„Schnellst wachsende“ erbrachte bei Google Bücher für die
Zeit von 1950 bis 1960 einen Treffer, für 1960 bis 1979 auch nur einen, für
1970 bis 1980 sechs, für 1980 bis 1990 zwei. Für 1990 bis 2000 erhält man 23
Treffer, für 2000 bis 2010 24.
Bis 1990 waren es offenbar ganz
vereinzelte Irrläufer, die es bis in Bücher geschafft haben, von da ab eine
kleine, aber doch merkliche Anzahl.
44.000 Treffer aber erhält man bei Google (ohne „Bücher“), also auf
normalen Internetseiten; „am schnellsten wachsende“ erbringt nur etwa doppelt
so viele: 95.600. Bei den Büchern lag das Verhältnis von „schnellst wachsende“ zu
„am schnellsten wachsende“ von den 50er bis in die 70er Jahre etwa zwischen 1:
20 und 1: 100, und 2000 bis 2010 beträgt es etwa 1: 5.
Unsere Linguisten sehen hier sicher
keinen Fehler, sondern eine Beschleunigung des ohnehin unvermeidlichen
Sprachwandels, und das freut sie gewöhnlich ungemein. Ich aber erkenne den
Indikator einer bisher kaum vorstellbaren kollektiven Hirnerweichung. Noch ist er,
wie die Google-Recherche nahelegt, auf – so muß man das heute wohl ausdrücken –
sprachkompetenzferne Schichten beschränkt. Das zeigen auch die folgenden Formulierungen
und die in den Fußnoten genannten Adressen:
„Dr Kai Luehr Bei 3 Sat Islam Die Am Schnellst Wachsende Religion Der
Welt!“[1]
„Schnellst
wachsende Unternehmen der Welt“.[2]
„ThomasLloyd-Haftungsdach
ist das schnellst wachsende in 2009.“[3]
„OMD Germany ist die schnellst wachsende Mediaagentur
Deutschlands und beschäftigt mehr als 500 Mitarbeiter in fünf Niederlassungen
an vier Standorten“.[4]
„Es heißt ja das Bambusse bis zu 4x schneller wachsen
als der schnellst wachsende
Baum.“[5]
Also, viel ist es noch nicht und im
allgemeinen auch nur da anzutreffen, wo man ohnehin nichts erwartet. Aber das
Tempo der Entwicklung ist beeindruckend und lange wird es nicht mehr dauern,
bis man die Neuerung auch in der Zeit
findet und natürlich im Duden. Die Sprachkompetenz der Deutschen ist offenbar eine
der schnellst zerfallenden der Welt.
3 Kommentare:
Noch schlimmer: "schnellst wachsendste" liefert bei Google 489 Treffer und "schnellstwachsendste" ergibt 2070 Treffer.
Man muss kein Linguist sein, um diese Verkürzung als ganz normalen Sprachwandel zu erkennen. Die "Beschleunigung" desselben ist allenfalls eine subjektive Wahrnehmung. Schon Mitte des 19. Jhdts. beklagte Schopenhauer "die abscheuliche Manie, 2, ja 3 Worte in Eins zusammenzuziehen".
Das Zitat stammt aus "Du Jane, ich Goethe - Eine Geschichte der Sprache" von Guy Deutscher. Darin wird genau diese Reduzierung auf das Wesentliche, die es seit Jahrtausenden gibt, allgemeinverständlich geschildert. Kann ich nur empfehlen!
So neu ist übrigens auch die "Erosion" (im Ggs. zur Landschaftökologie nichts Schlimmes!) beim Superlativ von 'schnell' nicht. Es heißt doch 'schnellstmöglich' und nicht 'am schnellsten möglich'. Goethe schrieb noch "schnellst möglich". Warum also nicht Sprachwandel durch Analogiebildung (im o.a. Buch ebenfalls gut beschrieben)? Beim wenigst selektiven Googeln bemerkt man übrigens, dass die Formulierung durchaus nicht auf "sprachkompetenzferne Schichten beschränkt" ist.
Ja, ganz normaler Sprachwandel. Hier:
http://deutsche-sprak.blogspot.de/2011/06/eine-theorie-des-sprachlichen.html
habe ich dargelegt, daß der ganz normale Sprachwandel eben oft, ja meist so vor sich geht: Fehler werden zur Gewohnheit.
Daß man zu Goethes Zeit so schrieb, weiß ich schon. Damals war das noch nicht falsch. Es hatte sich noch nicht herausgebildet, daß bei Getrenntschreibung (schnellst wachsende statt schnellstwachsende) das zweite Wort betont werden muß und damit der Sinn ein anderer ist als der gemeinte. Wenn das aber einmal gehört wird, dann ist "schnellst wachsende" ein Fehler, und zwar einer von der peinlichen Art.
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