Freitag, 29. Juli 2011

Meilensteine setzen Vormarsch fort


Herr U. E. aus Mainz schreibt mir:
„Die Meilensteine sind im Vormarsch. Habe ich da irgendwas verpasst? Am 26. 7. 2011 in den Heute-Nachrichten um 19 Uhr verkündete Dr. Grube im Rahmen der Strategie der DB, zukünftig mehr Strom aus Wasserkraft zu verwenden, sehr stolz: ‚Mit dem heutigen Tag kommen wir einen erheblichen Meilenstein voran’. Was um Gottes Willen soll ich mir denn darunter vorstellen? Die Einen ‚tun’ Meilensteine (auf Fußballfeldern), die Anderen’kommen’ sie ‚voran’. Ich bin nicht sicher, ob ich überhaupt noch im deutschen Sprachraum lebe.“

Donnerstag, 28. Juli 2011

Sinnmacher im Klassenkampf

Müller“ hat meinen Artikel „Sinnmacher“ kommentiert:
„‚Sinn machen’ ist mittlerweile deutsch. Es wirkt jedoch umgangssprachlich, im Gegensatz zu ‚Sinn ergeben’ und auch zu ‚Sinn haben’. Wer sich also gerne ‚gewählt’ ausdrückt, hat hier wieder eine schöne Möglichkeit mehr, sich von dem gemeinen Volk abzugrenzen.“
Ganz ist es noch nicht so, aber fast. „Sinn machen“ ist immer noch nicht einfach Umgangssprache, sondern Jargon gewisser Kreise, die sich, wie es bei gewissen Kreisen so häufig ist, für die Welt halten. Aber wenn es dann so weit ist: In der Tat, dann kann man sich, indem man Hochdeutsch spricht und „Sinn ergeben“ sagt (nicht „Sinn haben“, das funktioniert nicht, denn das sagt jeder), vom ordinären Volk distanzieren, ähnlich wie es einer tut, der seinen Sohn Hubertus-Ernst und nicht Kevin nennt. Aber zwei Einwände hätte ich doch. Erstens: Wer „Sinn machen“ sagt, hält das heute ja in aller Regel für Hochdeutsch. Zweitens: Daraus, daß die Hochsprache zur sozialen Distanzierung benutzt werden kann, zu folgern, daß man sie nicht sprechen oder schreiben sollte (ich vermute, daß „Müller“ das sagen will), ist ein wenig gewagt. Soll man sich von klassischer Musik fernhalten, weil sie ebenfalls diese Funktion hat? Kann man machen, das lief früher unter dem Namen „Proletkult“ und war, wenn ich richtig informiert bin, in der DDR sogar eine Zeitlang offizielle Linie der Kulturpolitik. Aber mir gefällt es nicht.

Dienstag, 26. Juli 2011

Dimensionen von Gender und Diversity


„Eine neue Strategievariante verfolgt die Universität Duisburg-Essen, die bereits seit 2005 mit ihrem Zentrum für Hochschul- und Qualitätsentwicklung (ZfH) die Universität, Fachbereiche und WissenschaftlerInnen dabei unterstützt, hochwertige Leistungen zu erbringen. Diese zentrale wissenschaftliche Serviceeinrichtung der Universität vereinigt Evaluation & Qualitätsentwicklung, Hochschuldidaktik, E-Learning und Karriereentwicklung unter einem Dach und entwickelt innovative Projekte, indem sie die Dimensionen von Gender und Diversity als Querschnittsthemen in alle Angebote integriert. Eine eigene Arbeitsstelle Gender and Diversity
unterstützt alle Mitglieder der Universität bei der Umsetzung von Gender Mainstreaming, bei der Berücksichtigung von Diversity-Aspekten in Studium und Lehre sowie bei der akademischen Personalentwicklung. Interessanterweise findet diese Strategie auch auf Hochschulleitungsebene ihren Niederschlag in einem Prorektorat für Diversity Management, eine bundesweite Einzigartigkeit.“[1]
Grandios! Wie erbärmlich hinkt doch die Nachbaruniversität TU Dortmund hinterher:
„Im Juli 2009 hat sie eine neue Abteilung Chancengleichheit, Familie und Vielfalt gegründet.“[2]
Immerhin, es ist ein Anfang: „Auch die TU Dortmund hat jüngst“ – und zwar just damit – „einen entscheidenden Schritt in Richtung Diversity-Management gemacht“.[3]

Montag, 25. Juli 2011

Elternteile 2


„Getrennt lebende Elternteile können ab Januar mehr Geld für sich behalten“, meldete der Bayerische Rundfunk am 30.11.2010.
Ich kenne einige, deren Eltern getrennt leben. Aber daß Teile von Eltern getrennt leben, davon hat man noch nicht gehört. Bei Menschen jedenfalls ging das bisher nicht. Bei nicht wenigen Tieren aber ist es möglich, wenn auch nicht, wie der Volksglaube will, beim Regenwurm. 

Samstag, 23. Juli 2011

Negerprinzessin

Der Linguist A. Stefanowitsch mochte seiner Tochter „Negerprinzessin“, „Negerkönig“ und „Negerkinder“ in Pippi Langstrumpf nicht zumuten oder sich eine komplizierte Diskussion ersparen und hat eine eigene Übersetzung – wie er es nennt – gemacht[1]: Südseeprinzessin, Inselkönig und Inselkinder sind daraus geworden. „Schwarze“ hat er vermieden, wohl ahnend, daß man mit diesem unter schlichten Geistern als politisch korrekt geltenden Wort den Fangstricken des Rassismus nicht ganz entkommen ist.
„Ich habe“, schreibt er, „das Deutsch der Übersetzerin Cäcile Heinig aus den 1950ern in das Deutsch des 21. Jahrhunderts übersetzt.“
So rechtfertigt er sein Eingreifen:
Wenn das Zensur ist, dann ist jede Übersetzung, jede Nacherzählung und jede Adaption Zensur. Die Idee, dass literarische Texte unantastbar und unveränderlich sein müssen, ist eine Fiktion, die mit der jahrtausendealten Tradition des Geschichtenerzählens nichts zu tun hat. Eine Geschichte, die sich nicht mit der Sprachgemeinschaft wandeln kann, in der sie erzählt wird, ist irgendwann nur noch toter Text.“
Ob es Zensur ist, wollen wir mal dahingestellt lassen. Aber eine Übersetzung ist es nicht. Er darf’s ja machen, aber er darf nicht behaupten, daß es sich um das Buch von Astrid Lindgren handelt. Brecht hat seinen eigenen Namen über die Dreigroschenoper gesetzt, nicht den des Autors der Beggar’s Opera. Eine Übersetzung teilt mir in meiner Sprache mit, was jemand in einer anderen  gesagt hat, nicht das, was der Übersetzer meint, daß er hätte sagen sollen. Wer eine „Bibel in gerechter Sprache“ schreibt, schreibt eine neue Bibel, er übersetzt nicht die Bibel. Denn deren Autoren waren an Gerechtigkeit im Verhältnis der Geschlechter überhaupt nicht interessiert.
Einen literarischen Text vorlesen ist etwas ganz anderes als Geschichten erzählen. Aus einer Geschichte kann man immer wieder neue Geschichten machen. Goethe und Wagner haben Faust und Nibelungenlied nicht übersetzt, sondern sie haben sie als Stoff genommen und zu einem eigenen Werk verarbeitet. Und ein Text von Shakespeare ist keineswegs tot, wenn er sich nicht mit der Sprachgemeinschaft wandelt: Er erhält sein Leben dadurch, daß er immer wieder neu, unter den Perspektiven der jeweils neuen Zeit, interpretiert wird, und zwar daß das, was Shakespeare geschrieben hat, interpretiert wird. Er lebt nicht dadurch, daß man „King Lear“ mit „Ministerpräsident Lear“ übersetzt, weil ja im heutigen Deutsch unter einem König eher eine komische Figur der Glamourwelt verstanden wird und nicht ein politisch mächtiger Mensch und es so dem Leser leichter fällt, das Richtige zu assoziieren.

Doch wenn schon, dann konsequent. „Neger“ ist weg, aber „Prinzessin“? Ist es denn politisch korrekt, Kindern derartige mit dem Gedanken der Demokratie und einer republikanischen Staatsform ganz unvereinbare, ja moralisch höchst verwerfliche Träume in den Kopf zu setzen? Und wenn es schon egal ist, ob man mit der „Übersetzung“ einem Autor Ansichten unterstellt, die er ganz und gar nicht gehabt hat – in unserem Fall einer für ihre Zeit sehr gemäßigten Rassistin, aber doch eben einer Rassistin –, dann sollte man dabei nicht stehen bleiben und das Projekt einer von jedem Antisemitismus gereinigten Übersetzung von Mein Kampf ins Auge fassen; Wörter wie „Arier“ waren im Deutsch der Vorkriegszeit üblich, aber nicht im heutigen, das muß doch als Begründung reichen.

Freitag, 22. Juli 2011

Content posten


„Poste keine Videos mit unangemessenem Content!“, befiehlt Youtube.
Sicher, viele Leute, vor allem jüngere, verstehen das und einige sprechen sogar selber so. Ich verstand es nicht, bis ich vor einigen Monaten mit diesem „Blog“ begann. Manchmal, z. B. in diesem Fall, bin ich stolz auf mein Unwissen. Aber nun hab’ ich einmal angefangen, und ich muß Dinge tun, die man mit solchen Wörtern bezeichnet. Welch eine Strafe!
Da höre ich schon jemanden schreien: Das ist die Arroganz derer, die mit dem Lauf der Welt nicht mitkommen und sich auch noch was drauf einbilden, verknöcherte Halbleichen und verstaubte alte Säcke, gegen die man gar nichts mehr unternehmen muß, denn die sterben sowieso bald aus!
Letzteres glaube ich sofort. Aber ich hab’ ein Argument, gegen das Ihr nicht ankommt: Es hört sich einfach saublöd an.

Donnerstag, 21. Juli 2011

Lesenswert:

http://neusprech.org/ausstieg/

Ticketing


Herr U. E. aus Mainz schreibt mir:
„Lieber L.,
das hier stand heute,19. 7., in der Mainzer Allgemeinen Zeitung: 'Neuer Ärger mit Ticketing', dabei ging es um irgendwas mit einem Fußballstadion. Ich finde, Du solltest das wissen, falls Du mal wieder was mit dem Erwerb einer Eintrittskarte zu tun hast und nicht weißt, wie Du Dich ausdrücken musst, um verstanden zu werden.“

Dienstag, 19. Juli 2011

Jöpple fürs Freie


„Menschen in der Großstadt kleiden sich gern wie die Teilnehmer einer Polarexpedition. Welches Geheimnis steckt hinter dem unheimlichen Trend zu Outdoor-Kleidung?“ [1]
Ich glaube, ich kann es lüften. Es steckt in dem amerikanischen Wort. Einen Trend zu Freizeitkleidung hätte es kaum gegeben. Aber nun haben wir ihn und man braucht stärkere Waffen gegen den Unfug. Ich möchte, meinem früheren Vorschlag entsprechend, Nordic Walking durch Steckeleslauf zu ersetzen, diesen unterbreiten: Anstelle von Outdoor-Kleidung heißt es ab jetzt Berg-Wämsle oder so ähnlich.

Sonntag, 17. Juli 2011

Unheimlich spannender Spaß

„Der Erfolg der Rabattverträge wird der Politik unheimlich.“[1] Das kann ich mir gut vorstellen, auch wenn ich nicht weiß, was in diesen Verträgen steht. Wenn aber der christliche Bundestagsabgeordnete Hermann Gröhe dem gesinnungsverwandten Sender Bibel-TV anvertraut: „Ich lerne immer unheimlich spannende Leute kennen, das macht mir Spaß“,[2] dann will mir das weder inhaltlich – denn er meint, daß er die Leute, deren Kennenlernen ihm Spaß macht, ausgerechnet im Bundestag kennenlernt – noch von der Sprachlogik her so recht eingehen. Wenn die Leute spannend sind, dann mag die Spannung daher rühren, daß sie unheimlich sind, das kennt man ja aus dem Fernsehkrimi. Sie könnten auch heimlich spannend sein, was sie aber stets geschickt zu verbergen wissen, so daß einem jeder Spaß vergeht. Aber unheimlich spannend?
Und daß Spannendes Spaß machen kann, könnte ich mir auch gerade noch denken, manche Leute sind halt so. Aber Unheimliches? Das ist doch definitionsgemäß nicht lustig. Wenn nun gar Gröhes Fraktionskollege Dr. Rolf Koschorrek behauptet: „Ich habe mich in der Fraktion unheimlich schnell zurecht gefunden“,[3] dann legen wir, mit Henscheids Dummdeutsch-Lexikon, das „Unheimlich“ unter der Rubrik Infantilismus ab (was bei Gröhe, der ein gebildeter und reifer Mensch ist, nicht geht) und wenden uns dem „zurecht gefunden“ zu. Die Schreibweise verlangt, „gefunden“ zu betonen. Er hat sich also wohl verloren und dann gefunden, und zwar nicht zu Unrecht gefunden. Aber müßte es dann nicht statt „zurecht“ „zu Recht“ heißen? Wirr wird mir, seit ich erwacht: wild und kraus kreist die Welt! (Erda, der Welt weisestes Weib,  im Siegfried).

Freitag, 15. Juli 2011

Korrespondierender Coach

„Und das hat natürlich auch etwas mit der Korrespondenz zwischen mir und meinen Klienten zu tun. Jeder Coach wird sich mit der Zeit seine zu ihm passende Klientenpopulation heraus korrespondieren.“ Gesagt hat das „Dr. Wolfgang Looss (Jahrgang 1943)“; der ist „seit mehr als zwanzig Jahren Coach und zählt zu den Begründern der deutschen Coaching-Szene.“[1]
Das Wort höre ich seit einigen Jahren ständig, weiß aber immer noch nicht, was es bedeutet und ob ein Coach etwas anderes ist als ein Trainer, davon einmal abgesehen, daß das Wort ein größeres Blähpotential hat. Daß es eine Szene gibt, zu der man als Coach und vielleicht auch als Gecoachter (sagt man das so?) gehört oder doch gehören sollte und daß diese Szene, was bei Szenen ja eher unüblich ist, Begründer hat – Gründer sind schon etwas häufiger –, hat mich überrascht. Eine Population aus irgendwas herauskorrespondieren ist eine beachtenswerte, beinahe geniale Erfindung. Das „heraus korrespondieren“ des Journalisten allerdings macht aus dem Satz des Dr. Loos eine unverständliche Aneinanderreihung von Wörtern.

Dienstag, 12. Juli 2011

Meist gelesen


„Meist gelesen“ ist eine Rubrik auf www.rundfunk.evangelisch.de überschrieben. Da findet man Seiten, auf denen Texte stehen, aber auch Bilder zu sehen sind. Mit der Überschrift will man uns also mitteilen, daß meist die Texte gelesen, seltener die Bilder angeschaut werden.

Sonntag, 10. Juli 2011

Durchs wilde Kurdistan


„Auf über 3.000qm bietet Enzklösterle zentral in der Ortsmitte einen völlig neuen, innovativen Adventure Golfpark ... Gespielt wird auf typischen Materialien des Schwarzwaldes: Über Holzrugel, einen Wasserfilm, über Trockenmauern oder durch ein Felsenfeld ... Spielen Sie Abenteuer-Minigolf, wie Sie es sonst nirgends erlebt haben.“[1]
Wie wird einer, der gelernt hat, daß man zum Minigolfspielen auf einer holprigen Bahn, und noch dazu in der Ortsmitte, ja nicht einfach so in der Mitte, sondern zentral in der Mitte, Abenteuer zu sagen hat, es wohl nennen, wenn er beim Urlaub im Jemen ganz ungeplant von echten Beduinen entführt wird oder ihn Paris Hilton für ein Stündchen mit auf ihr Hotelzimmer nimmt oder er sonst etwas erlebt, worüber man bei Familientreffen noch nach Generationen redet? Wird er nicht darunter leiden, daß ihm ein passendes Wort fehlt? Event wird ihm vielleicht einfallen, aber das geht auch nicht, denn: „Emotionalisierung durch Event-Marketing gibt es bei Lidl und bei Adidas“.[2]

Freitag, 8. Juli 2011

Lösungsmittel

Statt „Programme“ liest man immer häufiger „Softwarelösungen“ (677.000 Treffer bei Google).
Das ist ganz vernünftig. Denn man löst ja ein Problem, das einem die eigene Software bereitet, und zugleich ist mit „Software“ die Software gemeint, die man kaufen soll, und die ist zum Problemlösen da. Ein Problem löst einem aber auch der Tisch, denn ohne ihn wüßte man nicht, worauf man die Teller stellen soll und hätte also ein Problem. Doch ist es in diesem Fall etwas komplizierter als bei der Software, die ja auf beiden Seiten der Problemkonstellation vorkommt. So ist man sich unsicher, ob man den Tisch von nun an Eßlösung oder Holzlösung (besser wohl: Woodlösung, dann setzt es sich leichter durch) nennen soll. Weil es auch Glastische gibt, kann es auch eine Glaslösung geben, die zugleich eine Eßlösung ist. Vielleicht nennt ein Fabrikant, der mit der Zeit geht, sein Produkt ja bereits so. Wundern würde es mich nicht.

Donnerstag, 7. Juli 2011

Welten über Welten

„Ob Teambuilding, Kick off oder Coaching - in unseren Meetings & Events Parks in Deutschland, den Niederlanden und Belgien erwartet Teams ab 12 Personen das außergewöhnliche Erlebnis in einer einzigartigen All-In-One Welt - zu jeder Jahreszeit!“[1]
Völlig verloren stehe ich da in der Jetztzeit. (Oder sagt man Echtzeit? Oder ist das etwas ganz anderes? Man kommt nicht mehr mit mit dem Lauf der Zeit. Ich meine jedenfalls die Zeit, die wir gerade haben, im Unterschied z. B. zur Zeit vor 30 oder 40 Jahren.) Mein Wörterbuch konnte mir keine Bedeutung der amerikanischen Wörter in diesem Satz mitteilen, die ihn mir verständlich gemacht hätte. Allenfalls bei Meetings und Events half das Nachblättern ein wenig, doch was Meetings & Events Parks sein sollen, weiß ich damit immer noch nicht; ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß diese Paddeltouren-Firma in drei Ländern Parks besitzt. Vermutlich hat „Park“ in der Annonce eine mir nicht bekannte Bedeutung. Kein Wunder, die Zahl der Bedeutungen geht ja neuerdings ins Unendliche. Schon daß man sowohl den Stadtpark als auch den Gewerbepark Park nennt, überfordert ein Normalgehirn wie das meine. Aber es gibt auch noch den Konzeptpark und den KarrierePark, den – soll man’s glauben? – Betroffenheitspark, den biblischen Sinnpark und natürlich den Gender-Park.
Vor allem aber würde mich interessieren, was eine „All-In-One Welt“ sein soll. Auch wenn man einen weiteren Bindestrich einsetzt, damit die vier Wörter zusammen überhaupt etwas bedeuten können – was bedeuten sie denn? Eine Alles-in-Einem-Welt? Das ist die Welt doch sowieso. In der Welt, und nur in ihr, ist alles drin, also alles in einem, eben in der einen Welt. Und in der Welt bin ich unvermeidlich immer. Da muß ich nicht extra nach Belgien fahren.
Welt ade, ich bin dein müde (Johann Georg Albini, 1668).



[1] http://www.eventplaner.net/index.htm?frame=sg_Incentives_RegionaleIncentives.htm

Mittwoch, 6. Juli 2011

interaktiv hautnah


„Leidensweg Christi hautnah erlebt. Ein interaktiver Kreuzweg in der Friedenskirche in Charlottenburg“, titelt Die Kirche am 24. April 2011 (Hv. im Orig.).
Ich glaub’s nicht. Selbst im anspruchsvollsten Sado-Maso-Club bekommt man das nicht hin, ob nun interaktiv oder einseitig. In früheren Zeiten, als man für derart gotteslästerliche Sätze noch auf den Scheiterhaufen kommen konnte, wäre es schon eher möglich gewesen. Aber ob möglich oder nicht, das ist den Schreibern ja wurscht, Hauptsache, sie haben wieder einmal die Blähwörter „hautnah“ und „interaktiv“ untergebracht, das hebt sie doch sehr aus der Masse der gewöhnlichen Menschen heraus.

Dienstag, 5. Juli 2011

Amerikanisierung der deutschen Sprache

In dem Blog "ad sinistram" gibt ein Kommentator einen beherzigenswerten Rat:


Anonym pillo hat gesagt...
Bei vielen Mitmenschen ist dieses Denglisch-Gesabbel nur Wichtigtuerei. Viele von denen sind dabei noch nicht einmal in der Lage, ein halbwegs vernünftiges Gespräch mit einem englischen Muttersprachler zu führen. Blender und Möchtegernintellektuelle wohin man sieht und hört!
Zwischenzeitlich habe ich ein ganz praktikables Mittel gefunden, diese Dummköpfe zum Schweigen zu bringen. Wenn ich wieder einmal so einen Vollpfosten vor mir habe, der meint, mich mit seinem Denglisch nerven zu müssen, antworte ich einfach auf Spanisch oder besser noch auf Russisch. Das wirkt! Es gibt sogar den einen oder anderen, der versteht, was man ihm damit sagen will und dann etwas verschämt dreinschaut.



Zum Thema "Deutschland schafft sich ab"

siehe:
http://ad-sinistram.blogspot.com/2011/07/wirtschaft-nicht-integriert-sie-spricht.html

Partnering


„Ein Ansatz, am Kundennutzen zu arbeiten, heisst ‚Partnering.’ Dabei wird dem Kunden überlegene Leistung geboten. Andererseits wird vom Kunden entsprechende Loyalität gefordert. Diese Konstellation schafft Verpflichtung und langfristige Beziehung.“[1]
Überlegene Leistung lasse ich mir als Kunde immer gern anbieten, allerdings würde ich gern wissen, wem oder was sie überlegen ist. Daß man von mir deshalb Loyalität fordert, sogar entsprechende, gefällt mir hingegen gar nicht. Angenommen, die bieten mir erst irgendwelchen Murks an und darauf eine diesem überlegene Leistung, dann sehe ich nicht ein, weshalb mich das zur Loyalität gegen diese Firma verpflichten soll. Außerdem ist mir unverständlich, wie diese der Meinung sein kann, daß sie damit am Kundennutzen, also an meinem, arbeitet. Der Verdacht läßt mich nicht los, daß da eher am Nutzen dessen, der mir etwas verkaufen will, gearbeitet wird.
Aber wie auch immer: Wenn das alles auf den unüberbietbar grunzdummen Namen „Partnering“ hört, verzichte ich gern auf die überlegene Leistung und meine Loyalität kriegen sie schon gleich gar nicht. Diese Konstellation hebt jede Verpflichtung auf und macht die Beziehung denkbar kurzfristig.
Neuerdings ist aber noch eine andere Bedeutung von „Partnering“ in Umlauf gekommen: „Das sogenannte Partnering setzt darauf, dass man ins Feld hinaus geht, den Gegner militärisch besiegt.“[2] Der Zusammenhang mit der gleichnamigen Praxis in der Geschäftswelt hat sich mir bisher nicht erschlossen. Daß der Kunde am Ende auch auf dem Feld der Ehre militärisch besiegt wird, wird’s hoffentlich nicht sein.


[2] Claudia Roth im Interview mit Zeit.de 27.1.2011

Montag, 4. Juli 2011

Delle im Physikerdiskurs läßt Universum beben


„Hat das Elektron Dellen in seiner Gestalt? Die Antwort könnte die Struktur des Universums bestimmen“ (Telepolis, 26.5.11)
Ich weiß zwar nicht, ob man es weiß, aber glauben tun wir ja seit einiger Zeit alle, daß der Flügelschlag eines Schmetterlings in Japan das Wetter in Europa umschlagen lassen kann. Die auf den ersten Blick ähnliche Behauptung des Telepolis-Autors dürfte aber doch ein bißchen zu weit gehen. Ich glaube nicht, daß sich das Universum davon beeindrucken läßt, ob die Physiker auf einem ganz unbedeutenden Planeten am Rande einer Galaxis allenfalls mittleren Ausmaßes diese oder jene Antwort auf die Fragen geben, die sie gerade umtreiben, gar, daß es sich davon gleich seine Struktur bestimmen läßt.

Sonntag, 3. Juli 2011

Opi, eine Ini!

„Ini will Unis ohne Rüstungsforschung“, lautet eine taz-Überschrift am 30. Mai 2011.
Die PraktikantInnen (siehe Praktikanten) dürfen bei der taz jetzt offenbar nicht nur Unterüberschriften, sondern sogar richtige Überschriften schreiben. Was „Ini“ heißt, wird in dem Artikel nicht erklärt, man setzt es wohl als bekannt voraus. Ich vermute, es heißt Initiative und in den Kreisen der PraktikantInnen redet man halt so.
Es könnte aber auch sein, daß die Überschrift von einem richtigen, erwachsenen taz-Journalisten stammt, der das Ziel der mentalen Verjüngung der Gesellschaft verfolgt. Das ist ja nicht schlecht, wo sie doch rein biologisch gesehen immer mehr vergreist. Aber ein bißchen übertrieben find’ ich es schon, im Infantilisierungsstreben derart weit zu gehen. Papi, Mami, Omi, Opi, Ini, das gewöhnen sich die Kleinen sonst doch schon in der Vorschule wieder ab.

Samstag, 2. Juli 2011

Der Journalist als Dichter

„Europa spannt Rettungsschirm über Irland auf“. So begannen die Nachrichten des Bayerischen Rundfunks am 22.11.2010, und seitdem hat’s nicht aufgehört.
Ich mag das nicht. Nachrichtenredakteure sollen mir mitteilen, was geschehen ist. Wir bezahlen sie nicht dafür, daß sie sich als Dichter versuchen. Es wird ja doch nichts.

Freitag, 1. Juli 2011

Süße Leidenschaft

„Ein Hobby (Plural: Hobbys[1]) oder Steckenpferd ist eine Lieblingsbeschäftigung. Ein Hobby ist somit im Gegensatz zu Arbeit eine Tätigkeit, der man sich nicht aus Notwendigkeit, sondern freiwillig und aus Interesse, Faszination oder sogar Leidenschaft unterzieht. Die Tätigkeit bringt Vergnügen, Spaß oder Lustgewinn mit sich.“[1]
So völlig zufrieden bin ich mit dieser Wikipedia-Definition nicht. Was ist, wenn die Tätigkeit nicht Lustgewinn, sondern bloß Lust mit sich bringt? Ist sie dann kein Hobby? Und wenn ich mich der Tätigkeit, in der meine Arbeit besteht, aus Interesse unterziehe oder weil sie mich fasziniert? Ist sie dann gar keine Arbeit? Haben wir vielleicht Abermillionen von Parasiten unter uns, die nur so tun, als ob sie arbeiteten, während sie in Wirklichkeit ihr Steckenpferd reiten? Und was folgt daraus, daß eine Tätigkeit, der man sich aus Leidenschaft unterzieht, ein Hobby ist? In blick.ch stand neulich, daß der „Mister Schweiz“ André Reithebuch in „Sarah Erni (24)“ „leidenschaftlich verliebt“ ist.[2] Ist sie sein Hobby? Muß er ihr, während er ihr zärtlich am Ohr knabbert, in dasselbe hauchen: „Oh du mein süßes Steckenpferd!“? Oder ist nicht die Leidenschaft als solche, sondern sind die verschiedenen Tätigkeiten, in denen sich die Leidenschaft äußert, das Hobby? Oder ist der Begriff Hobby in diesem Falle gar ganz unangebracht? Man sieht: Wikipedia täte gut daran, an der Definition noch etwas zu feilen.