Die Älteren werden sich erinnern: Die
taz war einst berühmt für ihre geistreichen
Schlagzeilen. Sie hat etwas nachgelassen. Gestern stand auf Seite 1 die
unfaßbar dämliche Aufforderung an die Griechen „Griecht euch ein“.
Heute steht an entsprechender Stelle:
„Die Alten haben das Wort“. Unterüberschrift:
„Weitblick. Die ‚alternde Gesellschaft’ macht Angst. Warum eigentlich, wo
gelebtes Leben doch voller Geheimnisse ist?“
Loben muß man, daß die taz „alternde Gesellschaft“ in
Anführungszeichen gesetzt hat. Ihr ist offenbar aufgegangen, daß eine
Gesellschaft mit vielen alten Menschen keine alte Gesellschaft sein muß und daß
eine Gesellschaft, so wie ein jeder Mensch auch, immer altert, man das also
nicht extra erwähnen muß. Die Risikogesellschaft, die Wegwerfgesellschaft, die
Überflußgesellschaft, die Informationsgesellschaft und all die tausend anderen Gesellschaften,
von denen die Welt der Journalisten und der Boulevardwissenschaftler wimmelt:
Sie alle wurden geboren, waren jung, sind älter geworden und manche von ihnen
sind bereits verschieden.
Aber man fragt sich, was denn wohl
ein nicht gelebtes Leben sein mag. Ich war bisher der Ansicht, daß das einfach
gar kein Leben ist, weil zu den Definitionsmerkmalen von Leben nun einmal gehört,
daß gelebt wird. Bei der taz scheint
man jedoch zu meinen, daß es ein Leben ohne Geheimnisse ist. Na ja, soll mir
recht sein. Nicht abfinden kann ich mich aber mit der Behauptung – und die
scheint mir in dem etwas dunklen Satz zu stecken –, daß man dann, wenn etwas
voller Geheimnisse ist, keine Angst haben muß. War nicht die Menschheit ihre
ganze bisherige Geschichte hindurch eher der gegenteiligen Meinung? Fürchtete
man sich nicht gerade an geheimnisvollen Orten, etwa in Gespensterburgen?
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