Dienstag, 28. Februar 2012

So nicht gesagt


„FOCUS: Sie sind mit der Leistung aller drei FDP-Minister also rundum zufrieden? Lambsdorff: Das haben Sie behauptet. Das habe ich so nicht gesagt.“[1]
Er hat es also, das gibt er zu, gesagt, nur nicht so. Er hat es mit anderen Worten gesagt. Vielleicht hat er statt „rundum“ „in jeder Hinsicht“ gesagt.
Das war 1997. Lambsdorff ist damals vorgeprescht. Heute bringt „das habe ich so nicht gesagt“ 178.000 Treffer bei Google. Alle von Leuten, meist wohl Politikern, die einem Vorwurf unumwunden Recht geben, aber darauf insistieren, eine andere sprachliche Einkleidung gewählt zu haben. Und da heißt es immer, heutzutage möchte keiner mehr eine Verfehlung zugeben.
Na ja, gemeint haben sie ja vermutlich allesamt etwas anderes, als sie gesagt haben.

Montag, 27. Februar 2012

Strukturaufkocher

„Das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundeskriminalamt setzen den Schwerpunkt dabei auf das Ziel der verstärkten Aufhellung bestehender militanter Strukturen und eine vermehrte analytische Aufbereitung linksextremistischer Gewalttaten.“ Das kam aus dem Bundesinnenministerium, der taz[1] zufolge.
Welch ein Satz! Da werden die militanten Strukturen aber gelb werden vor Neid; so schön bekommen sie es selber nicht hin, wie man hier sieht: „Angesichts wachsender Repression und Nazigewalt gegen linke Strukturen ist es dringend notwendig, ein starkes Zeichen gegen Nazis und für Autonome Zentren zu setzen. …. Die Angriffe gegen die linksradikale Szene von Seiten des Staates stehen nicht in einem luftleeren Raum: Durch ihre basisdemokratische und emanzipatorische Struktur stellen Autonome Zentren einen konkreten Gegenentwurf zum parlamentarischen Politik-Verständnis, zu Nationalismus, Rassismus und der Festung Europa dar. Sie ermöglichen unkommerzielle Subkultur, politisches Arbeiten und versuchen durch Selbstorganisation dem Staat die Grundlage für seine Herrschaft auf allen Ebenen zu untergraben.“[2] Das steht auf einer Freiburger Autonomen-Internetseite. Man möchte gern wissen, wer da wessen Stil kopiert.
Ich hätte einige Fragen an das Innenministerium. Warum reicht es nicht, den Schwerpunkt auf die Aufhellung zu setzen? Warum muß er auf das Ziel der Aufhellung gesetzt werden? Vielleicht schreibt man bei der Polizei einfach gerne Ziel. Gehört es doch zu ihren vornehmsten Aufgaben, stets genau ins Ziel zu treffen, etwa beim finalen Todesschuß; oder heißt es Rettungsschuß?
Daß man Strukturen aufhellen möchte, ist verständlich. Strukturen sind ja oft schwer zu erkennen; strukturalistische Wissenschaftler forschen nicht selten ihr Leben lang und es will und will nicht heller werden. Überflüssig finde ich aber das „bestehende“, denn die Aufhellung zukünftiger Strukturen wird einem sowieso nicht gelingen, und für die Aufhellung vergangener bezahlen wir das Innenministerium nicht, dafür haben wir die Historiker.
Was aber wohl militante Strukturen sein mögen? Militante Menschen und auch Gruppen, darunter kann ich mir etwas vorstellen. Aber Strukturen? Werfen denn Strukturen Steine auf Polizeiautos? Um militant sein zu können, muß man zunächst einmal eine Person sein, muß Willen und Bewußtsein haben, vor allem politisches. Da reicht es nicht, einfach nur ein Lebewesen zu sein. Auch der bissigste Hund ist kein militanter. Und gar eine Struktur! Der fehlt doch alles zu einem Militanten!
Und dann will man Gewalttaten aufbereiten. Das wird wohl etwas Ähnliches sein wie aufkochen, nur daß es halt, wie man uns mitteilt, analytisch zugeht, beim Kochen dagegen synthetisch. Man kann die Gewalttaten dann noch einmal benutzen bzw. genießen. Aufbereiten kann man auch die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Untersuchung, z. B. über Gewalttaten. Das kann bedeuten, die Daten in eine bestimmte Ordnung zu bringen, Überflüssiges wegzulassen usw., damit man einen besseren Überblick hat. Allerdings ist das etwas ganz anderes als die Aufbereitung der Gewalttaten selbst.

Freitag, 24. Februar 2012

Politik der Nähe


„Wäre es da eigentlich nicht viel nahe liegender, darüber zu diskutieren, ob auch homosexuelle Paare Kinder adoptieren dürfen? Ich würde das begrüssen.“ (Gemeinderätin Hahn, SPÖ, Sitzung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Linz)[1]
Du Politikerin? SPÖ Politikerin? Gut! Du viel nahe? Nahe bei Menschen? Sehr gut! Was heißt liegender? Ich nicht gut deutsche Grammatik. Aber nahe liegen gut. Viel nahe stehen nix gut, tun Füße weh.

Donnerstag, 23. Februar 2012

Parkverbot!

Gewerbepark, Erlebnispark und Forschungspark, Wohnpark, Ferienpark, Urlaubspark, Wellnesspark, FitnessPark und Fitneß Park und Fitnesspark und Fitness-Park, Sportpark, Golfpark, Tennispark, Lernpark, Bildungspark (37.000 Treffer), aber weit übertroffen von Bildungscenter (126.000), Ausbildungspark, Seniorenpark, Datenpark, Schlagerpark, Walkingpark, Umweltpark, „Der Schlosspark wird zum Sprachpark“, Musikpark, Klassikpark, Pflegepark, Filmpark, Zukunftspark, Innovationspark, Verkehrspark, Jobpark, auch  Parkjob (und das kann offenbar dreierlei bedeuten: (1) Job, auf dem man parkt, d. h. auf einen besseren wartet, (2) umgraben und mähen, (3) einparken), Kompetenzpark, Teampark, Kreativpark, Partnerpark, Servicepark, Softwarepark, Hardwarepark, biblischer Sinnpark, KarrierePark, Ökopark, Windpark, Abenteuerpark und adventure park, Cleanpark und Clean-Park, Entsorgungspark, natürlich Entspannungspark, Eventpark, Saunapark, Outdoorpark, Indoorpark, Vitalpark, Beautypark, Anti-Aging-Park, Gesundheitspark, Spaßpark, Funpark (in Trittau heißt er fun-parc), Party-Park, Nachhaltigkeitspark, „Die Netzwerk Arena als interaktiver Netzwerk Park mit einem ‚Live Chat Room’“, Kommunikationspark, Trauerpark, Projekt Trauerpark, Wettbewerbspark, Marketingpark, überraschend selten Dynamikpark und Prozeßpark, Investmentpark natürlich sehr oft, auch Chatpark gibt es oft, Aktiv Park, Actionpark (Zehntausende von Treffern), Kulturpark, Fantasiepark, Fantasy Park und Phantasiepark, Baby Park und Babypark, Basis-Park, Begegnungspark, Lyrik-Park, Prosapark (die Werke von Jane Austen), Urlaubspark, Biopark, Biologiepark, Wir sind kein Betroffenheitspark, Business-Park, Paradies-Park und, was auch deutsch sein soll, Paradise Park, Erinnerungspark, Modell-Park, Model Park (deutsch), Design-Park, Connection-Park, Integrationspark, Stabilitätspark, Drive-Park, ferner Entsorgungspark, Ereignispark, Wohlfühlpark, Gender-Park (in Wien eröffnet), Frauenpark, Freiraumpark, Friedenspark, Konzeptpark, Gefühlspark, Glückspark, Hygienepark, sowie über 100.000 Treffer für Ideenpark und IdeenPark.
Ein Park scheint etwas völlig Beliebiges zu sein, ein x, das sich mit jedem Wort, das es überhaupt nur gibt, verbinden läßt, vor allem aber mit Wörtern aus dem Dummdeutsch- und dem überfälligen Deppendeutsch-Lexikon.
Aber nein, manches sperrt sich offenbar beharrlich. Kernkompetenzpark gibt’s seltsamerweise ebensowenig wie Sprachkompetenzpark, obwohl es doch bereits Kompetenzpark gibt; und es gibt keinen Einkaufspark, keinen Einwegpark, wohl aber einen Mehrwegpark; keinen Du-Darfst-Park und keinen Frische-Park, keinen Fairnesspark, völlig überraschend auch keinen Komplexpark, und weder einen Ganzheitlichkeitspark noch einen Ganzheitspark. 

Mittwoch, 22. Februar 2012

Amis beim Bibelschwung

„Deutsche Hollywood-Filmer und kalifornische Saab-Fahrer kündigten einen Massenexodus nach Old Europe an. Dort die Festung Bibel schwingender Hinterwäldler. Hier der Hort kritischer Rationalität. Ach, wirklich?“ So die bekannten Kritiker grüner und linker Ideologien Maxeiner und Miersch in Cicero.[1]
Ach, wirklich? Maxeiner und Miersch meinen, die Europäer seien nicht weniger religiös als die Amerikaner, nur halt nicht christlich, sondern ökologistisch. Mag sein. Ich habe einen anderen Einwand: Die amerikanischen Hinterwäldler schwingen nicht nur Fahnen, sondern auch Bibel? Haben Sie schon einmal Bibel geschwungen? Bibeln könnten Sie geschwungen haben; halte ich für unwahrscheinlich, aber nicht für unmöglich. Bibel schwingende Hinterwäldler aber sind nicht einmal im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, das zugleich das Land der bibelschwingenden Fundamentalisten ist, möglich.




[1] Feb. 2005.

Dienstag, 21. Februar 2012

Neusprech: Die Wirtschaft


„Der Entwurf des neuen FDP-Grundsatzprogramms ist nicht so sozial wie ursprünglich angekündigt. Es zielt wieder auf wirtschaftsnahe Wähler.“[1]
Mir hat noch nie eingeleuchtet, wieso ein Autobauer der Wirtschaft weniger nah sein soll als einer, der am Autobauen verdient. Autobauen und ähnliche Dinge – das ist es doch, was die Wirtschaft ausmacht, dachte ich. Aber man muß es wohl so verstehen: Wirtschaft ist da, wo Geld verdient wird, und wo viel Geld verdient wird, ist viel Wirtschaft. Darum ist einer, der, und sei es auch ganz unverdient, am Autobauen hundertmal so viel verdient wie einer, der Autos baut, der Wirtschaft hundertmal näher als einer, der Autos baut. Das erklärt auch, warum die, die Autos bauen, die Wirtschaftsfernen also, immerzu gegen die Wirtschaft sind, obwohl die Wirtschaft ohne die Wirtschaftnahen vielleicht, man weiß es ja nicht, ein wenig schlechter funktionieren würde als jetzt, aber, und das weiß man sicher, es ohne die Wirtschaftsfernen die Wirtschaft gar nicht gäbe.

Montag, 20. Februar 2012

Multiperspektivitätsfeedback

Das 360°-Feedback (auch: 360-Grad-Beurteilung, Multi-Rater-Feedback) ist eine Methode zur Einschätzung der Kompetenzen und Leistungen von Fach- und Führungskräften aus unterschiedlichen Perspektiven wie zum Beispiel aus Sicht der Mitarbeiter, der Vorgesetzten, der Kollegen, Teammitglieder oder Kunden (Prinzip der Multi-Perspektivität im Kanon der Verfahren der Management-Diagnostik).“[1]
Eine Führungskraft bin ich zwar nicht, auch wenn ich z. B. gegenüber meinen Kindern gelegentlich Führungsfunktionen ausgeübt habe, als sie noch klein waren. Aber eine Fachkraft könnte ich mich schon nennen, und daß man meine Kompetenzen und Leistungen aus unterschiedlichen Perspektiven eingeschätzt hat, ist mir schon oft passiert, ja, wenn man’s genau nimmt, eigentlich jeden Tag. Jetzt, wo ich erfahre, was man da mit mir angestellt hat, nämlich ein 360°-Feedback, ja, schlimmer noch, daß man das Prinzip der Multi-Perspektivität im Kanon der Verfahren der Management-Diagnostik auf mich angewendet hat – jetzt frage ich mich, ob ich mir das hätte gefallen lassen sollen.

Freitag, 17. Februar 2012

Hilfestellung in der Parallelwelt

„Beobachten und steuern Sie den Bildschirm eines Kontakts über das Internet mit der Bildschirmfreigabe und arbeiten Sie so mit anderen Benutzern zusammen oder leisten Sie Hilfestellung.“ („Willkommen bei iChat“)
Vieles sah ich / Seltsames fand ich / Doch solches Wunder gewahrt’ ich nie. Alberichs Tarnhelm ist gemeint. Aber der konnte sicher den Nibelung nicht so vollständig verbergen wie jener Satz den Sinn, den sein Autor im Sinn gehabt haben mag.
Hat man je derart Geheimnisvolles gelesen? Wie kann man mit einer Freigabe beobachten? Kann man eine Freigabe vors Auge halten wie ein Fernrohr? Erlaubt das Wesen einer Freigabe denn so etwas? Ist es nicht so ähnlich wie beispielsweise bei einer Preissteigerung, deren Wesen es schlechterdings nicht erlaubt (für die Studierten unter Ihnen: verunmöglicht), daß man sie zum Schuhputzen benutzt?
Ein Kontakt[1] kann eng sein oder flüchtig, stabil oder wacklig, er kann an mangelnder Pflege leiden oder einen Schaden haben. Aber wie kann ein Kontakt einen Bildschirm haben? Wie ist die Parallelwelt beschaffen, in der das möglich ist? Besteht sie aus Antimaterie? Ist es eine Welt, in der unter den Kategorien der Modalität die der Realität gänzlich fehlt? Ist es die zweite Welt, in die wir, wenn's gut geht, dereinst verklärten Leibes eingehen?
Dafür spricht, daß dort ja rundum alles in Ordnung ist, keiner mehr Not leidet und darum Hilfe niemand mehr nötig hat, wodurch begreiflich würde, daß „iChat“ einen nicht dazu auffordert, Hilfe zu leisten. Aber einen gewissen Bedarf, Hilfestellung geleistet zu bekommen, könnte man sich dort schon vorstellen. Man erinnert sich, daß der Turnunterricht manchen Mitschülern durchaus Vergnügen bereitet hat, und dieses wurde mitunter durch die Hilfestellung, die der Sportlehrer anordnete, noch gesteigert. Und der Gedanke scheint mir nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, daß, vorausgesetzt, manche der irdischen Gelüste bestehen drüben fort, man auch in Engelsgestalt dergleichen zur Aufrechterhaltung des Zustands der Seligkeit sich noch gerne gefallen läßt.

Donnerstag, 16. Februar 2012

Zielführende Zielsetzung

„Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, in den kommenden Jahren jährlich rund 5 000 afghanische Polizisten aus- und fortzubilden,“ verkündete Herr Westerwelle.[1]
Formulieren wir es um, ohne den Sinn zu verändern: „Deutschland hat sich zu dem Ziel gesetzt, in ... .“ Offensichtlich hat der Satz keinen Sinn. Vermuten kann man: Die Ausbildung der Polizisten ist ein Ziel, zu dem sich nicht nur dieser oder jener, sondern sogar Deutschland setzen kann. Der Außenminister wollte aber sicher sagen: Deutschland hat sich das Ziel gesetzt.

Mittwoch, 15. Februar 2012

Ein Großer unter Größen

„’Goethe!’ ist kein Film für Germanisten und Leseratten. Das ‚Buch zum Film’ wird man hernach nicht aufschlagen. Zwar blitzen hier und da einige bekannte, allzu bekannte Motive aus dem Goethe-Universum auf. Man hat nicht den Eindruck, dass dies ein Film über eine große Figur der Schriftkultur ist.“[1]
Welch ein Absturz! Vom Dichterfürsten zur Figur der Schriftkultur! Da steht er nun, zwischen Guido Knopp, einer großen Figur der Memorialkultur, und Herrn Hundt, den man eine starke Figur der Unternehmerkultur nennen könnte, und versteht die Welt nicht mehr.
Ach, und einen noch größern trifft's:
„Ein König hat Geburtstag.
Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium wird in einer Bearbeitung für Kinder von 6-12 Jahren, gekürzt auf eine Gesamtlänge von 45 Minuten, mit kindgerechten musikalischen und theologischen Erläuterungen dargeboten.“[2]
Da steht er nun, er, einst der König aller Königreich’, als einer unter vielen, zwischen dem lüsternen König von Schweden und dem vertrottelten von Norwegen (oder war’s Dänemark? Oder Belgien?) und wünscht sich, man hätte ihm doch wenigstens den Platz zwischen der Königin der Herzen und König Alfons dem Viertelvorzwölften von Lummerland zugewiesen.
Sie wenden ein, daß man ihn auch früher manchmal einen König, ohne aufwertenden Zusatz, nannte? Na und? Sag’ ich denn, daß früher alles besser war?

Dienstag, 14. Februar 2012

Wie sehr verblödet sind sie?

„Wie sehr waren Sie in der letzten Woche traurig“?[1]
„Wie sehr haben Sie während der letzten 4 Wochen den Geschlechtsverkehr genossen?“[2]
Meinen googlegestützen Recherchen – so hat man das heutzutage sicher zu formulieren – zufolge ist das „Wie sehr haben Sie“ von Meinungsumfragern erfunden worden und es war bereits bei denen mit einer gewissen Hirnlosigkeit behaftet. Denn auf die im Hinblick auf die Brauchbarkeit der Forschungsergebnisse ja nicht ganz unwichtige Idee, daß jemand den Geschlechtsverkehr gar nicht genossen, sondern vielleicht unter ihm gelitten haben könnte, ist man offenbar nicht gekommen, denn dann hätte man ja erst einmal anders gefragt: „Haben sie genossen?“
Dann aber haben die Fußballberichterstatter die Phrase aufgegriffen, und von nun an gab's kein Halten mehr:
„Wie sehr haben Sie mit dem HSV in den vergangenen Wochen gelitten?“[3]
„Wie sehr haben Sie sich gefreut, dass Hannovers Torhüter Markus Miller seine Krankheit überwunden hat?“[4]
„Wie sehr haben Sie mit Breno mitgefühlt?“[5]
„Wie sehr haben Sie in den Schlussminuten noch gezittert?“[6]
Und keiner hat zurückgefragt: „Wie kommen Sie überhaupt darauf, daß ich gezittert haben könnte?“ Oder auch einfach: „Könnten sie vielleicht eine weniger dumme Frage stellen?“ Und keinem der Reporter kam, so muß man wohl annehmen, der Gedanke, daß ihn in Wirklichkeit gar nicht interessiert und auch die Zuschauer nicht, wie sehr der Trainer in den Schlußminuten gezittert hat. Es ist ein Reflex. Sowie ein Reporter einen Trainer oder Spieler sieht, tropft ihm die Phrase von den Lippen wie dem Pawlow’schen Hund der Speichel beim Anblick der Wurst und dann, völlig sinnlos, auch beim Bemerken eines Begleitreizes, selbst wenn gar keine Wurst da ist. Während der Berichterstattung zum Pokal-Achtenfinale habe ich versucht, mitzuzählen; es ist mir nicht gelungen. Mein Eindruck war, daß mehr Fragen mit „Wie sehr haben Sie“ anfingen als irgendwie anders.
Inzwischen ist der Debilitätsvirus auf Medienschaffende anderer Gattungen übergesprungen:
“Wie sehr waren Sie von den Socken, als Sie“ etwas ihm besonders umwerfend Erscheinendes über Griechenland erfahren haben, fragte Günther Jauch jemanden in seiner Talkshow[7].

Montag, 13. Februar 2012

Seriöse Medien 2

Manchmal überbieten die seriösen Medien die Boulevardpresse an Widerlichkeit. In der Berliner „Abendschau“[1] kündigte einer das Programm an: „Roter Teppich: frieren für den Film!!!“ und fuhr, den marktschreierisch-jubelnden Tonfall kaum merklich mäßigend, fort: „Totes Kind: Suche nach den Schuldigen!!“



[1] RBB, 9.2.2012, 19.30 Uhr

Seriöse Medien 1: ACTA

„Meinungsfreiheit mobilisiert halb Europa“ steht heute fett vorn auf der taz. Donnerwetter, denkt man, das müssen ja einige 100 Millionen Menschen sein, die das mobil wurden. Darunter findet man dann aber, daß es nur „Zehntausende“ waren.


Samstag, 11. Februar 2012

Neusprech: Versammlungsrecht

Im Tagesspiegel steht heute, daß die Immunität von zwei Politikern der Linken aufgehoben worden ist, weil sie "gegen das Versammlungsrecht verstoßen" haben. Man wirft ihnen die Teilnahme an einer Versammlung gegen eine NPD-Versammlung vor. Sie haben also das Versammlungsrecht, das Recht, sich zu versammeln, wahrgenommen.

Donnerstag, 9. Februar 2012

Kulturschaffende

„Durch das Mäzenatentum der Medici und weiterer norditalienischer Kaufleute und Bankiers entwickelten sich Florenz, Venedig, Mailand, Genua und auch Rom zu den kulturellen und wirtschaftlichen Metropolen der damaligen den Europäern bekannten Welt und prägten (beziehungsweise ermöglichten erst) das Zeitalter der Renaissance.“ (Wikipedia, Stichwort Medici, 18.10.11)
Boticelli und Michelangelo und Leonardo da Vinci und die Maurer und Zimmerleute, die die Kathedralen und Paläste bauten, und all die anderen Parasiten der Mäzene haben mit der Entwicklung von Florenz usw. nicht viel zu tun und sie haben darum das Zeitalter der Renaissance nicht geprägt, geschweige denn ermöglicht. Daß in unseren Tagen die Kaufleute und Bankiers schlechterdings alles machen, was von kultureller Bedeutung ist, wissen wir ja, aber man dachte doch immer, daß es früher anders war. Stimmt wohl auch, aber man muß viel weiter zurückgehen. Die Höhlenbilder von Lascaux sind wohl tatsächlich nicht von Bankiers gemalt worden, ja, nicht einmal finanziert.
Wikipedia soll ein demokratisches, ja geradezu ein zutiefst[1] demokratisches Projekt sein, denn das ganze Volk darf mitschreiben, nicht nur die wenigen, die es können. Aber was hilft es, wenn im Volk sich die Liebe zu seinen Herren derart breitgemacht hat, daß für die Grundeinsichten der Demokratie gar kein Platz mehr ist?

Mittwoch, 8. Februar 2012

Hochaltrige, pflegt Frühdemenzielle!

„Differenziert nach der Entwicklung der Pflegebedarfe für die einzelnen gesellschaftlichen Teilpopulationen ergibt sich folgendes Bild:
Mit einem Anteil von 97% geben die Experten/innen an, dass zukünftig die Pflegebedarfe für die demenziell Erkrankten sehr hoch sein werden. Danach folgen die Hochaltrigen, deren Pflegebedarfe mit einer Einschätzung von 88,1% sich sehr bis hoch entwickeln werden. An dritter Stelle folgt nach Abwägung der Experten/innen die Erhöhung der Pflegebedarfe für chronisch Erkrankte. 74,6% der Befragten schätzen die Erhöhung der Pflegebedarfe dieser Teilpopulation mit sehr hoch/hoch ein.“
Das steht in einem Gutachten für den Landtag von Nordrhein-Westfalen.[1] Ich zitiere so ausführlich, weil so viel Lesenswertes in dem Auszug enthalten ist, aber im Moment interessieren mich nur die Hochaltrigen; das sind die, die ihr Alter sehr bis hoch entwickelt haben. Zweifellos liegt hier ein sprachästhetischer Fortschritt vor, verglichen mit dem hergebrachten, etwas arg unbeholfenen „sehr alte Leute“.

Dienstag, 7. Februar 2012

Microsoft bildet

„Bildungsinitiative von Microsoft Deutschland und Partnern fördert gezielt Sprachkompetenz im Vorschulalter“.[1]
Das ist löblich, vor allem weil die Firma nicht nur fördert, sondern gezielt fördert. „Gezielt“ gibt gleich eine ganz andere Kraft, nicht nur Firmen-PR, sondern auch Parteiprogrammen und Politikerreden. Doch sollte Microsoft seine Hilfe nicht auf Kinder im Vorschulalter beschränken, sondern auf seine jetzigen Kunden ausdehnen. Typischerweise schreiben die so:
„Also. Seit ein paar tagen funtioniert mein IE 8 64-Bit nicht mehr wodurch ich auch leider keine .Net Client profiele mehr erstellen kann.
Der Normale IE 8 funktioniert jedoch und alle anderen auch (FF, Opera etc.) die Einstellungen sind alle gleich.
Als Sytem habe ich Win 7 64-Bit Professional.
Keine ahnung ob das auch mit dem IE 8 64-Bit zusammenhängt aber das Windows Update tool was ja beigeliefert wird funktioniert seit dem auch nicht mehr. Kann keine Verbindung hesterstellen.
Habe eine Killer Xeno drin. Habe aber auch schon getested obs daran liegt. Also einfach mal umgesteckt und den normalen anschluss für I-net genommen. Ändert aber auch nichts.
Hoffe ihr könnt mir da helfen. Weiß net mehr weiter und google ist in der hinsicht leider auch nicht mein freund.
Grüße ...“.[2]
Zu empfehlen ist aber auch eine Einbeziehung der eigenen Mitarbeiter. Vor allem sollte man ihnen beibringen, unter welchen Bedingungen eine Aneinanderreihung von Wörtern als ein Satz gelten kann. Das da ist jedenfalls keiner:
Hier erfahren Sie wie die Microsoft Aktivierung funktioniert MPA.[3]
„Diese kostenlose Anwendung ist eine Erweiterung für Ihren Browser und ermöglicht die Verwendung anspruchsvoller Multimedia-Webanwendungen“ ist zwar ein Satz, aber man fragt sich doch, was „diese Anwendung ermöglicht die Verwendung von Anwendungen“ heißen soll. Da läge doch eine Aufgabe für die firmeneigene Bildungsinitiative.

Montag, 6. Februar 2012

Kundenbewertung

„Ein C-Kunde ist ein Kunde, der weder aktuell entsprechende Umsätze generiert noch überhaupt über ein Potenzial verfügt. Bei diesem Kunden sollten Sie sich überlegen, ob Sie diesen wirklich noch aktiv betreuen.“[1]
Wem meine Umsätze entsprechen sollen, erfahre ich leider nicht, aber das ist egal, denn Umsätze habe ich gar keine, geschweige denn generiere[2] ich welche. Über ein Potential verfüge ich glaub’ ich schon, aber wahrscheinlich ist gemeint: ein Potential zur Generierung von Umsätzen. Und das dürfte bei mir nicht der Fall sein. Ich bin also ein C-Kunde. Mir drängt sich die Frage auf, wieso auch uns C-Kunden ein Verkäufer nach dem anderen – nicht selten sind’s solche aus der Versicherungsbranche – derart aktiv betreut, daß es uns auf die Nerven geht.
Beim zweiten Hinsehen merke ich aber, daß hier gar nicht damit gedroht wird, die Betreuung einzustellen, sondern nur geraten, darüber nachzudenken, ob der Kunde derzeit aktiv genug betreut wird. Doch ich glaube nicht, daß es das war, was man den Betreuern sagen wollte.

Freitag, 3. Februar 2012

Biker und Bockwurst

Michael Allers, einer der standhaftesten Kämpfer für die Anglisierung der deutschen Sprache,[1] hat eben mein Artikelchen „Driveraddriver“[2] kommentiert. Ich behaupte darin, daß „Radfahrer“ in der taz bald durch „Wheel-Driver“ ersetzt sein wird, und M. Allers fragt: „Warum nicht Biker? Ist kürzer und wird weltweit verstanden.“
Hier meine Antwort:
Erstens, weil die taz nun einmal mit „Fahrrad-Driver“ den ersten Schritt auf dem Weg getan hat, der unausweichlich zum Wheel-Driver führt.


Zweitens, in meiner Eigenschaft als konservativer Hardliner bin ich nicht dafür, daß es nur noch weltweit verständliche und zudem kurze Wörter gibt. Ich möchte nicht, daß Radfahrer zugunsten von Biker verschwindet, so wie ich auch nicht möchte, daß das entsprechende ungarische kerékpáros zugunsten von Radfahrer, das in ganz Mitteleuropa verstanden wird und zudem um einen Buchstaben kürzer ist, verschwindet.
Drittens, weil Wiglaf Droste, und zwar in der taz, vor einigen Jahren eine wunderschöne, aber viel zu wenig beachtete  Glosse veröffentlicht hat,[3] in der ihm der Nachweis gelungen ist, daß zwischen einem Radfahrer und einem Biker ein himmelweiter Unterschied besteht:
„Früher hieß das Fahrradfahren; jene, die sich darin übten, wurden Fahrradfahrer genannt und bewegten sich in ihrer gewöhnlichen Kleidung ... und man sah Frauen in geblümten oder gepunkteten Kleidern die Straßen entlangradeln. Der warme Wind streichelte ihre Beine, und in ihren glücklichen Gesichtern konnte man sehen, was für ein angenehmes, freies, leichtherziges Gefühl das ist, wenn man sich von schönem Stoff und Mailuft umflattern lässt.“
Heute ist es anders:
„Heute gibt es Biker und Bikes, und so sehen sie auch aus: Kampfmaschinen, die auf Kampfmaschinen hocken. Der Biker ist ein Unisex-Neutrum und -Monstrum und damit genau das, was die moderne Gesellschaft braucht: Krieger gleich welchen Geschlechts, eingezwängt in Gummis und Überzieher, gern bunt leuchtend und hauteng wie der zarte Saitling, in dem die Bockwurst lebt. Der Biker ist die Bockwurst unter den Menschen“.

Donnerstag, 2. Februar 2012

Anschreiber beim Spielen


Das teilt uns die Zeit mit: „Am 1. Februar geht in Berlin die frisch gegründete Stiftung Futurzwei online. Ihr Erfinder ist ein namhafter Wissenschaftler, der bisher mit Büchern gegen den Klimawandel anschrieb: Harald Welzer. Nun wechselt er also das Spielfeld.“[1]
Kann man denn nicht verbieten, daß immerzu jemand gegen etwas „anschreibt“? Können die denn nicht beim Anrennen bleiben? Und wenn schon, dann bitte mit Tinte oder Bleistift oder einem Laptop, aber nicht mit Büchern. Mit Büchern kann man gar nicht schreiben, weder abschreiben noch anschreiben.
Zum Glück scheint es nicht ernst zu sein, was da passiert; es geschieht ja nur auf einem Spielfeld

Mittwoch, 1. Februar 2012

Bienen im Computerzeitalter

Es gibt ein populäres Mißverständnis: Die Darwinsche Theorie behaupte und beweise, es gehe in der Evolution immer aufwärts. Selbst wenn sie das behauptete: Es wäre falsch. Tiere können viel. Die Biene beschämt manchen Baumeister, so Karl Marx, vom Menschen unterscheidet sie sich aber dadurch zu ihrem Nachteil, daß sie nicht sagen kann, was sie beim Bauen tut. Bekanntlich kann sie gerade mal ihren Kolleginnen mitteilen, wo der Honig zu finden ist. Auf diese Stufe hat sich der Mensch in Gestalt des Computerexperten zurückentwickelt. Diese Burschen können Erstaunliches. Was für ein Problem ich auch immer mit meinem Rechner haben mag: Sie lösen es, bisher jedenfalls. Aber es ist ihnen offenbar unmöglich, mir mitzuteilen, was sie tun. Wie könnte es sonst sein, daß so gigantische Unternehmen wie Google oder GMX nicht einen unter Millionen finden, der einem die Anweisung gibt: Wenn das oder das nicht geht, dann drücken Sie erst auf das Kästchen rechts oben und dann auf den Kreis links unten?
Sondern sie schreiben: Sie haben Sie die Dateien gelöscht? Entweder mit der Papierkorb funktion oder mit dem Delete (löschen) befehl im Menu.“[1]
Oder so: „Durch neu entwickelte Suchalgorithmen zur Mac Datenrettung kann das Programm nicht nur gelöschte Mac Dateien wiederherstellen, sondern kann auch noch eine Wiederherstellung durchführen, wenn das Volume nicht mehr mountet.“[2]
Oder: „Wird Ihr Kalenderaccount über einen CalDAV-Server bereitgestellt (beispielsweise an Ihrem Arbeitsplatz), müssen Sie Ihren Account in iCal einrichten, damit iCal Informationen mit dem CalDAV-Server austauschen kann.“ (iCal-Hilfe)
Oder: „Hallo, da du dich nicht mehr gemeldet hast, haben wir deinen Thread als Diskussion gecodet. Solltest du an deinem Problem noch weiterarbeiten wollen, lasse es uns wissen. Wir werden den Thread dann wieder zur Frage umcoden.“[3]

Ich verstehe sie nicht. Zwar lerne ich über die Jahre mehr und mehr dazu, aber die sind immer einige Schritte voraus. Sie können mir nicht mitteilen, was sie machen. Doch wo man Honig einkaufen kann, das können sie einem sicher sagen.