Sonntag, 20. Januar 2013

Budapest Philharmonic Orchestra


Ich wundere mich seit Jahren, daß die Sprecher von „Bayern 4 Klassik“ – wie vermutlich die Sprecher aller deutschen Rundfunksender – statt „Pražský komorní orchestr“ „Prager Kammerorchester“ sagen, nicht aber stattBoston Symphony Orchestra“ „Bostoner Symphonieorchester“. Oder richtiger: Ich wundere mich nicht, wundern würde ich mich, wenn sie das nicht täten, sondern ich ärgere mich. Gewiß, die Rundfunksprecher bzw. die, die ihnen sagen, wie sie zu sprechen haben, sind nicht ohne Argumente. Pražský komorní orchestr“, so höre ich sie reden, versteht ja keiner, aber englisch kann jeder, außer der Mehrheit der über Siebzigjährigen und der Mehrheit der Migranten, aber die letzteren hören ja unsere Sendung sowieso nicht und auf erstere kommt's nicht mehr an.
Doch das ist nicht der Grund, sondern eine Ausrede. Am liebsten würden sie statt „Prager Kammerorchester“ „Prague Chamber Orchestra“ sagen, und man kann jede Wette darauf eingehen, daß sie das bald tun werden. Statt „Budapester Philharmonisches Orchester“ sagen sie ja auch schon „Budapest Philharmonic Orchestra“, obwohl es „Budapesti Filharmóniai Társaság Zenekara“ heißt (und nicht wie die Comedian Harmonists oder German Brass nur einen englischen Namen hat) und die Ungarn es sicher jedem überlassen, diesen Namen in seine eigene Sprache zu übersetzen.
Jener Grund ist: Sie halten sich für Provinzler und sind deshalb von Minderwertigkeitsgefühlen gepeinigt, sie möchten am liebsten ihre Herkunft verheimlichen und sprechen darum so oft es nur geht so, wie man in der großen Welt spricht und weisen darauf hin, daß es andere gibt, die in puncto Provinzialität noch weit unter ihnen stehen. Sie machen es ganz so wie der Bauer, der den Städtern in einer Sprache, die er für Hochdeutsch hält, schenkelklopfend erklärt, was für einen unmöglichen, hinterwäldlerischen Dialekt man doch im seinem Nachbardorf spricht. Die einen verstehen überhaupt nicht, was er will, die anderen sind peinlich berührt. Es funktioniert einfach nicht. Man will und will nicht erkennen, daß er kein Provinzler ist, sondern nur die aus dem Nachbardorf welche sind, und was für welche. – Die Deutschen sind halt unverschämte Provinzler: Sie geben den Tschechen ihre Verachtung zu erkennen und den Amerikanern zu verstehen, daß sie, die Deutschen, sich selbst verachten, sie, die Amerikaner, aber bewundern. Dazu halten sie sich ihre Rundfunksprecher.

1 Kommentar:

dose hat gesagt…

Im Wissenschaftsbetrieb sieht es auch schlimm aus. Wahrscheinlich aus den gleichen Motiven. Dienstbesprechungen unter lauter Deutschen finden auf Englisch statt. Visitenkarten sind auf Englisch. Die Karten von Menschen aus anderen Ländern sind in ihrer Muttersprache beschriftet.