Ich wundere mich seit Jahren, daß die Sprecher von „Bayern 4 Klassik“ – wie
vermutlich die Sprecher aller deutschen Rundfunksender – statt „Pražský
komorní orchestr“ „Prager Kammerorchester“ sagen, nicht
aber statt „Boston Symphony Orchestra“ „Bostoner
Symphonieorchester“. Oder richtiger: Ich wundere mich nicht, wundern würde ich
mich, wenn sie das nicht täten, sondern ich ärgere mich. Gewiß, die
Rundfunksprecher bzw. die, die ihnen sagen, wie sie zu sprechen haben, sind
nicht ohne Argumente. „Pražský komorní orchestr“, so
höre ich sie reden, versteht ja keiner, aber englisch kann jeder, außer der
Mehrheit der über Siebzigjährigen und der Mehrheit der Migranten,
aber die letzteren hören ja unsere Sendung sowieso nicht und auf erstere
kommt's nicht mehr an.
Doch das ist
nicht der Grund, sondern eine Ausrede. Am liebsten würden sie statt „Prager Kammerorchester“ „Prague Chamber Orchestra“ sagen, und man kann jede
Wette darauf eingehen, daß sie das bald tun werden. Statt „Budapester
Philharmonisches Orchester“ sagen sie ja auch schon „Budapest Philharmonic
Orchestra“, obwohl es „Budapesti Filharmóniai Társaság Zenekara“ heißt
(und nicht wie die Comedian Harmonists
oder German Brass nur einen
englischen Namen hat) und die Ungarn es sicher jedem überlassen, diesen Namen
in seine eigene Sprache zu übersetzen.
Jener Grund ist: Sie halten sich für Provinzler und sind deshalb von
Minderwertigkeitsgefühlen gepeinigt, sie möchten am liebsten ihre Herkunft
verheimlichen und sprechen darum so oft es nur geht so, wie man in der großen
Welt spricht und weisen darauf hin, daß es andere gibt, die in puncto
Provinzialität noch weit unter ihnen stehen. Sie machen es ganz so wie der
Bauer, der den Städtern in einer Sprache, die er für Hochdeutsch hält,
schenkelklopfend erklärt, was für einen unmöglichen, hinterwäldlerischen
Dialekt man doch im seinem Nachbardorf spricht. Die einen verstehen überhaupt
nicht, was er will, die anderen sind peinlich berührt. Es funktioniert einfach
nicht. Man will und will nicht erkennen, daß er kein Provinzler ist, sondern
nur die aus dem Nachbardorf welche sind, und was für welche. – Die Deutschen
sind halt unverschämte Provinzler: Sie geben den Tschechen ihre Verachtung zu
erkennen und den Amerikanern zu verstehen, daß sie, die Deutschen, sich selbst
verachten, sie, die Amerikaner, aber bewundern. Dazu halten sie sich ihre
Rundfunksprecher.
1 Kommentar:
Im Wissenschaftsbetrieb sieht es auch schlimm aus. Wahrscheinlich aus den gleichen Motiven. Dienstbesprechungen unter lauter Deutschen finden auf Englisch statt. Visitenkarten sind auf Englisch. Die Karten von Menschen aus anderen Ländern sind in ihrer Muttersprache beschriftet.
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