Hier finden Sie in loser, wenn's gut geht rascher Folge Kommentare zu Vorboten der allgemeinen zerebralen Zerbröselung und des ihr auf dem Fuße folgenden Weltuntergangs sowie zum Thema „Deutschland schafft sich ab“.
Samstag, 30. April 2011
Es geht voran
Wieder etwas, was ich nicht für möglich gehalten hätte: http://schplock.wordpress.com/2011/04/21/wir-gedenken-an-den-tod-von-jesus/
Bildungsbürger-Revolution
„DEBATTE UM WORK-LIFE-BALANCE
Früher hat man Führungspositionen besetzt oder man hatte sie inne. Wie man es wohl macht, sie zu machen? Noch dazu „in Teilzeit“?
Tja, unser Bildungsbürger-Zentralorgan. Früher hatten Bildungsbürger den Ruf des Gediegen-Konservativen. Heute marschieren sie an der Spitze der sprachlichen Revolution. Ob ausgerechnet sie sich dazu eignen? Ob ihnen dabei nicht vielleicht Work und Life aus der Balance geraten?
Donnerstag, 28. April 2011
Preiswürdig 3
„Der neue Clean Tech Business Park liegt im Gewerbeareal Berlin eastside“. Das steht in der Broschüre „CleanTech Business Park Berlin Marzahn“ des Bezirksamts Mahrzahn-Hellersdorf. Der Verein deutsche Sprache e. V. sollte nicht warten, bis die Autoren ihr Amt in District Office, vielleicht sogar in CleanDistrictOffice umbenannt haben, sondern ihnen gleich eine Auszeichnung verleihen.
Mittwoch, 27. April 2011
Viel versprechende Talente
„Informationen für Fachgutachterinnen und Fachgutachter
Die Alexander von Humboldt-Stiftung fördert individuell und ad personam besonders qualifizierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. ... Noch wichtiger als die Beurteilung der wissenschaftlichen Qualität des Forschungsvorhabens ist es daher, viel versprechende bzw. herausragende wissenschaftliche Talente zu identifizieren.
Da die Vergabe von Forschungsstipendien auch dauerhaft die Förderung der Zusammenarbeit mit Humboldt-Gastwissenschaftlern weltweit über die Alumniförderung der Humboldt-Stiftung ermöglicht, ist es von besonderer Bedeutung, bei der Auswahl der Forschungsstipendiatinnen und -stipendiaten möglichst treffsicher die wissenschaftlichen Eliten von morgen bereits heute als Partner zu gewinnen.“[1]
Für die, denen diese Sphäre weniger vertraut ist: Die Humboldt-Stiftung ist etwas ganz Besonderes. Wer von ihr ein Stipendium bekommt, darf sich zur Crème de la Crème zählen. Vor einigen Jahren, als es noch keine wissenschaftlichen Eliten gab, sondern allenfalls bedeutende Gelehrte, hat man sich um den Nachwuchs auch schon bemüht. Man hat vielversprechende junge Leute gefördert. Heute fördert man viel versprechende.
Geahnt haben wir es ja schon. Aber jetzt haben wir’s amtlich.
Montag, 25. April 2011
Der Papst und der Virus
„Wichtig ist ihr“ – einer südafrikanischen Katholikin, die an Aids erkrankt ist – „dabei, dass die Opfer den Virus akzeptieren und die Krankheit nicht deren Leben bestimmt.“[1] Das schreibt Radio Vaticana, „die Stimme des Papstes und der Weltkirche“.
Da wird sich die Stimme des Papstes und der Weltkirche aber freuen, daß ihre Opfer – also bittschön nicht alle Aidskranken, sondern nur die, die den Virus deshalb haben, weil sie, ihr Partner oder ihre Eltern sich von dieser Stimme haben überreden lassen, ein paar Hunderttausend oder Millionen werden das schon sein – den Virus akzeptieren. Wenn man etwas akzeptiert, dann muß man damit zwar nicht einverstanden sein, aber man unternimmt nichts dagegen. In diesem Falle ist am wichtigsten, daß man mit dem Virus auch die Stimme akzeptiert, die dafür verantwortlich ist, daß man ihn hat. Da wird die Stimme, sich vielleicht des Herrn Mixa als Sprachrohr bedienend, sicher mal wieder sagen: Die hätten ja sexuell enthaltsam oder wenigstens in strenger Monogamie leben können, dann wäre ihnen das Malheurchen nicht passiert. Schuld sind die 68er und ihre sexuelle Revolution. Ich glaube aber nicht, daß die Wirkung von Oswalt Kolle bis ins südliche Afrika gereicht hat.
Aber die Zeichen mehren sich. Bald wird Schluß sein mit der Heuchelei. Da wird das Lachen werden teur / Wann alles soll vergehn im Feur / Wie Petrus davon zeuget. (Barholomäus Ringwaldt, 1582)
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Sonntag, 24. April 2011
Synchronfilm-Haß
„Ich hasse es wenn meine fast 2 monate alte Tochter schreit.“[1]
Nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich. Die geplagte Mutter wird wohl meinen: Ich mag es nicht, es geht mir auf die Nerven oder etwa Ähnliches. Sie weiß halt nicht, daß to hate keineswegs nur hassen bedeutet, sondern in den meisten Fällen nicht mögen, nicht leiden können. Die Synchronisierer amerikanischer B-Filme – von denen hat sie es – wissen es auch nicht, und darum wimmelt es in diesen Machwerken nur so von Leuten, die Erdbeerkuchen, ausgedehnte Spaziergänge oder Klaviermusik hassen. Das ist aber völlig unmöglich. Haß ist das, was Eheleute füreinander empfinden, bevor eins das andere erschlägt. Gäbe es so viele Hasser von Klaviermusik wie in den synchronisierten Filmen in der Wirklichkeit, gäbe es vermutlich keine Klaviere mehr oder keine Pianisten.
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Samstag, 23. April 2011
Ministerranking und ewiger Friede
„Das Ministerium Ländlicher Raum beabsichtigt auch nicht, derartige Preise zu erheben bzw. zu veröffentlichen, da dies als Bekanntgabe von Orientierungspreisen mißgedeutet werden könnte.“ Das steht in einer „Stellungnahme des Ministeriums Ländlicher Raum“ von Baden-Württemberg auf eine Anfrage.[1]
Einigen dürfte das mißgefallen haben.
Interessant ist aber vor allem folgendes: Am Namen eines Ministeriums kann man den Rang des Ministers ablesen. Die Minister des Äußeren und des Inneren sind etwas viel Besseres als der Minister für Arbeit oder der für Familie, Jugend und Sport. Nun hat man offenbar eine dritte Liga aufgemacht. Es heißt nicht „Ministerium für den Ländlichen Raum“, sondern einfach „Ministerium Ländlicher Raum“. Dem ewigen Frieden, dem Kant vor mehr als 200 Jahren seine berühmte Abhandlung widmete, wären wir vermutlich einen Schritt näher gekommen, wenn es ein Ministerium Verteidigung gäbe.
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Freitag, 22. April 2011
Elternteile
In einer Kultursendung von Radio Berlin Brandenburg hieß es über einen Kulturmenschen: „beide Elternteile früh verstorben“.[1] Das sagte nicht einer in freier Rede, etwa in einem Interview, sondern da verlas ein richtigen Rundfunksprecher einen Text.
Was muß einer für ein Leben hinter sich haben, welch niederdrückende frühkindliche Erlebnisse hat er durchlitten, daß er das nötig hat? Statt „Eltern früh verstorben“ „Elternteile früh verstorben“? Man versteht’s ja, wenn einer sich aufbläst, ist uns allen schon passiert. Aber so?
Donnerstag, 21. April 2011
Religion und Spiele
„www.die-bibel.de .... Es gibt auch Unterrichts- und Studienmaterial, Fotos, Daten und Karten zur biblischen Geschichte sowie etliche Online-Bibel-Spiele. Nicht zuletzt kann man sich das alte Buch auch ganz zeitgemäß aufs Handy laden oder mit unterschiedlichen Tools und Widgets in der eigenen Webseite einbinden.“[1]
Was man wohl spielen kann mit den Online-Bibel-Spielen? Sicher gibt es ein Tool oder ein Widget oder ein Gadget, keine Ahnung was das ist, mit dem man Gott dazu bringen kann, gendergerecht der Eva eine Rippe zu entnehmen.
Wann fährt Er drein? Ich kann's nicht mehr erwarten. Bei jeder Gewitterwarnung fährt es mir durch den Kopf: Das muß es sein.
Mittwoch, 20. April 2011
Wutbürger und Sarrazin-Gene
Fast so sicher wie auf die Wiederkehr des Weihnachtsfestes kann man darauf rechnen, daß alljährlich kurz vor diesem die garantiert größte Dämlichkeit des Jahres in die Welt gesetzt wird: Die Gesellschaft für deutsche Sprache verkündet das „Wort des Jahres“. Dieses Mal fand sie lange keines und dachte sich darum selber eines aus: Sarrazin-Gen. Das Wort kam auch im debilsten Journalistenhirn nicht vor. Wie hätte dieses auch darauf kommen sollen, hat doch, bevor herauskam, daß sein Sohn von Hartz IV lebt, niemand über die Gene des Herrn Sarrazin gesprochen. Es ging immer nur um die Gene der Türken und anderer orientalischer Völker. Das muß jemandem in dem Preisgericht aufgefallen sein. Er wandte ein, daß man nicht einen eigenen Einfall prämieren könne. Es habe ja auch noch nie ein Mitglied des Nobelkomitees den Nobelpreis bekommen. Da hat man in alten Zeitungen geforscht und tatsächlich etwas gefunden, was außer dem Verfasser des Artikels – meines Wissens stand er im Spiegel – zwar niemand benutzt hat, aber doch wenigstens vom Niveau der Gesellschaft für deutsche Sprache aus zugänglich war: Wutbürger. Und so mußte sich das nichtexistierende Sarrazin-Gen mit dem zweiten Platz begnügen.
Überhaupt läßt mich der Gedanke nicht los, daß der Verfall der deutschen Sprache hauptsächlich an ihren berufenen Hütern liegt – an dieser Stelle drängt es sogar mich, das bisher nur aus dem Journalistenjargon bekannte „selbsternannte“ (siehe Ernennungsurkunden) zu benutzen. Sie liegen noch um einiges unter dem Niveau derer, die Sätze wie „2 kommen aus deutschland viel zu viele nur ausländer und so was aus der unterschicht kommen auf die hauptschule ich war auf ner realschule“ (ein Realschüler im Internet) von sich geben, oder auch „diesen Screen will jeder touchen“ (Bild). Was ist, beispielsweise, auf der Dämlichkeitsskala das hier schon mehrfach gewürdigte „Challenge“ (siehe Challenge zwischen den Herausforderungen) gegen „Teuro“? Das war ja einst Wort und nicht etwa Unwort des Jahres.
Dienstag, 19. April 2011
Zweiteres
Manche sind der Meinung, früher sei alles besser gewesen. Dem stimme ich nicht zu. Im Gegenteil, ich bin der Auffassung, daß es uns alles in allem immer besser geht, je näher wir dem Weltuntergang rücken, so wie Ikarus immer fideler wurde, je näher er der Sonne kam. Was aber den Zustand der deutschen Sprache angeht, so möchte ich den Vertretern jener Meinung doch recht geben. Bei Google ergab die Suche nach „zweiteres“ 71.000 Treffer (27.9.2010). Hätte man es vor 40 oder 50 Jahren für möglich gehalten, daß das auch nur ein einziges Mal vorkommt? Selbst in den, wie es heute im Jargon derer heißt, die sich für gebildet halten, bildungsfernsten Schichten dürfte das keinem in den Sinn gekommen sein. Man sollte pensionierte Hilfsschullehrer fragen, ob sie je gezwungen waren, hier berichtigend einzugreifen. Vermutlich würden sie verneinen.
Wie kam es, daß man früher ein Unwort, das doch in der Logik des vorausgehenden „Ersteres“ liegt, gar nicht in Betracht zog? Ich weiß es nicht; vielleicht hat jemand eine Idee? Man hatte einfach ein Gefühl dafür, was die Sprache zuläßt und was nicht. „Zweiteres“ war so wenig möglich wie „auf Ebene von“, „in Abhängigkeit der“ und "in Leitfaden gestützten Interviews“, was heute vor allem Studenten ganz leicht aus der Feder fließt.
Montag, 18. April 2011
Urig schönes Bayernland
Ein Beautyschlössl gibt es in Thyrnau/Bayern, und eine regelrechte Beautylandschaft namens Regenbogenland in Geiersthal, ebenfalls Bayern, und in dieser Landschaft eine Beautyfarm. Dort findet man „Urigkeit mit Südseefeeling“. Da stelle ich mir jodelnde Tahitianerinnen in Lederhosen vor. Aber das trifft's nicht ganz, denn das Südseefeeling wird seltsamerweise durch exklusive „Jamaika- und Mauritiusliegen“ erzeugt, das steht da ausdrücklich; wozu aber wiederum die „originale Blockhaussauna aus eigenem Holzbestand“ nicht passen will.[1]
Die ihr durch Schönheit herrscht / schimmernd hehres Geschlecht (Riese Fasolt zu Loge und Wotan, R. Wagner zufolge). Die Götter scheinen den urigen Tölpel und sein Geschlecht in ihre Reihen aufgenommen zu haben. Aber erst jetzt, im einundzwanzigsten Jahrhundert, kommt das an den Tag. Sonntag, 17. April 2011
Erhalt und Erhaltung 3
„Von der Neuregelung verspricht sich die Regierung Mehreinnahmen von 100 Millionen Euro für den Verkehrshaushalt, die in den Bau und Erhalt von Straßen gesteckt werden sollen.“ Das teilt uns die Zeit am 15. April 2011 mit.[1]
Das „und“ ist fehl am Platz. Denn wie sollen wir Strassen anders erhalten, d. h. bekommen, außer dadurch, daß sie gebaut werden? Anders wäre es, wenn die Millionen in den Bau und die Erhaltung der Straßen gesteckt werden sollten. Da wäre das „und“ angebracht. Aber das Wissen um den Unterschied zwischen Erhalt und Erhaltung, das es doch einige Jahrzehnte tapfer gegen die Sprachkompetenzunterschicht verteidigt hat, ist unserem Bildungsbürger-Zentralorgan offenbar abhanden gekommen.
Siehe auch Erhalt und Erhaltung
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Hat sich dem Fall angenommen
Eine Entdeckung, die ich nie für möglich gehalten hätte, hat http://eichen.blogger.de/ gemacht. Es rückt immer näher.
Deutschlandweite Duftwolke - eine Parfümwort-Karriere
Bayernweit erbrachte bei Google 86.300 Treffer, sachsenweit 51.500, hessenweit 33.400, thüringenweit 20.500.
In den 50er und noch in den 70er Jahren gab es, den Ergebnissen einer Suche mit Google Bücher nach zu schließen, diese Wörter nicht, in den 80ern vereinzelt, in den 90ern bereits massenhaft. „Weltweit“ aber gibt es schon viel länger. Man scheint vor etwa dreißig Jahren auf die Idee gekommen zu sein, daß durch eine dem „Weltweit“ analoge Bildung mit dem Namen eines Ländchens dem Odium des Hinterwäldlertums, das diesem anhaftet, sich zumindest ein wenig von seiner Penetranz nehmen ließe. Man könnte, wenn diese Hypothese zutrifft, „bayernweit“ ein Parfümwort nennen.
Dieses Ereignis hat im Süden Deutschlands stattgefunden – verständlicherweise, denn jener Geruch nahm damals noch nach Süden hin zu. Wie die zweite Lautverschiebung ist die sprachliche Neuerung auf ihrem Weg nach Norden ins Stocken geraten und schließlich ganz zum Stehen gekommen. Schwabenweit bringt 20.500 Treffer, brandenburgweit 3.340, holsteinweit 106, rügenweit 15 und schleswigweit gar keinen (28.9.2010).
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Samstag, 16. April 2011
Gender Mainstreaming
„Gender Mainstreaming, Diversity Management und Work Life Balance sind Konzepte, die aus dem englischsprachigen, bzw. internationalen Gebrauch bei uns übernommen wurden. Damit haben sich die Begriffe, wie es für viele Bereiche des Marketing und Managements üblich ist, auch bei uns eingebürgert. Um entsprechende deutsche Übersetzungen zu bieten ist meist eine viel umständlichere Formulierung nötig (z.B. ‚Geschlechtergerechtigkeit in alle Entscheidungen einfließen lassen’ statt ‚Gender Mainstreaming’) als dies die etablierten englischen Begriffe ermöglichen.“ Das findet man auf einer Internetseite der über die Grenzen Bayerns hinaus bekannten Eliteuniversität TU München.[1]
Das, wollen sie uns einreden, sei der Grund dafür, daß man es unterläßt, deutsche oder sogar „entsprechende“ deutsche Übersetzungen zu „bieten“. Natürlich ist der Grund ein ganz anderer. Sie schämen sich halt, Provinzler zu sein und wollen wenigstens weltmännisch (das Gender Mainstreaming läßt mich’s nur mit pochendem Gewissen hinschreiben) wirken,[2] wenn sie es schon nicht sein können. Der Beweis? Wäre es so, wie sie behaupten, dann würden sie ja eifrig nach Sprachen suchen, mittels derer die lästige Umständlichkeit noch weit wirksamer bekämpft werden könnte als mit der englischen. Unter den sinotibetischen wird es sicher eine geben, in der man statt Gender Mainstreaming vielleicht Hu wu oder nur Hu oder etwas ähnlich Platzsparendes schreiben kann.
[1] „Frequently Asked Questions (FAQ) 1. Allgemeine Fragen“ einer Seite namens „Gender Studies in Ingenieurwissenschaften“ der TU München (http://www.gender.edu.tum.de/faq.html).
Donnerstag, 14. April 2011
Zukunftsgirls-Mädchentag
„Handwerk für Girls. Beim 11. Girl’s Day – dem Mädchen-Zukunftstag – am morgigen Donnerstag ...“ (taz 13.4.2011).
Ist das nicht zum Heulen? Ist es nicht der endgültige Beweis dafür, daß die Katastrophe nicht mehr aufzuhalten ist? Da merkt einer, daß es heute noch nicht unbedingt nötig ist, Mädchen in Girl zu übersetzen, damit’s die Deutschen verstehen, oder er denkt sich: Man muß ja auch was für das Viertel oder Drittel der Bevölkerung Deutschlands tun, das gar kein Englisch kann, und darum übersetzt er Girl ins Deutsche. Aber dann erschrickt er über sein Vorpreschen und übersetzt zum Ausgleich Day ins Blähdeutsche und macht Zukunftstag daraus.
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Neues zu Steckeleslauf
gibt's heute auf der Wahrheit-Seite der taz, leider nur in der gedruckten Ausgabe.
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Veitstanz in Baden-Württemberg
„Die für verbotene Waffen maßgebende Übergangsvorschrift des § 58 Abs. 7 WaffG sieht – im Gegensatz zu der für unerlaubt besessene Waffen geltenden Regelung des § 58 Abs. 8 WaffG – überhaupt keine Abgabe verbotener Waffen bei den zuständigen Behörden und Polizeidienststellen vor.“ Das antwortete die baden-württembergische Ministerin für Kultus, Jugend und Sport auf eine „Kleine Anfrage des Abg. Michael Theurer FDP/DVP“.[1]
Waffen können also besessen sein, und nicht nur das, sie können sogar eine Erlaubnis dafür bekommen. Denn unerlaubt besessene zu schreiben ist nur sinnvoll, wenn es auch erlaubtermaßen besessene gibt. Im Rechtswesen kenne ich mich zwar nicht aus, liege aber sicher richtig mit der Vermutung, Besessenheit führe dazu, daß man für schuldunfähig erklärt wird oder wenigstens mildernde Umstände bekommt. Anwälte von Amokläufern könnten also, wenn sie mit dem Versuch gescheitert sind, die Richter zu überzeugen, ihr Mandant sei vom Teufel besessen gewesen, einen zweiten Anlauf nehmen und ins Feld führen, daß die Waffe besessen gewesen sei. Wenn sie dazu gar noch eine Erlaubnis hatte, stehen die Chancen in dem Prozeß gut.
Manche sind zwar der Meinung, nur beseelte Wesen könnten besessen sein. Aber diese Sicht scheint im Schwinden. So beschimpft auf einem von österreichischen Linksradikalen betriebenen Internetauftritt (gibt es dafür kein deutsches Wort? Ich meine nicht für Internet, sondern für dessen Kombination mit Auftritt) ein Antifaschist einen anderen: „Du bist einfach nur ein besessener seelenloser Aktivist“.[2] Da wird also ausdrücklich festgestellt, daß etwas auch dann besessen sein kann, wenn es ohne Seele ist.
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Mittwoch, 13. April 2011
Microsoft versucht's auf deutsch
„Sie können E-Mail-Nachrichten, Kontakte, Ereignisse und sogar die Nachrichtenanlagen mehrerer Jahre in wenigen Sekunden durchsuchen. Anschließend können Sie die Suchvorgänge speichern, um Ansichten zu erstellen, die automatisch aktualisiert werden.“ („Willkommen bei Microsoft Entourage 2008“)
Daß man E-Mail-Nachrichten durchsuchen kann, leuchtet mir ein, ich habe das selbst schon oft gemacht. Wie aber durchsucht man einen Kontakt? Bei einer Kontaktperson geht’s, das kennt man z. B. aus Agentenfilmen, aber bei einem Kontakt? Das ist genauso unmöglich wie das Durchsuchen von Ereignissen. Ob man Nachrichtenanlagen durchsuchen kann, weiß ich nicht, weil ich nicht weiß, was Nachrichtenanlagen sind. Die deutsche Sprache kennt dieses Wort nicht, ja man darf vermuten, daß seine Bildung gar nicht möglich ist, es sei denn, es wäre so etwas gemeint wie eine Grünanlage, in der aus Lautsprechern ständig Nachrichten dröhnen. In China mag es derartiges während der Kulturrevolution gegeben haben. Wenn das Nachrichtenanlage hieße, man könnte es hinnehmen.
Und Vorgänge soll man speichern können. Das geht nicht. Getreide kann man speichern, den Vorgang des Getreidespeicherns aber nicht, weder im Getreidespeicher noch in einem elektronischen noch in irgendeinem anderen, während sich durchaus die Erinnerung an den Vorgang im Gedächtnis speichern läßt. Man kann Vorgänge auch nicht bearbeiten, selbst wenn das die Geldautomatenbetreiber täglich -zig mal behaupten und uns damit an die allgemeine Gehirnerweichung gewöhnen.
Was aber wird mit den Ansichten gemeint sein, die erstellt werden? Ich kann an einer Ansicht festhalten, ich kann meine Ansichten ändern. Aber erstellen? Nun gibt es auch, das wird dem von Microsoft Gemeinten vielleicht näherkommen, z. B. eine Seitenansicht. Doch kann man die erstellen? Das soll mir Microsoft erst einmal vormachen, bevor ich’s glaube.
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Dienstag, 12. April 2011
Perlenfischen im Diversity Management
„...Inklusion von Personen oder Gruppen verschiedener Differenzkategorien. Diversity Management betont – stärker als Gleichstellungskonzepte – die Erfordernisse eines gezielten Managementhandelns und damit auch Anforderung an organisationale Lern- und Veränderungsprozesse.“[1]
Perlen über Perlen, aber die prächtigste: organisationale! Jahrzehnte habe ich an der Universität, also direkt an der Quelle aller geistigen Innovationen, zugebracht, doch das ist mir nicht begegnet. Was man wohl studieren muß, um so schreiben zu lernen? Vielleicht International Business Communication? Eventmanagement? Tourismus und Travelmanagement? Oder Business Engineering and Administration? Urbanes Freiraum- und Pflanzenmanagement? Prozess- und Qualitätsmanagement? Gibt es heute alles. Aber zu meiner Zeit gab es da ja leider noch nicht, da studierte man halt Philosophie, Juristerei und Medizin und leider auch Theologie etc., Fächer, in denen es sprachlich wesentlich bescheidener zugeht.
Montag, 11. April 2011
Dazu lernen und dazulernen
„Vom Atomkraftgegner zum -befürworter. Der amerikanische ‚Umweltaktivist’ Stewart Brand demonstriert, wie man dazu lernt“, lautet die Überschrift eines Artikels auf http://www.heise.de/tp/blogs/2/149641.
Der Autor – oder der Überschriftenschreiber – sollte sich bemühen, noch ein wenig dazuzulernen. „Dazu lernen“ und „dazulernen“ sind keineswegs bedeutungsgleich.
Unfallträchtige Sprache
„Ein Schneemobil-Fahrer ist am frühen Freitagmorgen bei Malleray im Berner Jura tödlich verunfallt,“ schreibt die Neue Zürcher Zeitung.[1] Meinetwegen, die Schweizer können zuhause reden wie sie wollen. Wenn aber in der Jungen Freiheit, einer der deutschesten aller deutschen Zeitungen, von NPD-Parteiblättern einmal abgesehen, steht: „Wer sich gegen das System“ – das der DDR natürlich – „gestellt hat, es in Frage gestellt hat oder zu den falschen Themen öffentlich die falschen Bemerkungen gemacht hat, der hatte mit der Vernichtung seiner Existenz zu rechnen, konnte verunfallen, wurde eingesperrt oder öffentlich demontiert“,[2] dann muß man wieder einmal mit Karl Kraus feststellen: „Deutsch ist die Sprache derer, die zwar deutsch fühlen, aber nicht Deutsch können.“
Sonntag, 10. April 2011
Liebäugeln
CDU möchte Wanderer bilden
In den Nachrichten kam, daß die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Frau Maria Böhmer (CDU), möchte, daß für die Bildung der Migranten[1] mehr getan werde.
Sehr gut, Frau Integrationsbeauftragte, denn das ist bitter nötig! Was waren die Migranten, also die Wanderer, früher doch für gebildete Leute! Und wenn sie nicht gebildet waren, so waren sie doch wenigstens bildungshungrig. Sie migrierten mit der Wanderkarte in der Hand von Ritterburg zu Hünengrab und von Hünengrab zu Wehrkirche, um sich zu bilden, und manche unter ihnen, die sogenannten fahrenden Scholaren, zogen sogar von Universität zu Universität. Und heute? Sie tun’s nur noch, um ab- oder nicht zuzunehmen und aus ähnlichen bildungsfernen Gründen. Früge man sie, erführe man gewiß Erschreckendes. Viele wüßten wohl nicht einmal, daß das, was sie tun, wandern heißt, gar das Fremdwort migrieren dürfte ihnen gänzlich unbekannt sein. Walken würden sie ihre Tätigkeit vielleicht nennen, besonders wenn sie dazu zwei Stecken benutzen.[2]
Jean Paul hat zwar nicht die Wanderer, sondern die Spaziergänger in vier Kasten eingeteilt, doch das paßt auf unseren Fall auch: Die heutigen Migranten fallen alle in die unteren beiden. In der zweituntersten Kaste „rennen die Gelehrten und die Fetten, um sich eine Motion zu machen“, in der untersten aber die „jämmerlichsten, die es aus Eitelkeit und Mode tun“. Hätte er die heutige Mode nicht nur der Spaziergänger und Migranten, sondern der sich in der Freizeit Bewegenden insgesamt gekannt: Er hätte noch eine weitere, allerunterste Kaste gebildet.
[2] Man nennt das darum auch Steckeleslauf, siehe http://deutsche-sprak.blogspot.com/2011/02/nordic-walking.html
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Samstag, 9. April 2011
Andenken fast gerettet
In der Berliner Charité arbeitet man daran, Gedanken auf Maschinen zu übertragen und auf diese Weise irgendein Ding, z. B. einen Schalter, in Bewegung zu setzen.[1] Das stimmt hoffnungsfroh. Denn dadurch könnte es möglich werden, einen Wortgebrauch, der bisher vor allem in der Welt der Politik grassiert und uns von dort aus peinigt,[2] einen vernünftigen Sinn zu geben: „Liebling, kannst du mal das Licht andenken?“
[2] Siehe FDP kämpft gegen Andenken (http://deutsche-sprak.blogspot.com/2011/04/fdp-kampft-gegen-andenken.html).
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Freitag, 8. April 2011
FDP kämpft gegen Andenken
„FDP Jena sagt Nein zur angedachten Bettensteuer“, nämlich zur von der Koalition aus SPD, Grünen und CDU „angedachten“.[1]
Endlich rührt sich mal einer! Das geht einem ja auch so was von auf die Nerven! Nichts wird mehr durchdacht in der Politik, nachgedacht wird sowieso nicht, und nicht einmal mehr ausdenken können sie sich etwas, selbst eine Bettensteuer überfordert sie. Immer nur andenken und schwupp sind sie schon wieder woanders.
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Donnerstag, 7. April 2011
Leben für FDP-Inhalte
„Gerade das Leben in Berlin-Mitte steht für unsere Inhalte“,[1] behauptet die FDP. Die Frage, was die Inhalte gerade der Berliner FDP sein mögen, habe ich mir schon gestellt und nicht beantworten können.[2] Aber was immer sie sein mögen: Die Frage, was es heißen soll, daß ein Leben für Inhalte steht, ist noch um einiges schwieriger.
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Mittwoch, 6. April 2011
Die Inhalte der FDP und der Grünen
„Ich nehme schon nach zehn Monaten als Fraktionsvorsitzender wahr, dass uns die Menschen deutlich mehr zuhören und wir dadurch unsere Inhalte deutlich besser transportieren“, sagte der Berliner FDP-Politiker Christoph Meyer.[1]
Wie man deutlich besser transportiert, weiß ich nicht, und wieso das so sein soll, weil „die Menschen“ (darunter tun sie’s nicht, die Politiker) deutlich mehr zuhören, weiß ich auch nicht. Ich weiß nicht einmal, was ich mir unter „deutlich mehr zuhören“ vorstellen soll. Zwar ahne ich etwas, doch nur undeutlich, während ich durchaus eine deutliche Vorstellung davon habe, was „deutlich hören“ heißt. Vor allem aber frage ich mich, was „unsere Inhalte“ bedeuten soll. Was ist drin in der FDP? Die Summe dessen, was in den einzelnen Mitgliedern drin ist? Was diese am Tag vorher in sich aufgenommen haben?
Die Grünen werden da schon deutlicher: „Unsere Inhalte Klima, Bildung, soziale Gerechtigkeit und kommunale Finanzen bleiben unser Maßstab.“ (Sylvia Löhrmann nach faz.net[2].) Trotzdem bleiben Rätsel. Wie kann das Klima Inhalt der Grünen sein? Paßt es denn in die hinein? Bildung schon eher, die kann man einem ja, jedenfalls nach Meinung mancher, geradezu eintrichtern. Den Sinn der Behauptung, daß Bildung der Maßstab der Partei bleiben soll, glaube ich zu verstehen, auch wenn der Ausdruck etwas arg schief geraten ist. Bei der sozialen Gerechtigkeit geht es mir ebenso, bei den kommunalen Finanzen wird’s schon schwieriger und beim Klima will sich das Dunkel gar nicht lichten.
„Und wenn wir das ernst meinen, dass unsere Inhalte entscheiden, dann müssen wir erst nach der Wahl entscheiden, wer die meisten unserer Inhalte gemeinsam mit uns umsetzen wird.“ (Ebenfalls Sylvia Löhrmann.)[3]
Die Inhalte entscheiden also. Wird man das Klima nun einen Entscheidungsträger nennen müssen? Die Grünen entscheiden auch, und zwar angeblich, „wer die meisten unserer Inhalte gemeinsam mit uns umsetzen wird“. Da überschätzen sie ihre Entscheidungsmacht. Ob sie überhaupt etwas mit den Grünen umsetzen wollen, müssen die anderen Parteien entscheiden. Diese könnten es sich einerseits ein wenig einfacher machen: Es reicht, wenn sie die Inhalte mit den Grünen umsetzen; sie müssen das nicht gleich, wie Frau Löhrmann will, gemeinsam mit ihnen tun, denn das wäre auch nichts anderes. Andererseits ist die Sache schwieriger als Frau Löhrmann sie sich gedacht hat. Ein Klima umzusetzen[4] ist jedenfalls beim heutigen Stand der Technik gar nicht möglich. In fernerer Zukunft aber wird man es vielleicht hinbekommen, daß man z. B. ein mediterranes Klima nach Skandinavien umsetzt.
Im Übrigen: Inhalt ist ein Singularetantum. Wenn eine Einkaufstasche Gurken, Tomaten und Eier enthält (für die Jüngeren: beinhaltet), dann sind das nicht die Inhalte der Tasche. Es ist ihr Inhalt.
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Dienstag, 5. April 2011
Glaubwürdiger Glaube
„Es ist eine besonders schwere Sünde, wenn jemand, der eigentlich den Menschen zu Gott helfen soll, dem sich ein Kind, ein junger Mensch anvertraut, um den Herrn zu finden, ihn stattdessen missbraucht und vom Herrn wegführt. Dadurch wird der Glaube als solcher unglaubwürdig, kann sich die Kirche nicht mehr glaubhaft als Verkünderin des Herrn darstellen." So dessen Stellvertreter im bekannten Kondom-Interview.
Aber, aber, Herr Professor, wo bleibt Ihre vielgerühmte Intelligenz? Würdig, geglaubt zu werden, ist „der Glaube“ entweder oder er ist es nicht. Daran ändern auch noch so viele Priester, die Kinder mißbrauchen, nichts. Die Kirche des Herrn Ratzinger hat allerdings Schwierigkeiten, sich glaubhaft als Verkünderin darzustellen, da hat er recht. – Ach so, das haben Sie ohnehin gemeint? Jedenfalls so ähnlich? „Der Glaube“ ist der Glaube an die Priester? Na dann ist ja alles in Ordnung, wir nehmen Sie wieder auf in den Kreis der Intellektuellen, in den Sie ja einst durch die Bemühungen des bunten Blattes Cicero zur Überraschung nicht weniger geraten sind.
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Sonntag, 3. April 2011
Spaßtragödie
„Viel Spaß bei der Aufführung“ wünscht einer, der Karten für Die Lustigen Weiber von Windsor loswerden will.[1] Da tut er völlig recht, so gehört es sich. „Viel Spass auf den Festspielen“ wünscht festivalvorverkauf.com/Salzburger-Festspiele.[2] Das geht auch noch, denn die Salzburger Festspiele sind ja nach verbreiteter Meinung eher ein Funevent als ein Kulturereignis.
Kritischer wird’s schon in Bayreuth. Dort geht es in unergründliche Tiefen und hoch her nur im regierenden Clan, und man muß zumindest vor sich und anderen den Eindruck erwecken, man sei vom Weltendrama ergriffen; wem es dort Spaß macht, der sollte besser gleich nach Hause fahren. Aber auch in Bayreuth – ich hab’s erlebt – kann es passieren, daß einem die Türsteherinnen „viel Spaß“ wünschen. Wundern muß man sich darüber nicht. Die sind sehr jung und stehen noch ganz unter dem Eindruck des nach den neuesten Erkenntnissen der Erziehungswissenschaft zugerichteten Schulwesens. In diesem wird einem mit Hilfe von Unterrichtsmaterialien zu „Der Ring des Nibelungen“ folgendes beigebracht: „Und am Wichtigsten ist, viel Spaß zu haben!“[3]
Doch selbst das kann man noch durchgehen lassen, denn nach Auffassung großer Wagner-Kenner – der auf diesen Seiten schon mehrfach lobend erwähnte Eckhard Henscheid ist hier zu nennen – sind die Bühnenweihspiele in Wirklichkeit lustig. Wolfgang Wagner, der sie über ein halbes Jahrhundert beherrschte, wollte, das ist so der Patriarchen Art, davon nichts wissen. Aber seine beiden Töchter – die neuen Leiterinnen – haben es begriffen. Sie fangen, was uns sehr für sie einnimmt, bescheiden auf dem alleruntersten Niveau des Spaßgewerbes an und nennen den Internetauftritt ihres neuen Unterstützervereins wir-sind-festspiele.de.
Schlimm wird es aber jetzt: „Viel Spass beim Lesen!“ gibt einem der Rezensent einer Neuausgabe des Faust, der Tragödie erster Teil auf den Weg.[4] Und nicht nur er. Abertausende von Treffern erhält man, wenn man bei Google nach Verbindungen von Viel-Spaß-Wünschen und diesem Werk sucht. Die allgemeine Verwirrung ist auf ihrem Siedepunkt angekommen (falls Verwirrungen sieden können). Den Sinn des Wortes Spaß hat man ebenso vergessen wie den Sinn einer Tragödie. Eine Computerfirma fordert uns auf: „Verändern Sie Ihren Video-Chat in Echtzeit mit lustigen Spaßeffekten und erstaunlichen Hintergrundeffekten, die den Spaßfaktor von Photo Both mit Videokonferenzen vereinen.“ (Willkommen bei iChat) Abgesehen von allerlei, unter anderem davon, daß man offensichtlich keine Ahnung mehr hat, was das Wort Effekt bedeutet (oben genannter R. Wagner hat es definiert als „Wirkung ohne Ursache“; unter einem Spaßeffekt könnte man sich also, wenn auch mit einiger Mühe, vielleicht ein unmotiviertes Gekicher vorstellen, wie es bei Mädchen im Backfischalter häufiger vorkommt) – abgesehen von allerlei also: Man ist offenbar der Meinung, daß es außer lustigen Spaßeffekten auch andere gibt, z. B. traurige.
Was den Sinn des Wortes Spaß angeht: Der Thesaurus im Word-Programm nennt nur zwei Synonyme: Possen und Narretei. Das ist zwar gewiß nicht ganz vollständig, kommt aber den Kern der Sache nahe, und vor allem legt es den Gedanken nahe, daß man die heutige Gesellschaft unter Verwendung eines Synonyms für das Wort, mit dem sie sich selbst so gerne bezeichnet, am besten eine Narretei-Gesellschaft nennt.
[3] UNTERRICHTSMATERIALIEN ZU „DER RING DES NIBELUNGEN“ vom „Jungen Musiktheater Hamburg“,www.opernloft.de/downloads/jmhumderring.pdf (3.4.2011).
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