Dienstag, 17. Januar 2012

Endlich: Keine Armut mehr in Berlin!

Früher, etwa in den 20er Jahren, aber auch noch in den Nachkriegsjahren, soll die Armut in Berlin groß gewesen sein, vor allem in den Arbeitervierteln. Heute ist es anders:
„Jeder Siebente in Berlin ist von Armut bedroht“, lautete vor Kurzem eine Überschrift im Tagesspiegel (13.1.12).
Im Artikel erfahren wir allerlei Genaueres, etwa, daß jeder dritte Berliner mit niedrigem Schulabschluß von Armut bedroht ist. Auch von Armutsrisiko ist öfter die Rede; „von Armut bedroht sein“ scheint das gleiche zu bedeuten wie „ein Armutsrisiko haben“. Ganz unerwartet war für mich, daß es trotz dieser großen Zahl von Menschen, die von Armut bedroht sind, offenbar keinen einzigen gibt, der arm ist, denn sonst hätte das in dem ziemlich langen und ins Detail gehenden Artikel doch wenigstens einmal erwähnt werden müssen. Wenn jeder Siebente von 3,4 Millionen Menschen vom Herzinfarkt bedroht ist, dann müßte es, sollte man denken, doch wenigstens ein paar geben, denen tatsächlich einer zugestoßen ist.
Oder meinen die mit Armutsrisiko vielleicht etwas anderes als ich dachte? Nicht das Risiko, arm zu werden, sondern allerlei Ungemach, das einem zustoßen kann, wenn man arm ist? Gemeint sind also möglicherweise aufgrund der Armut drohende Gefahren. Nicht Armut droht jemandem zuzustoßen, sondern die Armut bedroht ihn damit, ihm etwas zustoßen zu lassen, beispielsweise, daß ihm das Telefon abgestellt wird oder die Wohnung gekündigt. Das wird’s wohl sein. Der Tagesspiegel ist eine Zeitung für die gebildete obere Mittelschicht und wird von gebildeten Menschen geschrieben. Die machen nicht solche Fehler, wie ich zunächst vermutet hatte. Irritierend ist nur, warum man dann „von Armut bedroht“ geschrieben hat; „durch die Armut bedroht“ wäre doch weniger mißverständlich gewesen.



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