„Meist gesehen“ schreibt „iPad“
über eine Liste von Fernsehfilmen. Das hätte man sich sparen können. Filme
pflegen nun einmal meist gesehen zu werden, etwas seltener gleichzeitig gehört und
viel seltener gerochen oder getastet.
Hier finden Sie in loser, wenn's gut geht rascher Folge Kommentare zu Vorboten der allgemeinen zerebralen Zerbröselung und des ihr auf dem Fuße folgenden Weltuntergangs sowie zum Thema „Deutschland schafft sich ab“.
Dienstag, 30. Juni 2015
Donnerstag, 25. Juni 2015
Ganz schön breit
„Forum will Planungen breiter und viel
demokratischer aufstellen“.[1]
Man stelle sich vor, das hätte einer vor 50 oder 100 Jahren lesen müssen.
Kein Anglizismus drin – jedenfalls nicht auf den ersten Blick –, und doch wäre
ihm kein Sinn aufgegangen. Das Wort Forum hätte er wohl gekannt. Ein Forum ist
etwas, auf dem man sich versammeln kann, besonders wenn man Römer ist. Aber daß
ein Forum etwas wollen kann, hätte er nicht glauben mögen. Was eine Planung
ist, wäre ihm auch bekannt gewesen. Kaum hätte er sich aber vorstellen können,
daß man Planungen aufstellen kann, und wenn ihm einer gesagt hätte, daß man sie
breit und noch breiter aufstellen kann, ja sogar viel demokratischer, hätte er
sich an den Kopf getippt. – Nein, liebe Linguisten, ich habe nichts dagegen,
daß sich die Sprache wandelt. Und wenn sie sich mitunter so schnell wandelt,
daß die ältere Generation nicht mehr versteht, was die jüngere sagt, ist das zwar
für die ältere nicht angenehm – doch was ist für die schon angenehm? Aber muß sie
sich denn so wandeln?
Mittwoch, 24. Juni 2015
Kreative
„Als Künstler
werden heute meist die in der Bildenden Kunst, der Angewandten Kunst, der Darstellenden Kunst sowie der Literatur und der Musik kreativ tätigen Menschen bezeichnet, die Kunstwerke schaffen.“ (Wikipedia, 14.1.12)
Man wird das erst für einen Zirkel halten; aber es muß keiner sein. Es wäre ja möglich, daß „Kunstwerk“ nicht
definiert wird als das, was Künstler schaffen, sondern unabhängig vom Begriff
des Künstlers. Zudem legt die Formulierung nahe, daß es auch nicht-kreative Menschen gibt, die Kunstwerke schaffen. – Bewundernswert ist, daß es unser Autor überhaupt geschafft hat, das
Wort „kreativ“ unterzubringen. Das war notwendig, um dem Zeitgeist oder der Pflicht zu modischem
Geschwätz Genüge zu tun. Immer häufiger findet man in letzter Zeit „die
Kreativen“ als Synonym für „die Künstler“. Nun gibt es aber zugleich, und in
rasender Zunahme begriffen, auch andere Kreative, z. B. die kreativen Wilden (die
kommen in NRW vor, haben irgendwas mit Politik zu tun), die kreativen Strolche,
die kreativen Botschafter, die kreativen Spezialisten mit guter Laune, die
kreativen Mitdenker, die kreativen Zerstörer, und zwar im Manager-Magazin, und
sogar kreative Industrien gibt es, was vielleicht ein neues Wort für Kulturindustrie
ist und in diesem Fall mit Künstlern nichts zu tun haben kann, wie man seit
Adorno weiß. Vor 50 Jahren gab es in Bayreuth (ich lebte damals dort) gar keine
Kreativen, wenn ich mich richtig erinnere, zumindest ist mir keiner
aufgefallen und die Zeitungen schrieben auch nichts oder nur sehr wenig über sie. Jetzt wimmelt es dort nur so von ihnen.
„Ursprünglich wurde der Begriff Kreativität als
Bezeichnung für alle Arten von schöpferischer Tätigkeit verwendet.“ (Wikipedia,
Stichwort Kreativität) Heute nicht mehr, denn „Kreativität besteht in der Neukombination von
Informationen“ (ebd.), so daß also beispielsweise auch ein Journalist kreativ genannt
werden könnte, und das wird ja doch keiner wollen.
Übrigens, „schöpferisch“
habe ich mit „Google“ ca. 390.000 mal gefunden, "kreativ" ca. 37 Millionen mal. Wahrscheinlich
mag man „schöpferisch“ nicht mehr sagen, damit man nicht in den Verdacht gerät,
ein religiöser Mensch, der an den Schöpfer glaubt, zu sein, und das gilt ja
irgendwie als old-school oder old-fashioned oder so ähnlich. Daß creator auch in der Bibel steht und
Schöpfer heißt, scheint man vergessen zu haben.
Dienstag, 23. Juni 2015
Impulstheorie
In einem vor einigen Jahren verfaßten „Impulspapier“[1]
beklagt der Rat der Evangelischen Kirche Deutschlands deren Zustand und weiß
auch, wie dieser sich bessern ließe: durch „Lernen von den wirtschaftlichen
Kompetenzen“ der „Marktwirtschaft“. Man müsse sich auf das „Kerngeschäft“ und
die „Kernangebote“ konzentrieren, den „Imageschaden“ kleinhalten,
„Qualitätsmanagement“ betreiben, den Weg der „good-practice-Orientierung“ und
der „Angebotsorientierung“ einschlagen, gegebenenfalls ein „360-Grad-Feedback“
vornehmen, bei der „Aufwärtsagenda“ das „Agendasetting“ nicht vergessen,
„Kundenbindungsinstrumente“ einsetzen, auf „Alleinstellungsmerkmale“ setzen und
vor allem „Profilierungskompetenz“, „kybernetisch-missionarische Kompetenz“ und
schließlich „gabenorientierte Motivations- und Qualifikationskompetenz“
entwickeln.
Als ER noch auf Erden wandelte, er wäre mit Blitz und Donner dreingefahren.
Wenigstens hätte er veranlaßt, daß sich die wahrhaft Gläubigen zu einem
Heerhaufen zusammenrotten und dieser abscheulichen Unzucht mit Spießen und mit
Stangen ein Ende bereiten, die da der Geist des Protestantismus, der ja nach
Max Weber den Kapitalismus geboren hat, mit dessen mißratenstem Sproß, dem
Marketingwesen (für die Älteren unter Ihnen: dem Reklameunwesen), treibt.
Aber wenn er auch noch das
„Teste dein Bibelwissen: Wer wird Biblionär?“[2]
lesen muß, wird er sich vielleicht zu einem Atomschlag
entscheiden. Zum Glück schwächelt das evangelische Pressewesen derart, daß er
über die Stelle sicher nicht zufällig stolpert, und gezielt danach suchen wird
er wohl nicht. So könnten wir noch einmal davonkommen.
Montag, 22. Juni 2015
Bildungselend
„Viele junge Deutsche sind gebildeter als ihre Eltern – das
belegt eine neue Studie. Seltsam nur: Kürzlich behauptete eine andere Studie
das Gegenteil.“[1]
Welch ein Elend, und das im Zentralorgan des Bildungsbürgertums!
Die Behauptung, viele junge Deutsche seien gebildeter als ihre Eltern, widerspricht
keineswegs der Behauptung, viele junge Deutsche seien ungebildeter als ihre
Eltern. Hundertausend junge Leute, die gebildeter sind als ihre Eltern, sind
ziemlich viele. Die Behauptung, daß viele junge Leute gebildeter sind als ihre
Eltern, wird nicht widerlegt dadurch, daß hundertausend andere junge Leute,
also auch ziemlich viele, weniger gebildet sind als ihre Eltern.
In eigener Sache
In Deutsche Sprak ist seit langem nichts mehr erschienen. Das liegt
daran, daß ich schwer erkrankt bin. Es
ist fraglich, ob ich je mit diesem Blog werde fortfahren können. Nun
habe ich aber eine große Anzahl von Artikelchen zum Thema auf Lager. Sie sind z.T.
etliche Jahre alt und der Anlaß ist nicht mehr ganz aktuell. Darauf werde ich
jetzt keine Rücksicht nehmen, sondern einfach Tag für Tag etwas ins Netz stellen.
Die Reihenfolge wird zufällig sein. Kommentare sind natürlich erwünscht, auch
wenn ich sie wohl größtenteils nicht beantworten werde.
L. T.
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