Montag, 6. Mai 2013

Arbeitsplatzjob


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Und natürlich Jobcenter. Auch gibt es Job-Angst, Job-Ängste, Angstjob, Job-Schwemme, Aktiv-Job, AKTIV JOB-CENTER, Action-Job; Kulturjobber brachte vor 3 Jahren 4 Treffer bei Google, jetzt etwa 3000, Kulturarbeiter damals 24.000, jetzt ist es auf 19.000 zurückgefallen; Alternativjob, Arbeitsjob, intelligenter Arbeitsjob, Arbeitsplatzjob, Jobstelle : Lukrativ und Sicher, STELLENJOB GESUCHT; um den Job trauer ich echt nicht, jedoch gibt’s seltsamerweise noch keine Jobtrauer und auch keinen Trauerjob (vor drei Jahren, heute fünf Treffer), aber 110.000 Treffer für Trauerarbeit (vor drei Jahren, heute über 300.000); Beziehungsjob gibt es allerdings schon ein paar mal, noch ein wenig häufiger Partnerjob, aber immer noch 22.000 mal Partnerarbeit, und es gibt den Mehr Mut bei Migranten – Job, Babyjob (das scheint manchmal die Arbeit zu sein, die darin besteht, ein Baby zu versorgen, manchmal eine Arbeit, die babyleicht ist, aber nie die Arbeit des Babys selbst, z. B. seine Trauerarbeit, wenn der Schnuller weg ist), Bildungs-Job; Erinnerungsjob war seltsamerweise nicht zu finden, jobgerecht brachte nur 218 Treffer (dagegen – wer versteht das? – gendergerecht 11.000 Treffer); Jobforschung.
Und so weiter und so fort.

Kaum eines dieser Wörter gab es vor 20 Jahren schon, wenn, dann führte es ein so verstecktes Dasein, daß es keiner bemerkte. Welch eine Karriere! Teils gab es sie nicht, weil man vor 20 Jahren noch weit weniger Schwierigkeiten mit der Rechtschreibung hatte und man „Job & Stellenangebote“ richtig geschrieben hätte, nämlich „Job- & Stellenangebote“. Das hätte damals aber etwas anderes bedeutet als heute: Die Formulierung „Job- und Stellenangebote“ wäre noch möglich gewesen, während man sich heute wundert: Ist ein Job denn etwas anderes als eine Stelle? Damals aber war das ein großer Unterschied.

Mehr als ein halbes Jahrhundert ist das Wort Job im Deutschen bereits heimisch. Ein Schüler konnte sich für die Ferien einen Job suchen. Sein Lehrer aber hatte keinen, auch wenn er nicht arbeitslos (für die Jüngeren: joblos) war. Er hatte einen Beruf und eine Stelle. Auch ein normaler Arbeiter hatte, im Unterschied zum Ferienarbeiter, keinen Job; er hatte Arbeit.
Nun sind solche Veränderungen von Wortbedeutungen nichts besonders Aufregendes. Ärgerlich ist allenfalls, daß Dschobb blöd, ja unappetitlich klingt, nach Verstopfung, und daß es sich um ein amerikanisches Wort handelt, der Grund seines Gebrauchs also allein in Minderwertigkeitsgefühlen liegt. Das hat der Job aber mit tausend anderen Wörtern gemein und rechtfertigt nicht, ihm besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Die verdient er deshalb, weil er eine ganz besondere Geschichte hat.
Wann es genau war, weiß ich nicht mehr, vielleicht vor zehn oder vor zwölf oder vor fünfzehn Jahren. Davon abgesehen ist mir die Situation noch deutlich vor Ohren: Der Nachrichtensprecher im Bayerischen Rundfunk sagte, daß soundsoviele Menschen ohne Job seien. Und er meinte eindeutig nicht nur Ferien-Jobber, sondern auch z. B. arbeitslose Lehrer. Ich stutzte, denn niemand außerhalb sehr isolierter Kreise redete zu jener Zeit so. Während etwa das Ticket über 20 oder 30 Jahre hin allmählich die Vielfalt der Bahn-, Flug-, Eintrittskarten usw. verdrängt hat und irgendwann es auch die Nachrichtensprecher, erkennbar widerstrebend, übernahmen, kam der Job mit einem Schlag aus dem Äther, also von oben. Er traf aber offenbar auf ein brennendes Bedürfnis: Nur ganz kurze Zeit später war die ganze Fülle der Job-Wörter da und wenn einer eine Stelle suchte oder seinen Arbeitsplatz verteidigte, wurde er angesehen, als wäre er vom Mond gefallen.
Was ist da passiert? Man ist ja ein vernünftiger Mensch, meidet normalerweise jeden Kontakt mit den Spinnern, die mehr oder weniger wahnhaften Welterklärungssystemen anhängen. Aber hier, das muß man zugeben, helfen nur noch Verschwörungstheorien weiter. Irgendwo in einem entlegenen Winkel trafen sich die Rundfunkgewaltigen und heckten einen Plan aus. Nur, fragt man sich, was wollten sie damit erreichen? Was haben ausgerechnet sie davon? Vielleicht ist es ja eine Rationalisierungsmaßnahme. Job ersetzt, wie vorher Ticket, eine ganze Reihe alteingeführter Wörter mit ganz bestimmten, genauen Bedeutungen. Und wenn das so weitergeht, muß man eines Tages weit weniger in die Ausbildung von Nachrichten- und anderen Sprechern investieren, denn sie kommen mit viel weniger Wörtern aus. Man muß sie vielleicht bald überhaupt nicht mehr eigens ausbilden, sondern nimmt einfach irgendeinen Joblosen von der Straße. Die paar Wörter, die es dann noch gibt, wird er schon richtig aussprechen können.

Eines, dachte ich, gibt es nicht: Weil die Arbeitsplatzeffekte, wenn auch nur die positiven, gar zu schön sind und kein Politiker es sich nehmen läßt, auf sie hinzuweisen, egal was er vorschlägt, wird man wohl für ihre Erhaltung (für die Jüngeren unter Ihnen: ihren Erhalt) sorgen. Aber nein: über 30.000 Treffer ergab „Jobeffekt“ bereits bei Google.


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