In Henscheids Dummdeutsch-Lexikon fehlt zwischen Entsorgungspark und Erbrezeption
die Entspannung, obwohl die damals, zu Beginn der 90er, ihr Unwesen schon
trieb, und wie! (Segensreich wirkte sie 20 Jahre früher, in der Politik.)
Nichts gab es und gibt es heute, von der Arbeit (für die Jüngeren unter Ihnen:
dem Job) abgesehen, was nicht entweder der Entspannung wegen getan wird oder
weil es Spaß macht. Diese beiden Wörtchen schließen die ganze Welt uns ein wie
weiland dem Burschen das Ja und das Nein der geliebten Müllerin. Der
Unterschied ist nur, daß zwischen diesen ein gewaltiger, ja unendlich großer Abstand lag,
eben die ganze Welt, während zwischen Entspannung und Spaß eigentlich gar
keiner besteht, weshalb die Welt ziemlich geschrumpft erscheint. „Spaß entspannt“, belehrt uns wirtschaftspsychologie-aktuell.de, und es gibt ein Hotel, das einen „Anfänger Bereich“ hat, und das ist ein „Bereich, in dem
fun entspannt“. Die
italienischen Hotels scheinen noch nicht so weit zu sein. Spaß gibt es da
scheint’s nicht, sondern außer der Entspannung bekommt man nur Relax: „Das herrliche Wellness Center des Hotel Carlos V sorgt bestimmt
rundum für Relax und Entspannung.“
Aber
vielleicht ist dort ja die Verschmelzung von Spaß und Entspannung schon so weit
fortgeschritten, daß es reicht, nur eines von beidem zu erwähnen.
In dem Radioprogramm BR Klassik
dürfen sich täglich Kinder ein Musikstück bestellen (für die Jüngeren unter
Ihnen: ordern). Sie wünschen sich gern „etwas mit Geige“ von Mozart, weil sie
selber Geige spielen, oder „etwas mit Klavier“ von Haydn, weil das entspannend
ist. So bedrohlich, wie man glauben möchte, ist es aber noch nicht. Die Kinder
plappern halt nach, was sie von den Erwachsenen hören, und in bildungsbürgerlichen
Häusern redet man heute nun einmal so. Das Kind, das Musik hört oder überhaupt
irgend etwas tut, weil es sich entspannen will, muß erst noch geboren werden.
Sollte das geschehen, wäre den Eltern zu raten, einen Arzt zu Rate zu ziehen.
Auch bei den Erwachsenen ist's nicht ganz so schlimm. Nur ein Bruchteil
derer, die es behaupten, tut etwas wegen der Entspannung. Es ist durchaus
fraglich, ob schon einmal jemand aus diesem Grund einen Spaziergang gemacht
hat. Bei einem solchen kann zwar durchaus eine Entspannung eintreten, jedoch
nur nebenher, sie ist keinesfalls das Motiv. Den Irrglauben, sie liefen
ihretwegen, haben den Menschen die Vertreter der Lebenshilfeindustrie
eingeschwatzt, um ihnen leichter ihre Produkte aufschwatzen zu können.
Die wahren Gründe sind ganz andere. „Ein Mann von Verstand und Logik“, schreibt Jean Paul, „würde meines
Bedünkens alle Spazierer, wie die Ostindier, in vier Kasten zerwerfen.“
Die beiden oberen dürften heutzutage unter den aus der Logik bekannten Begriff
der leeren Klasse fallen: Solche Spaziergänger gibt es nicht mehr, „in deren
Kopfe die Augen des Landschaftmalers stehen, in deren Herz die großen Umrisse
des Weltall dringen, und die der unermeßlichen Schönheitlinie nachblicken,
welche mit Efeufasern um alle Wesen fließet“. Das wären die der zweiten Kaste
von oben, und über ihnen stehen noch die „Menschen, die nicht bloß ein
artistisches, sondern ein heiliges Auge auf die Schöpfung fallen lassen ... die
den tiefen Tempel der Natur nicht als eine Villa voll Gemälde und Statuen,
sondern als eine heilige Stätte der Andacht brauchen – kurz, die nicht bloß mit
dem Auge, sondern auch mit dem Herzen spazieren gehen....“. Die kommen also
nicht mehr vor, übrig geblieben sind die beiden unteren Kasten. Die Angehörigen
der vorletzten spazieren „weniger, um zu genießen, als um zu verdauen, was sie
schon genossen haben ... oder aus einem tierischen Wohlbehagen am schönen
Wetter“, und schließlich, ganz
unten, da „laufen die jämmerlichsten, die es aus Eitelkeit und Mode tun und
entweder ihr Gefühl oder ihre Kleidung oder ihren Gang zeigen wollen.“
Ich komme zurück. Entspannung und Spaß schließen, wie gesagt, die ganze
Welt uns ein, allerdings nur, soweit sie nicht in Arbeit besteht. Doch man
arbeitet emsig daran, diesem Mißstand abzuhelfen: Natürlich gibt es den entspannenden
Job und den entspannten Job und seit langem die Entspannungsarbeit, schon gibt
es aber auch den Entspannungsjob, und sogar den Funjob und die Funarbeit. –
Entspannung und Spaß sind nicht, wie wir gesehen haben, zwei Pole, zwischen denen
sich die Freizeitwelt aufspannt. Vielmehr bedeutet Entspannung tendenziell
nichts anderes als Spaß und Spaß ist das, wozu man auch Entspannung sagen kann,
zumindest ist Spaß entspannend, und genau deshalb möchte man Spaß haben, und
Entspannung macht Spaß, genau darum entspannt man sich.
Nun mischt sich aber ein drittes Wort ein, so daß man vielleicht die These
wagen könnte, die Welt werde nach eine Phase der Verödung wieder komplexer, nicht
zwei-, sondern dreipolig: Spannung. Doch die Hoffung trügt. Es ist nur ein
weiteres Wort, kein weiterer Begriff. Spannung bedeutet tendenziell eben das,
was Entspannung bedeutet und was Spaß bedeutet: „Spannung entspannt“, haben
die Top-Forscher von muellerscience.com.at bittet uns: „Lassen Sie
uns für Sie planen und organisieren, damit alle das Ereignis mit Spannung entspannt geniessen können“.
Sie hätten auch schreiben können: damit alle das Ereignis entspannt gespannt
genießen können.
Einen Funken der Hoffnung aber läßt ein anderes Ereignis aufglimmen: In BR Klassik wünschte sich die elfjährige
Laura aus dem Landauer Gymnasium das Air von Bach, und zwar nicht weil es
entspannend, sondern weil es berühmt ist.
Ich schlage vor, das Mädchen umgehend aus seinem Lernumfeld,
das sicher suboptimal ist, weil es dort von Underachievern nur so wimmelt, herauszulösen und in eine Hochbegabtenklasse aufzunehmen, und
ich wünsche ihm eine glanzvolle Karriere.
www.wunderbar-media.at/wm_event_und_Messeplanung.htm