Dienstag, 3. Januar 2012

In 2012

„Auch in 2012 darf man ‚in 2012’ sagen“, schreibt der Hamburger Linguistik-Professor A. Stefanowitsch in seinem Blog[1] und er bringt auch gleich den Beweis dafür: Es ist gar kein Anglizismus, denn, das hat er bei seinen Forschungen herausgefunden, man hat es gelegentlich auch schon vor zwei- oder dreihundert Jahren und noch früher verwendet, und sogar „In Anno Domini“ ist vorgekommen. Eigentlich macht es ja nichts, wenn ein Wort ein Anglizismus ist, denn „die Entlehnung von Wörtern ist ein natürlicher Prozess, der in jeder Sprache stattfindet“[2], und deshalb soll er stattfinden, wie man in diesen Kreisen, hinter David Hume zurückplumpsend, denkt. Aber wenn es sich herausstellt, daß es doch kein Anglizismus ist, ist's noch viel schöner. Das ist die Grundüberzeugung der Anglisierungsnazis.
Das ist übrigens kein „Nazi-Vergleich“.  In den Kreisen der Anglizismenfreunde redet man halt so.  Stefan Sasse nennt Bastian Sick „die Heilsfigur der Sprachschützer und Grammatiknazis“, aber eben: „Das ist übrigens kein ‚Nazi-Vergleich’“. Es ist vielmehr so: „Ein Nazi-Vergleich wäre ‚Bastian Sicks Positionen sind wie die der Nazis’. 
’Grammatiknazi’ ist vielmehr eine Eindeutschung eines Phänomens, das im Englischen seit vielen Jahren bekannt ist, nämlich ‚nazi’ an eine beliebige Zuschreibung anzuhängen, um eine radikale Position anzudeuten.“[3] Da sieht man, wie segensreich die Anglizismen sind. (Herr Stefanowitsch wird aufschreien: Die Linguistik hat doch nachgewiesen, daß „Nazi“ aus dem Deutschen stammt; aber für Herrn Sasse ist es nun einmal nur deshalb akzeptabel, weil es aus dem Englischen stammt.) Jetzt haben wir endlich ein passendes Wort für Herrn Brüderle: Er ist ein Wirtschaftsnazi, die Engländer und Amerikaner reden ja so und also müssen wir es auch. Eine gewisse Entdifferenzierung, zugegeben. Aber ein passendes Wort für die Nazis selbst wird uns schon noch einfallen.
Zurück zu A. Stefanowitsch. Sein Artikel zu „in 2012“ hat eine rege Diskussion ausgelöst. Das eine wichtige Argument bringt gleich eine der ersten Kommentatorinnen: „Die schleichende Einführung der Präposition ‚in’ begann Ende der 70er Jahre und ist ein eindeutiger Anglizismus, egal was die Römer sagten“ (Eva Tanner). Ein derart komplizierter Gedanke aber ist in die Köpfe der gelehrten Linguisten offenbar nicht hineinzubringen. Das zweite wichtige Argument bringt die Kommentatorin Sabine: „Ob es nun ein Anglizismus ist oder nicht, ist doch egal. In jedem Fall handelt es sich um eine sprachliche Wichtigtuerei ...“. Das verstehen die Linguisten noch weniger. Sie glauben immer, bei der Schlacht für und wider Anglizismen ginge es darum, ob die deutsche Sprache rein zu bleiben hat, vielleicht, weil es einige Chauvinisten gibt, denen das in der Tat ein Anliegen ist. Und dann freuen sich die Anglizismenfreunde, wenn es ihnen nachzuweisen gelingt, daß ein Wort angloamerikanischer Herkunft im Deutschen schon früher benutzt wurde und damals gar nicht aus England oder Amerika kam. Das freut sie selbst dann, wenn es auf der Hand liegt, daß es jetzt nicht deshalb benutzt wird, weil es früher einmal im Deutschen vorkam, sondern einzig und allein deshalb, weil es sich englisch oder richtiger amerikanisch anhört. Wer heute „in 2012“ sagt, täte das ja nicht, wenn er wüßte, daß 1783 nicht in New York, sondern in Bielefeld jemand so geredet hat. Es wäre ihm peinlich, denn altmodisch und provinziell will er ja gerade nicht wirken.
Die Anglisierungsnazis (noch einmal: keine politische Anschuldigung, nur ein unschuldiger Anglizismus) können sich gar nicht vorstellen, daß einem die Reinheit der deutschen Sprache völlig egal sein kann oder daß man „Reinheit“ in diesem Zusammenhang ohnehin für einen unsinnigen Begriff hält, und daß einem die Anglizismen trotzdem auf die Nerven gehen. Oder richtiger: nicht die Anglizismen, sondern die, die sie verwenden. Denn manchem ist es schwer erträglich, sich ständig von Leuten umwinselt[4] zu sehen, deren Wortwahl immerzu den Subtext offenbart: Halte mich doch bittebitte nicht für den Provinzler, für den ich mich selber halte.

Ich bin mir ziemlich sicher, daß bei den meisten, die etwas gegen die Anglisierung haben, das der Grund ist und nicht irgendein Kulturnationalismus.
Daß Anglizismen eine solche Verbreitung haben, ist in der Tat nichts per se Schlechtes. Es war auch nichts per se Schlechtes, daß sich Latinismen und schließlich das Lateinische selbst im römischen Reich ausgebreitet haben und auf diese Weise Sprachen wie Französisch, Spanisch und Rumänisch entstanden, die wir ja nicht missen wollen, auch wenn es bedauerlich sein mag, daß dadurch die iberischen, die gallischen und einige duzend oder hundert andere Sprachen verschwunden sind. Aber auch wenn es nichts per se Schlechtes ist – die Gründe, warum sich Anglizismen heute ausbreiten, sind leider fast immer schlecht. Natürlich, es gibt auch ein paar gute, aber eben nur ein paar. Weitaus häufiger ist, daß man glaubt, für einen Hinterwäldler gehalten zu werden und deshalb einen Schutzwall aus weltmännisch und modern klingenden Wörtern um sich errichtet. Man will sich aufblasen, weil man's nötig hat.
Also nichts gegen die Anglizismen, aber den Importeuren der Anglizismen kann ich nicht viel Liebe entgegenbringen. Gewiß, aufblasen kann man sich mit originaldeutschen Wörtern oder mit Fremdwörtern lateinischer und griechischer Herkunft auch, das macht aber diejenigen nicht sympathischer, die es mit englischen versuchen.

10 Kommentare:

Stephanus hat gesagt…

Hier will sich "Mann" noch größer aufblasen als die, die sich mit Anglizismen oder ähnlichem Unzeugs aufblasen und deren Aufgeblasenheit er aus seiner überlegenen Bastion ermitteln, erkennen und erledigen, eben abstechen, kann.
"Sprache" und Sprachnörgeleien als Vorwand für Durchstechereien: irgendwie hergeleitet von ritterlichen Tor-, pardon: Tournieren und ihrem Sieger-Sein-Wollen-Müssen.

Nein, "Meinungsnazi" habe ich hier keinen genannt. Mir sind Nazi-Insinuationen oder Vergleiche oder metaphorisch hingeworfene Sau- und Verschmutzungsbeutel ein Greuel.

Ludwig Trepl hat gesagt…

Hmm, so richtig klar ist mir nicht, was Sie hier sagen wollen.
Bin mit "Mann" ich gemeint? Wenn, dann würde ich gern wissen: warum die zwei "n"?
Die Aufblaserei haben wir gemeinsam: Wer jemanden kritisiert, nimmt nun einmal eine überlegene "Bastion" (??) ein, sonst könnte er nicht kritisieren. Sie blasen sich also mir gegenüber auf. Und das kommt daher, daß Sie Sieger sein wollen. Macht aber nichts, geht mir auch so. Immer, wenn ich ein Argument bringe, bringe ich es so, daß ich damit, wie ich im Moment glaube, gewinne. Das mache ich selbst dann so, wenn ich die ganze Diskussion, in die das Argument eingebettet ist, nicht deshalb führe, um zu gewinnen, sondern um etwas zu lernen. Auch darin sind wir uns sicher sehr ähnlich.

Wer sagt denn, daß ich Sie "Meinungsnazi" genannt habe? Oder soll Ihr Satz gar nicht bedeuten, daß das ich das gemacht habe oder daß es einer gemacht hat? Was bedeutet er dann? Daß man mich einen Meinungsnazi nennen könnte, wenn man gerne Anglizismen benutzt? Weil ich Meinungen äußere, wie Sie auch, nur nicht, wie Sie, über mich, sondern über andere (übrigens nicht über Sie, was Sie in Ihrem Blog schreiben, das finde ich ziemlich gut).

Ich habe übrigens auch niemanden einen Irgendwie-Nazi genannt, sondern ich habe das zitiert, um gewisse Züge der Anglizismenfreunde deutlicher hervortreten zu lassen.

Anonym hat gesagt…

Ich habe übrigens auch niemanden einen Irgendwie-Nazi genannt, sondern ich habe das zitiert, um gewisse Züge der Anglizismenfreunde deutlicher hervortreten zu lassen.

Nunja, ein Zitat würde ich das Wort "Anglisierungsnazis" in Ihrem Text nicht nennen, sie verwenden es lediglich unter Verweis auf einen zitierten anderen Text, der das Wort "Grammatiknazi" enthält und im Übrigen zu dem von Ihnen kritisierten Text von Anatol Stefanowitsch in keiner Beziehung steht.

Immer, wenn ich ein Argument bringe, bringe ich es so, daß ich damit, wie ich im Moment glaube, gewinne.

Es mag für Sie schwer vorzustellen sein, aber das ist nicht bei allen Menschen so. Ich diskutiere relativ häufig, um etwas zu durchschauen, dazu ist es notwendig, eine Sache von möglichst vielen Seiten zu betrachten, diese verschiedenen Standpunkte können in Dikussionen von ein- und derselben Person oder eben von meheren vertreten werden, was dann für Sie vielleicht wie ein Kampf ums Gewinnen aussieht. Aber das ist es wirklich nicht für alle, glauben Sie mir. Einen (womöglich nur mir selbst so erscheinenden) logischen Schluss vorzutragen, heißt nicht, "zu gewinnen".

Darüberhinaus gebe ich Ihnen recht: Bestimmte Formulierungen mag man, ob derer, die sie verwenden, nicht mehr hören. Das macht diese Formulierungen allerdings nicht "falsch" oder "unzulässig". Soweit ich mich an den Beitrag von Herrn Stefanowitsch erinnere, geht es ihm nicht darum, die Wendung "in 2012" als besonders ästhethisch zu bejubeln, sondern die Behauptung, sie sei der deutschen Sprache fremd und also falsch, zu widerlegen. Ob es sich dabei um "sprachliche Wichtigtuerei" handelt oder nicht und ob die Verwender solcher Sprache mir sympathisch sind oder nicht, tut für diese Frage doch rein gar nichts zur Sache. Das Deutsche lässt jede Menge Formulierungen zu, die von Menschen, die ich für Dummköpfe und/oder Angeber halte, ständig verwendet werden.

David hat gesagt…

Das freut sie selbst dann, wenn es auf der Hand liegt, daß es jetzt nicht deshalb benutzt wird, weil es früher einmal im Deutschen vorkam, sondern einzig und allein deshalb, weil es sich englisch oder richtiger amerikanisch anhört. Wer heute „in 2012“ sagt, täte das ja nicht, wenn er wüßte, daß 1783 nicht in New York, sondern in Bielefeld jemand so geredet hat. Es wäre ihm peinlich, denn altmodisch und provinziell will er ja gerade nicht wirken.

Den meisten Leuten bleiben solch tiefe und allgemeine Einsichten in die Seele ihrer Mitmenschen zeitlebens verwehrt. Deshalb wird es oft als Gebot des Anstands verstanden, auf Annahmen darüber auch keine wichtigen Schlüsse zu gründen und sich stattdessen auf die Sprache zu konzentrieren, um die es dem Anschein nach ja auch geht.

Seien Sie also nachsichtig; manche Erkenntnisquelle, die Sie jeden Tag ganz selbstverständlich nutzen, steht anderen vielleicht einfach nicht zur Verfügung.

Martin B hat gesagt…

Nur eine Bemerkung zu den zitierten "Argumenten" in Absatz 3: Es geht doch um die Frage, ob "in 2012" ein Anglizismus ist. Wenn Eva Tanner nun behauptet, dass "in 2012" ein Anglizismus sei, dann bringt sie noch kein Argument, sondern wiederholt nur die These. Und wenn sie behauptet, der Gebrauch von nach diesem Muster geformten Zeitangaben habe in den 70er Jahren begonnen, dann scheint sie die früheren Belege im Sprachlog übersehen zu haben.
Was das zweite Argument (das von Sabine) betrifft: Ob die Verwendung von "in 2012" nun Wichtigtuerei als Grund hat oder etwas anderes, ist nicht offensichtlich. Alternative Erklärungen wären: der Redner redet halt so, wie er es von anderen oft gehört hat; oder er ist sich unsicher, welche Präposition gefordert ist; oder er meint, diese Formulierung sei gerade die korrekte...
Beide "Argumente" sind also so extrem dürftig, dass es mich wundert, wie Sie Ihren gesamten Artikel darauf aufbauen können. Das einzige Argument, was dann noch von Ihnen hinterher geschoben wird, ist: "Man will sich aufblasen, weil man's nötig hat." Sie haben keinen Grund, dies anzunehmen, denn ich könnte aus Ihrem Text mit der gleichen Berechtigung (also unberechtigterweise) folgern, dass Sie sich nun noch mehr aufblasen, weil Sie es noch nötiger haben.
Beste Grüße, Martin

gschleiderkneis hat gesagt…

Ich lese hier öfter mit und habe noch nicht ein einziges Mal verstanden, was Stephanus sagen will.

Ludwig Trepl hat gesagt…

@ Anonym hat gesagt...

„Nunja, ein Zitat würde ich das Wort "Anglisierungsnazis" in Ihrem Text nicht nennen, sie verwenden es lediglich unter Verweis auf einen zitierten anderen Text, der das Wort "Grammatiknazi" enthält und im Übrigen zu dem von Ihnen kritisierten Text von Anatol Stefanowitsch in keiner Beziehung steht.“

Ich habe aus dem Wortschatz der Anglisierungsfreunde zitiert, und zwar aus einem Text, en ich hier auch kritisiere und der mit dem Text von Stefanowitsch insofern in Beziehung steht, als er der Denkweise entstammt, die ich kritisiere. Es kann doch nicht sein, daß man das nicht merkt.

„Ich diskutiere relativ häufig, um etwas zu durchschauen, dazu ist es notwendig, eine Sache von möglichst vielen Seiten zu betrachten, diese verschiedenen Standpunkte können in Diskussionen von ein- und derselben Person ... vertreten werden“.
Ja, das mache ich auch so, wenn ich diskutiere. Das mache ich sogar weit häufiger so, als es üblich ist – berufsbedingt, aber auch deshalb, weil mir die Leute mit den festen Überzeugungen und dem unverrückbarem politischen Standpunkt nicht besonders angenehm sind. Aber wenn ich ein Argument für etwas bringe, dann bringe ich es so, daß es „gewinnt“, sogar dann, wenn ich mit mir selber diskutiere. Ich bitte Sie aber auch zu bedenken, daß die Glossen hier in diesem Blog keine Seminarbeiträge sind.

„Bestimmte Formulierungen mag man, ob derer, die sie verwenden, nicht mehr hören. Das macht diese Formulierungen allerdings nicht ‚falsch’ oder ‚unzulässig’.“

Ich stimme Ihnen zu. Nur: Manchmal geht es in meinem Blog schon darum, ob etwas falsch oder unzulässig ist, meist, und so auch hier, aber nicht. Die Unterscheidung, um die es mir meist geht, ist die zwischen Deutsch und irgendeiner Variante des Dummdeutschen (was das ist, kann man bei Henscheid nachlesen). Es ist eine Unterscheidung, die in der Welt der Anglisierungsfreunde wie in der der Sprachpuristen, soweit ich sehe, gar nicht vorkommt. Dummdeutsch ist nicht falsch oder unzulässig, im Duden nachzusehen oder nachzuweisen, daß etwas gebräuchlich ist oder den Regeln entspricht, hilft da gar nichts. „Ob es sich dabei um ‚sprachliche Wichtigtuerei’ handelt“, das ist für diese Frage wichtig.

Ludwig Trepl hat gesagt…

@ Martin B

„Wenn Eva Tanner nun behauptet, dass "in 2012" ein Anglizismus sei, dann bringt sie noch kein Argument, sondern wiederholt nur die These.“

Nein, denn sie behauptet ja nicht einfach, dass "in 2012" ein Anglizismus sei, sondern daß gegen diese Behauptung die Tatsache nichts besagt, daß man früher („die Römer“) schon so geredet hat. Es kommt, sagt sie (nicht in aller wünschenswerten Ausführlichkeit und Präzision, aber für jeden, der lesen kann, erkennbar), daß es darauf ankommt, woher der heutige Gebrauch kommt. Die „früheren Belege im Sprachlog“ hat sie nicht übersehen, sondern sie sind für ihr Argument unwichtig: Heutige In-2012-Sager haben es nicht dem Sprachgebrauch des 18. Jahrhunderts entnommen, sondern dem Englischen. Das sollte ich doch hinreichend deutlich geschrieben haben.

Die „alternativen Erklärungen“: „der Redner redet halt so, wie er es von anderen oft gehört hat“ usw., treffen mit Sicherheit hier und da zu, aber mit ebensolcher Sicherheit spielen sie nur eine marginale Rolle. Das weiß jeder und das wissen Sie auch; derart vom Mond gefallen, daß er das nicht weiß, kann einfach keiner sein (dazu demnächst mal ausführlicher).

Ihr weiteres Argument lautet, daß man auch von jemandem, der die sprachliche Wichtigtuerei kritisiert, sagen kann, er wolle sich damit nur aufblasen. Immerhin, Sie fügen einschränkend hinzu, daß ich „unberechtigterweise“ kritisiere – da ich eben erklärt habe, wo die Berechtigung liegt, müßten Sie Ihr Argument nun zurückziehen. @Stephanus dagegen scheint, wie viele, zu meinen, daß Kritik nie etwas anderes sein kann als Wichtigtuerei. (Na ja: die eigene und die Kritik derer, denen er zustimmt, ist davon natürlich ausgenommen.) Es ist das übliche Totschlagargument derer, die nicht mehr weiterwissen: Wenn der andere etwas besser zu wissen behauptet, dann kann das doch nur bedeuten, daß er damit angeben will, da muß man gar nicht mehr diskutieren.

Martin B hat gesagt…

"Heutige In-2012-Sager haben es nicht dem Sprachgebrauch des 18. Jahrhunderts entnommen, sondern dem Englischen. Das sollte ich doch hinreichend deutlich geschrieben haben."
Ja, das haben Sie deutlich gesagt. Allerdings ohne ein einziges Argument dafür, dass es tatsächlich aus dem Englischen kommt, und Sie haben auch nicht erklärt, warum es dann schon in älteren Texten auftauchen konnte. Naheliegender ist doch, dass es dieses Phänomen schon seit dem 18. Jh. (oder noch länger) in der dts. Sprache gibt, ohne sonderlich prominent gewesen zu sein, und in den letzten Jahren eben prominenter geworden ist (ob seit den 70ern oder seit wann auch immer). Ob der Grund dafür dann englischer Einfluss ist oder nicht, kann wohl kaum bewiesen oder widerlegt werden, wichtig ist: es bleibt Deutsch, und ist schon seit langem Teil der Sprache.

Was die alternativen Erklärungen betrifft: ich bin tatsächlich der Ansicht, dass sie mindestens genau so wahrscheinlich sind wie Ihre Wichtigtuer-These. Ihre Sicherheit teile ich nicht (deshalb wundere ich mich auch, wie Sie schreiben können: "Das weiß jeder und das wissen Sie auch". Und ich bin wirklich nicht vom Mond gefallen, sondern wurde vom Storch gebracht.)

"da ich eben erklärt habe, wo die Berechtigung liegt"
Nein, haben Sie nicht. Sie haben wieder nur gesagt, es sei so und so und nicht anders. Ein Argument sieht anders aus.

Ein Vorschlag zur Versöhnung: es ist stilistisch sicher ratsam, "in 2012" zu vermeiden. Aber nicht, weil es falsch ist, oder weil es (möglicherweise) ein Anglizismus ist, sondern weil guter Stil sich an einigen kanonischen Autoren orientiert. Und diese formulieren Jahresangaben eben anders.

Beste Grüße, Martin

Ludwig Trepl hat gesagt…

@ Martin B

„Aber nicht, weil es falsch ist, oder weil es (möglicherweise) ein Anglizismus ist, sondern weil guter Stil sich an einigen kanonischen Autoren orientiert.“
Da sind wir uns im wichtigsten Punkt ja einig. Diese einfache Wahrheit sollten Sie im „Sprachlog“ verbreiten, denn unter den Sprachdemokraten und Sprachbürokraten, die dort den Ton angeben, ist sie ganz unbekannt.

Wenn Sie aber in diesem Punkt recht haben, dann muß man das „Es bleibt Deutsch, und ist schon seit langem Teil der Sprache“ etwas differenzierter sehen. Denn dann ist es entweder schon seit langem Teil des Deutschen, aber eben schlechtes Deutsch, oder aber es ist falsches Deutsch, es ist in dem Sinne deutsch, wie „ich schäme mir“ deutsch ist – falsches Deutsch halt. 


Ich glaube aber, daß es nicht „seit“ langem Teil des Deutschen ist, sondern daß es vor langer Zeit gelegentlich vorkam – die Belege, die A. Stefanowitsch bringt, sind alle sehr alt – und dann verschwand. Das vermute ich deshalb, weil ich mich nicht erinnern kann, daß in den ersten Jahrzehnten meines Lebens jemand so geredet hat. Das heißt natürlich nicht, daß es gar nicht mehr vorkam, aber wenn, dann sehr, sehr selten. Von denen, die es damals als selbstverständlichen, althergebrachten Teil des Deutschen sprachen, kann es in der Zeit der explosionsartigen Vermehrung nicht übernommen worden sein, denn solche Leute kannte man nicht. Wohl aber kannte man - es war die Zeit, in der so gut wie alle und nicht mehr nur eine kleine Minderheit in der Schule Englisch lernen mußten - die Wendung aus dem Englischen.

„Sie haben auch nicht erklärt, warum es dann schon in älteren Texten auftauchen konnte“. Ich kann es nicht erklären, ich bin kein Sprachforscher, ein Einfluß des Englischen ist jedenfalls sehr unwahrscheinlich. Aber warum muß ich es erklären?

Daß Sie sich über meine Unterstellung "Das weiß jeder und das wissen Sie auch" ärgern, ist verständlich, aber ich bleibe dabei. Sie wollen es nicht wissen und bringen dann das typische Argument derer, die man auf Offensichtliches stößt, das sie nicht wahrhaben wollen: „Ob der Grund dafür dann englischer Einfluss ist oder nicht, kann wohl kaum bewiesen oder widerlegt werden“. Natürlich nicht, es ist wie in den –zig anderen Fällen auch, in denen Wendungen und Wörter heutzutage (so gut wie) neu aufkommen, von „Sinn machen“ bis „Coffee to go“: Wie will man „beweisen“, daß sie aus Gründen der Wichtigtuerei importiert werden? In einer Umfrage gibt das keiner zu.

Aber man hat doch einige Menschenkenntnis, man erkennt doch, was das vor sich geht. Jeder sieht doch, ganz unabhängig von der Anglizismenfrage, an der Art, wie sich Menschen ausdrücken, was sie antreibt; an der Wahl bestimmter Wörter erkennt man ebenso wie an den Gesten, ob der Sprecher schüchtern oder hochmütig ist usw. Ohne diese Fähigkeit wäre es überhaupt nicht möglich, miteinander umzugehen. Natürlich kann man im Einzelfall damit danebenliegen. Aber was die antrieb, die als erste „Flyer“ statt „Flugblatt“ sagten, kann man wissen, wenn man nicht vom Mond gefallen ist. Ihre Alternative „der Redner redet halt so, wie er es von anderen oft gehört hat“ kann für die Importeure nicht zutreffen; für die, die in den 70er Jahren „in 1977“ sagten, deshalb nicht, weil sie es von keinem gehört haben können. Unschuldige Übernahme von anderen, der Glaube, es sei so korrekt usw. kann nur dann eine Rolle spielen, wenn das fremde Wort bereits im Begriff ist, ein Fremdwort oder Lehnwort zu werden oder es schon geworden ist. Mit Pullover, Foul oder Jeans läßt sich in der Tat nicht mehr angeben, so etwas wird nicht deshalb verwendet, weil es englischer Herkunft ist und man sich damit modern und weltläufig geben kann oder das glaubt.