Mittwoch, 18. Januar 2012

Das große Zukunftswerkzeugbusiness

Unter „24-Top-Trends“ erfährt man bei www.trendletter.de etwas über „Future Tools, die Ihr Business entscheidend verändern“, weshalb man diesen letter lesen und dafür zahlen soll. Top-Trends ist groß und mit Bindestrich geschrieben – seltsamerweise steht auch einer zwischen 24 und Top – und Future sowie Tools und Business auch groß, man betrachtet also all diese Wörter als deutsche. (Daß der Bindestrich zwischen Future und Tools fehlt, widerspricht dem zwar, ist aber wohl ein Versehen.)
Ohne Wörterbuch bin ich nicht mehr in der Lage, einen, wie mir scheint, doch sicher recht einfachen deutschen Text zu lesen, das wurde mir hier klar. Ich grub also nicht nur meine ziemlich verschütteten Englischkenntnisse aus, sondern nahm auch den Langenscheidt zu Hilfe, aber bis zu meiner völligen Befriedigung konnte ich die Geheimnisse nicht aufklären.
Was Top-Trends sind, hatte ich vorher schon mitgekommen. Es bedeutet ungefähr oder genau das, wozu man früher „besonders wichtige Tendenzen“ sagte. (Die Freunde der Amerikanisierung behaupten allen Ernstes, der Grund, weswegen sie sich von letzterem abgewandt haben, sei ein ökonomischer, nämlich daß es um einige Buchstaben länger ist.) Future heißt Zukunft, Tools Werkzeuge. Zukunftswerkzeuge? Was mag das sein? Werkzeuge, die einem die Zukunft voraussagen, also z. B. Kristallkugeln oder Spielkarten? Vielleicht aber auch Werkzeuge, die es heute noch nicht gibt, wohl aber in Zukunft geben wird? Möglicherweise ein Hammer, mit dem man garantiert immer den Nagel trifft und nie den Daumen? Oder ist, analog zu „Tischlerwerkzeug,“ ein Future-Tool ein Werkzeug, mit dem die Zukunft ihr Werk verrichtet? Die Zukunft ist ja etwas Ähnliches wie das Schicksal, das einen erwartet, und „Future-Tool“ wäre entsprechend dem bekannten Lied von Ferdinand Raimund zu verstehen: „Da ist der allerärmste Mann / dem andern viel zu reich / Die Future setzt das Tool an / und hobelt alle gleich“. Man sieht: Ich habe mehr Fragen als Antworten.
Fragen warf auch „Business“ auf. Ich wollte immer schon wissen und nie ist es mir gelungen: Bedeutet „Business“ dasselbe wie „Geschäft“ in dem Sinne, in dem wir von einem Geschäftsmann sprechen? Ein selbständiger Bratwurstverkäufer ist einer, ein angestellter nicht und ein Lehrer oder ein Arzt auch nicht. Oder ist „Geschäft“ in dem Sinn gemeint, den das Wort in dem Satz des Wilhelm Tell hat: „Sie alle ziehen ihres Weges fort / An ihr Geschäft – und meines ist der Mord!“? Ein Future-Tool, geeignet für ein Business dieser Art, wäre z. B. eine Pistole, deren Kugeln sich nach der Tat sofort in Luft auflösen, so daß der Kommissar im Dunkeln stochert.
Ich stehe also vor höchstwahrscheinlich überaus einfachen Mitteilungen in, wie es scheint, deutscher Sprache wie der Ochs vorm neuen Scheunentor. Gewiß, es hat etwas Egoistisches, über die Amerikanisierung deshalb klagen, weil man selbst nicht mehr mitkommt; ich hätte ja genug Zeit gehabt, um Englisch zu lernen. Aber gute Klagegründe gibt’s ja auch davon abgesehen genug.[1] Allerdings habe ich den Verdacht, daß es nicht allzu viel genützt hätte, wenn ich fleißiger gewesen wäre, weil beim Transfer ins Deutsche die englischen resp. amerikanischen Wörter ihren Sinn gern verändern, und zwar sehr häufig in einer Weise, daß sie überhaupt keinen mehr erkennen lassen.[2]

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo


Ich lese diesen Blog oft und gerne, weil viele Beiträge mich schmunzeln lassen.

Aber hier wird, zumindest soweit ich es überschauen kann, nur die Amerikanisierung der deutschen Sprache angeprangert.

Was ist mit den Fremdwörtern aus z. B. dem berlinerischen Französisch, aus dem Küchenlatein und aus dem 'Pidgen'-Griechisch?

Leider fallen uns diese Einsprengsel gar nicht mehr als Fremdwörter auf. Ich darf die in diesem Beitrag benutzten nennen:

Tendenz
Ökonomie
Pistole
Kommissar
egoistisch
Transfer
respektive

Mein Beitrag soll keine Wertung sein, sondern allenfalls einen Sachverhalt aufzeigen.


Freundliche Grüße

Ludwig Trepl hat gesagt…

Ich habe nichts gegen Fremdwörter, Lehnwörter, und auch nichts gegen fremdsprachige Wörter. Das habe ich oft in diesen Blog-Beiträgen und auch in Kommentaren zu Kommentaren geschrieben, z. B. hier: http://deutsche-sprak.blogspot.com/2011/06/eine-theorie-des-sprachlichen.html.

Mir geht es um das aufgeblasene Getue der Sprecher, nicht um die Reinhaltung der deutschen Sprache. Ein ganz aus Fremdwörtern bestehender Satz kann ein guter deutscher Satz sein.
In diesem Betrag geht es aber vor allem um etwas anderes: Um den Nebel, der beim Import entsteht und um einen bestimmten Fachjargon; daß die die Beispiel-Wörter aus den USA stammen, ist eher zufällig, man findet dort auch Entsprechendes anderer Herkunft.