Dienstag, 15. Februar 2011

Umsetzen

„Usability praktisch umsetzen“ ist der Titel eines Buches von Sven Heinsen und Petra Vogt.
Das geht leider nicht. Die Polizei kann Autos umsetzen, nämlich abschleppen.[1] Auch der Autohändler kann Autos umsetzen, nämlich verkaufen und so seinen Umsatz steigern. Der Lehrer kann Schüler umsetzen. Er kann auch die Pläne des Bildungsministeriums zur Steigerung der Nutzbarkeit – das oder Ähnliches werden die Autoren wohl mit „Usability“ meinen – der Schüler für die Wirtschaft umsetzen, nämlich realisieren, aber nie und nimmer die Nutzbarkeit selbst.
Meister im Umsetzen sind nach meinem Eindruck die Grünen. Die Hamburger Schulsenatorin, die dieser Partei angehört, brachte es auf einer halben Zeitungsseite (taz, 2.8.2010) fertig, einen Großteil ihrer Vorstellungen, viele Verbesserungen, einen Teil ihrer Schulreform, das längere gemeinsame Lernen sowie eine klare Ansage (siehe Klare Ansage) umsetzen zu wollen. Ganz astrein ist das alles nicht, aber man will ja nicht so sein. Ganz schlechte Aussichten jedoch hat ein anderes Vorhaben der Grünen: „GRÜNE: Neue Schule umsetzen“, berichtet bsozd.com.[2] Vor Jahrzehnten, die Älteren werden sich erinnern, hatten wir einen mit Medaillen überhäuften Kraftsportler, den nannte man den Kran von Schifferstadt. Ihm wäre das vielleicht zuzutrauen gewesen. Aber den Grünen? Eine ganze Schule?
Ziemlich viel, meint die Zeit, hat man in der UN einst einer Kommission zugetraut: „Die UN-Nachhaltigkeitskommission sollte den einst wegweisenden Rio-Gipfel umsetzen helfen.“ Aber nun stellt sich heraus: „Heute droht sie in der Bedeutungslosigkeit zu versinken.“[3] Sie hat ja nur helfen sollen. Aber dann hat sie es offenbar allein versucht. Einen Gipfel! Das hätte ich ihr gleich sagen können, daß das nicht zu schaffen ist.
Überhaupt scheinen die Dinge, die unsere Politiker umsetzen wollen, vor allem unter dem Gesichtspunkt ausgewählt, daß sie schwer sind, denn nur das beeindruckt. Eben darum sucht die Vorsitzende einer CDU-Fraktion gar nicht lang rum und möchte gleich Schwerpunkte umsetzen: „Trotz der schwierigen Wirtschaftslage können wir in 2010 noch wichtige Schwerpunkte umsetzen“.[4] Schwerpunkte lassen sich aber nie und nimmer umsetzen, nur setzen. Auch „in“ 2010 ist das nicht anders.
Ganz anders als in den zitierten Fällen ist es im folgenden: Wie BR Klassik, der Klassiksender des Bayerischen Rundfunks, am 10.5.2010 meldete, wurde ein Stück einer chinesischen Komponistin „von allen Beteiligten überaus engagiert umgesetzt“. In der Komposition der Komponistin geht es um „albtraumhafte Kindheitserinnerungen“ derselben. Darum ist das Umsetzen des Stücks der Dame nicht nur technisch möglich, sondern auch künstlerisch-dramaturgisch reizvoll. Ob es gelingt, ist eine andere Frage. Zu kritisieren ist an der Meldung die geringe Präzision des Wortes umsetzen. Ist vielleicht eine Organtransplantation gemeint? Oder einfach – und das würde zum Albtraumhaften besser passen – der Transport eines Stückes an einen anderen Ort etwa zum Zwecke der Vertuschung eines Verbrechens, wozu man, wie aus vielen Kriminalfilmen bekannt, gerne einen Kofferraum benutzt?

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