Mittwoch, 16. Dezember 2015

Starkkultur

"Die Bildung und Vermittlung der Unternehmenskultur erfolgt durch Lernprozesse und wird in einem Sozialisationsprozess vermittelt. Je höher die Prägnanz, der Verbreitungsgrad und die Verankerungstiefe einer Unternehmenskultur ist, um so stärker ist sie zu bewerten.
Die Vorteile einer starken Unternehmenskultur, wie sie z.B. der Firma McDonalds zugeschrieben wird, liegen in der Erhöhung der Effizienz des Unternehmens und der hohen Loyalität der Mitarbeiter.“
(Stichwort „Marketing“, Hermann Diller (Hrsg.): „Vahlens Großes Marketing Lexikon“ München 1994, Stichwort „Strategisches Marketing“, S. 649 f., S. 1174)

Die Vermittlung wird also vermittelt. Und ob man die Reihenfolge der Prozesse nicht genausogut umdrehen könnte? „Die Bildung und Vermittlung der Unternehmenskultur erfolgt durch einen Sozialisationsprozess und wird durch Lernprozesse vermittelt“ hört sich doch auch irgendwie richtig bzw. genauso blödsinnig an. Und ob man nicht die beiden Prozesse weglassen könnte? Sich mit Lernen und Sozialisation begnügen? Das würde wohl nicht den Verbreitungsgrad eines betriebswirtschaftlichen Textes erhöhen, denn der hängt sicher von der Menge überflüssiger Zutaten ab, mit denen man in dieser Branche das Blähpotential der Sprache zu „optimieren“ pflegt. Aber der Prägnanz und Verankerungstiefe (was das heißen  soll, weiß ich nicht, aber es wird schon etwas heißen) könnte es dienlich sein.
Ein Rätsel ist mir, wie man eine Unternehmenskultur stark bewertet. Vielleicht ist gemeint, daß man den Bewertungsakt mit einer solch dröhnenden Wucht vollzieht, daß alle Welt hochfährt. Vielleicht ist aber auch gemeint, daß sich der Bewerter beim Bewerten so stark anstrengt, daß ihm der Schweiß von der Stirne heiß rinnt wie einst dem Glockengießer. Vielleicht hat der Autor aber auch einfach ein Wörtchen vergessen und wollte sagen, daß die Unternehmenskultur vom Bewerter als stark bewertet wird, wenn sie z. B. eine Verankerungstiefe hat. Doch schien mir zunächst „stark“ zu „Kultur“ nicht so recht zu passen. Hohe Kultur, auch Hochkultur kennt man ja, aber starke Kultur, gar Starkkultur? Wäre in diese vielleicht die ein wenig starkleibige Hochkulturgröße L. Pavarotti einzusortieren?

Ich merkte allerdings bald, daß ich auf dem falschen Weg war. Kultur ist wohl eher in dem Sinne gemeint, wie wir von der Kultur der Azteken sprechen. Der fehlte es an Stärke, und darum wurde sie von der starken Kultur der spanischen Marodeure ausgelöscht. Dazu paßt der Hinweis, der Boulettenhändler McDonalds könne sich einer starken Kultur rühmen. Daß dies an der hohen Loyalität der Mitarbeiter liegt, stimmt allerdings nicht so recht mit dem Volksglauben überein und auch nicht damit, was der investigative Journalismus in Gestalt des G. Wallraff über diese Firma herausgefunden hat.

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