Mittwoch, 7. Mai 2014

Neue Armut entdeckt


Bildungsarme und Bildungsreiche gibt es schon seit einiger Zeit. Die haben nun Gesellschaft bekommen. Ein Vorsitzender eines hochwichtigen Auschusses der Regierung oder des Parlaments hat sie entdeckt, heute schreibt er in der taz darüber: Zukunftsarme und Zukunftsreiche. Wie bei den Bildungsarmen bleibt aber auch hier einiges im Dunklen. Sind die letzteren arm, weil es ihnen an Bildung mangelt? Oder sind sie arm an Bildung? Oder arm durch Bildung, handelt es sich also beispielsweise um Leute, die sich derart gebildet haben, daß sie keiner mehr anstellen will und die darum jetzt als arme Poeten in Dachstuben hausen? 
In dem Artikel des Vorsitzenden geht es darum, daß Massen von Wissenschaftlern aus Südeuropa in den Norden ziehen (für die jüngeren: migrieren), weil sie zuhause keine Arbeit bekommen. Aber ob nun diese Wissenschaftler die Zukunftsarmen sind? Möglich, aber unwahrscheinlich, denn sie sind ja jetzt arm, also Gegenwartsarme, während sie in Zukunft als Institutsleiter in Cambridge oder Stockholm vielleicht recht wohlhabend sein werden. Oder ob vielleicht die Länder, aus denen sie kommen, als zukunftsarm zu bezeichnen sind? Man erfährt es nicht. Auch bleibt unklar, ob die südeuropäischen Länder zukunftsarm sein werden, also zukünftig arm sind, weil sie infolge des Mangels an Wissenschaftlern zukünftig weniger Steuern einnehmen, oder aber deshalb, weil sie, ganz unabhängig von Fragen des pekuniären Reichtums, einfach arm an Wissenschaftlern sein werden. Sicher gibt es noch einige weitere Möglichkeiten. 
Das Wichtigste ist, daß man das Wort "Zukunft" untergebracht hat. Um dessen Bedeutung wußte schon Helmut Kohl, der darum "zukunftsfähig" erfunden hat und in keiner Rede ausließ. "Pfupfmdsfäch" oder so ähnlich klang es bei ihm.

Jedenfalls: "Zukunftsarme und Zukunftsreiche" ist preiswürdig. Man sollte es bei der Wahl zum Wort des Jahres berücksichtigen.

Keine Kommentare: