Trendforschung. Denn wir haben die zwei notwendigen Dinge: ein eigenes erprobtes Tool und viele Jahre Erfahrung.“ Lange Erfahrung hatte Die Firma allerdings auch, ein erprobtes Tool ebenfalls, wenn sie es auch nicht so nannte. Ja, das Tool der neuen Firma unterscheidet sich, wie man gleich sehen wird, fast gar nicht von dem der alten:
“Unser Tool: EARSandEYES – Reporter und Analysten in aller Welt. Etwa 500 aufmerksame Menschen in über 50 Metropolen. Von Rio de Janeiro bis Shanghai, von Stockholm bis Kapstadt. Von Neu Delhi bis Sydney. Die Analysten sind es, die für uns - auf Ihre Fragen abgestimmt - Informationen sammeln: Märkte beobachten, den Menschen zuhören und so ihre Wünsche und Bedürfnisse erkennen, Innovative Produkte, Dienstleistungen und Strategien reporten.“
„Unsere Art die Zukunft zu erfassen ist den Menschen zuzuhören und zuzusehen ... Intensive Insightforschung zeigt uns die Einflussfaktoren und Treiber in den Märkten“.[2]
Die subversiven Elemente und natürlich ganz besonders die Treiber und Antreiber und Aufwiegler auf den Marktplätzen durch intensive Insightforschung ausfindig zu machen, das war das primäre Ziel der Branche seit eh und je einschließlich der alten Horch & Guck. Was also ist der Unterschied? Der Personalbestand der letzteren war größer, man wird wohl von einer Verschlankung des Betriebs sprechen müssen und vielleicht überhaupt von zeitgemäßer lean production (siehe Schlankheitskur). Weltweit gearbeitet hat die alte Firma auch schon, hatte aber doch in ungleich stärkerem Maße ihren Schwerpunkt im östlichen Deutschland. Und die IM haben Bericht erstattet, die Usabilityforscher dagegen reporten. Sonst scheint’s mir so wie damals auch. Man hat sich immer gewundert, wo all die Leute nach der Wende untergekommen sind.
Das Defizit, das die alte Firma Horch & Guck verglichen mit der unter der englischen Übersetzung dieses Namens firmierenden neuen zweifellos hatte, liegt wahrscheinlich daran, daß bei der erstgenannten das Tool der Kundenzufriedenheitsforschung[3] noch etwas unentwickelt war. Horch & Guck ging von einer Hypothese aus, deren Unhaltbarkeit inzwischen erwiesen ist: daß die Zahl der verkauften Winkelemente (für die Jüngeren und die Westdeutschen unter Ihnen: Fähnchen) und die Zufriedenheit stark positiv korrelieren und sich darum jene als Indikator für diese benutzen ließe.
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