Mittwoch, 28. November 2012

Die Kultur des Mensch


Eine „Kultur des Versteckens“ meint die Süddeutsche beobachtet zu haben.[1]
Diese Kultur hat mit irgendwelchen krummen Dingen im Schweizer Bankenwesen zu tun. Ginge es um das Verstecken von Ostereiern, wäre gegen den Gebrauch von „Kultur“ nichts einzuwenden. Aber seit es das Wort Kultur gibt, hat es nie die Bedeutung gehabt, die ihm die Süddeutsche nun verleiht. Von Unkultur könnte man eher sprechen.
Richtig dagegen macht es Schrumpfende Städte, ein dreijähriges Initiativprojekt der Kulturstiftung des Bundes, wenn es eine „Kultur des Schrumpfens“ fordert.[2] Denn daß die Großstädte nichts mit Kultur zu tun haben, sondern nur mit Zivilisation, das haben die konservativen Kulturkritiker schon vor 150 Jahren erkannt. Darum hätten sie das Bestreben, die Städte zum Schrumpfen zu bringen, sicher als eine kulturelle Tat gepriesen. Daß sie aber mit dem Namen „shrinkingcities“ – so heißt der Internetauftritt des Projekts – einverstanden gewesen wären, darf man bezweifeln; die weltweite Nivellierung der Sprache hätte ihnen kaum gefallen. Auch ist, so erbittert sie die Kultur gegen die Zivilisation verteidigten, fraglich, ob sie es für vereinbar mit der Idee der Kultur gehalten hätten, jedes Kinkerlitzchen durch die Hinzufügung von „-kultur“ zu adeln.

Richtig wird das Wort Kultur auch in dem Internetauftritt Geschichte und Kultur des Hanf verwendet.[3] Um so schlimmer ist „des Hanf“. Könnte man das aus der Welt schaffen, nähme ich gern die Kultur des Versteckens, die Kultur des Rufens, die Kultur des Hinschauens und die Kultur des Wegschauens und sogar die positive Feedbackkultur in Kauf.
Übler noch als dem Hanf ergeht es dem Menschen.
„Die Ernährung des Mensch“ titelt der Squash Verband Schleswig-Holstein e.V.[4]
Und freenet-homepage.de schreibt: „Als Darwins Theorie über Die Entstehung der Arten die Absurdität der religiösen Kosmogonien um die Rolle des Mensch als "Krone der Schöpfung" entlarvte ...“.[5]
Das sehen die Verfasser von religion-online.de anders. Sie bestreiten, daß es sich bei diesen Kosmogonien um Absurditäten handele. Daß man aber „des Mensch“ schreiben darf, darin sind sie sich mit ihren weltanschaulichen Gegnern einig: „Die Herrscherlichkeit des Mensch ist rückgebunden an den Dialog mit Gott.“[6] Man wird, nebenbei gesagt, bei aller Anerkennung des Fortschritts, den Darwins Theorie gebracht hat, zugeben müssen, daß seinen Anhängern ein solch gottvolles Wort wie Herrscherlichkeit nie gelingen kann. Das könnte die Theorie nähren, daß mit jedem Fortschritt gesetzmäßig ein Rückschritt verbunden ist.
religion-online.de schreibt auf dieser Seite auch: „Hinzu kommt, dass einzig und allein der Erschaffung des Mensch ein ganz feierlicher Satz vorausgeht. Es heißt hier: ‚Lasst uns den Menschen machen nach unsrem Bilde, uns ähnlich.’ (Gen 1,26)“ Immerhin: nicht „Lasst uns den Mensch machen“. In der Luther-Übersetzung, Ausgabe von 1822, steht: „Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sey.“
Man kann daraus lernen: So ratsam es in den eigentlich theologischen Fragen ist, mit der Zeit zu gehen, weil sonst finsterster Fundamentalismus droht, so sehr ist es doch in sprachlicher Hinsicht geboten, sich an das Bewährte zu halten. Die alten Übersetzer der Bibel hatten ihren heutigen und selbst oder gerade den eifrigsten Lesern einiges voraus.

1 Kommentar:

Antonyym hat gesagt…

"Des Hanf"? - na, bitte:
Duden könnte helfen, Grimms’ DWD auch schon:
Genitiv: des Hanfes oder Hanfs.

http://www.duden.de/rechtschreibung/HanfBestellung.